Hans Werner Wolff und seine Schwester Grete konnten noch rechtzeitig aus Sandstedt fliehen. Ende der 1930er Jahre emigrierten die beiden jungen Juden aus Furcht vor den Nazis nach England. Ihre Eltern, Tony und Jacob Wolff, mussten sie zu Hause an der Osterstader Straße 21 zurücklassen. Der Vater war schwer herzkrank und traute sich die Reise nicht zu. Die Eltern wurden später in Konzentrationslagern ermordet. Nach dem Zweiten Weltkrieg soll ihr Sohn Hans Werner Wolff als britischer Soldat noch einmal Sandstedt besucht haben - oder ist das nur eine Legende?
Berichte aus Sandstedt über die Famlie Wolff
Hans Werner Wolff wurde am 4. August 1913 in Sandstedt geboren. Heute wäre er 110 Jahre alt geworden. Mittlerweile dürfte er verstorben sein, doch über sein Leben in England und das seiner Schwester ist bis heute nichts bekannt.
Über seine Jugend in Sandstedt gibt es hingegen Berichte. Vor fast 20 Jahren befragten der damalige Pastor Dietrich Diederichs-Gottschalk und vor allem seine Frau Felicitas ältere Einwohner, die sich als Zeitzeugen noch an die vier jüdischen Familien im Ort erinnern konnten. Die Ergebnisse wurden im Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 2006 unter dem Titel „Ich hätt‘ auch Jude sein können“ veröffentlicht. Ein Foto von Wolff haben die beiden bei ihren Recherchen nicht gefunden.
„Ich habe mit knapp einem Dutzend älterer Sandstedter gesprochen“, erzählt Felicitas Gottschalk. Viele der Zeitzeugen sind nun verstorben. In den 20er und 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts waren sie relativ jung. Daher hatten sie vor allem Erinnerungen an die gleichaltrigen Kinder aus den vier jüdischen Familien, mit denen sie befreundet waren.
Als die Nazis am 30. Januar 1933 die Macht ergriffen, war Hans Wolff gerade 19 Jahre alt. „Er galt im Ort als Filou und soll schon früh Streiche gespielt haben“, sagt Gottschalk. Ein Sandstedter erinnerte sich in dem Aufsatz: „Hans wollte anfangs nicht zur Schule.“ Der sechsjährige Hans soll sich aus Wut sogar auf den Fußweg gelegt haben.
Hans Werner Wolff als Fußballer beim TSV Sandstedt
Immer wieder wird erwähnt, dass Wolff ziemlich gut Fußball beim SV Sandstedt gespielt hat, wie der heutige TSV damals hieß. „Ich weiß nur noch, dass er ein sehr guter Fußballer war und mein Vetter, dass der immer von Werner Wolff geredet hat“, so ein Zeitzeuge. Eine Sandstedterin gab zu Protokoll: „Werner Wolff, der war Fußballer, der war im Sportverein. Da hat sich ja keiner was bei gedacht. Und nachher war das so hässlich. Wie können Menschen nur so sein?“
Später sollen sich Vereine geweigert haben, gegen Sandstedt anzutreten - weil Wolff Jude war. Was darauf schließen lässt, dass der Verein wohl länger zu seinem jüdischen Mitspieler gestanden hat als andere Clubs. Spätestens ab 1935 verboten die Rassengesetze Juden die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Einige Vereine führten vorher freiwillig „Arier-Paragrafen“ ein.
Wolff machte eine Ausbildung in Bremerhaven. Ein Klassenkamerad erzählte: „Die Kinder sind mit uns zur Schule gegangen und der Hans hat in Bremerhaven bei Schoppen gelernt.“ Mit „Schoppen“ war das jüdische Kaufhaus von Julius Schocken in der Bürgermeister-Smidt-Straße gemeint.
An die Flucht der Geschwister nach England gab es keine Erinnerungen mehr. „Das haben wir nicht mitgekriegt. Die waren weg. Es war ein großes Schweigen“, so ein Zeitzeuge. Stattdessen entstand das Gerücht über eine Rückkehr von Wolff, der als alliierter Soldat seine alte Heimat besucht haben soll.
Kehrte Hans Werner Wolff zurück nach Sandstedt?
Gottschalks schrieben: „Es ist wohl ein intensives Gefühl des geduldeten Unrechts vorhanden, wenn gemutmaßt wird, dass Hans mit den Alliierten sozusagen als Rächer zurückkehrte, wenn auch als gnädiger.“ Diederichs-Gottschalk glaubt nicht daran, hat aber eine Erklärung für dieses Gerücht: „Es gab damals einen Fall in der Region, der ein bisschen ähnlich war.“
Demnach soll belegt sein, dass es in Bad Bederkesa zwei Brüder gab. Der eine war überzeugter Nationalsozialist, der andere floh ins Ausland. Nach dem Krieg soll der Exilant mit den Alliierten zurückgekommen sein und dafür gesorgt haben, dass sein Bruder aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde. Diederichs-Gottschalk vermutet, dass sich einige Sandstedter eine ähnliche Versöhnungsgeschichte gewünscht hätten.
Doch Belege für einen Besuch von Hans Werner Wolff gibt es nicht. Ein Zeitzeuge sagte: „Die haben mit niemandem Verbindung gehalten.“ Er mutmaßt, dass sie vielleicht dachten: „Die haben unsere Eltern auf dem Gewissen. Und dann wollen wir mit denen in Sandstedt auch nichts mehr zu tun haben.“ Man wisse es aber nicht. Doch bei den Aussagen der Zeitzeugen klingt durchaus Bedauern mit. Für die Morde. Für die Vertreibung. Und auch dafür, dass die Schicksale von Hans Werner Wolff und seiner Schwester Grete ungeklärt blieben.
Die Häuser der vertriebenen Juden in Sandstedt
Neben der Familie Wolff an der Oststader Straße 21 lebten weitere Juden bis zu ihrer Vertreibung durch die Nazis in Sandstedt: Familie Gottschalck an der Offenwarder Straße 3, Familie Goldmann in der Osterstader Straße 23 und Familie Goldmann an der Marktstraße 3. Die NORDSEE-ZEITUNG wird in weiteren Teilen über sie berichten.- Sandstedt
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