1. Lokalnachrichten
  2. Kreis Paderborn
  3. Paderborn
  4. Von Borchen aus mit gestohlenen Nobelkarossen gehandelt

Borchen/Paderborn

Von Borchen aus mit gestohlenen Nobelkarossen gehandelt

Polizei Paderborn erwischt internationale Autoschieberbande

Die Kriminalhauptkommissare Stephan Binder (l.) und Jürgen Tillmann ermittelten acht Monate in der "EK-Alicante". An dem sichergestellten BMW X1 war die Fahrgestellnummer professionell ausgetauscht worden, damit sie zu den Originalpapieren passte. | © FOTO: POLIZEI PADERBORN

Die Kriminalhauptkommissare Stephan Binder (l.) und Jürgen Tillmann ermittelten acht Monate in der "EK-Alicante". An dem sichergestellten BMW X1 war die Fahrgestellnummer professionell ausgetauscht worden, damit sie zu den Originalpapieren passte. | © FOTO: POLIZEI PADERBORN

28.02.2014 | 28.02.2014, 14:59

Borchen/Paderborn (nw). Acht Monate setzte die Paderborner Polizei eine Ermittlungskommission ein, um einer spanisch-russischen Bande von Autodieben und Hehlern auf die Schliche zu kommen. Der Drahtzieher, ein in Borchen (Kreis Paderborn) wohnender Ukrainer (41), sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft, und fünf mutmaßliche Komplizen sind identifiziert.

Die Bande hatte es ausschließlich auf hochwertige BMW-Modelle abgesehen. Den Beutewert der in Spanien gestohlenen Fahrzeuge schätzt die Polizei auf rund 300.000 Euro. Zwei Autos konnten bislang sichergestellt werden.

Eine anonyme Mitteilung setzte Mitte Mai 2013 den Startschuss für die Monate dauernden Ermittlungen. Teils in russisch, teils auf deutsch beschrieb der bis heute unbekannte Verfasser die kriminellen Machenschaften einer Bande, die von Borchen aus mit gestohlen Nobelkarossen handeln sollte.

Die Fahrzeuge, so die Informationen des Anonymus, stammten aus Spanien, wurden dort umfrisiert und dann offiziell über ein bekanntes Internetportal vertrieben oder nach Osteuropa verschoben. Weder bei der Polizei in Paderborn noch irgendwo anders im Bundesgebiet lagen Erkenntnisse über diesen Autodealer-Ring vor.

Die Paderborner Kriminalbeamten versuchten konkrete Hinweise aus Spanien zu gewinnen, denn dort sollten die Tatorte zwischen den Gebieten Alicante und Murcia liegen. Relativ schnell fanden sie heraus, dass es in den Bereichen auffällig oft zu Diebstählen von BMWs und Audis kam. Von den spanischen Behörden war aber kaum mehr zu erfahren.

Nachdem erste Ermittlungen in Deutschland die anonymen Angaben bestätigt hatten, gründete die Paderborner Polizei eine Ermittlungskommission, um der Bande auf die Schliche zu kommen. In der "EK Alicante" arbeiteten bis zu sieben Polizistinnen und Polizisten.
Der Verbindungsbeamte des BKA in Madrid stellte den Kontakt mit den zuständigen spanischen Polizeibehörden her.

Zwei Kriminalbeamte der EK flogen nach Alicante, um direkt vor Ort an der spanischen Mittelmeerküste die Zusammenarbeit mit den spanischen Ermittlern aufzunehmen. Diese waren den Autodieben bereits auf der Spur und hatten bei ihren Ermittlungen in Murcia eine Werkstatt enttarnt, in der vermutlich die gestohlenen Autos umfrisiert wurden.

Eine Razzia verlief allerdings nicht wie geplant. Die spanischen Polizisten berichteten von einem BMW mit Paderborner Kennzeichen, der bei dem Zugriff vom Werkstattgelände geflüchtet war. Dieser Wagen war auf den in Borchen wohnenden Mann zugelassen, den der Anonymus benannt hatte.

Mit diesen und weiteren Erkenntnissen kam die Abordnung der Paderborner Polizei wieder zurück und ermittelte in Paderborn weiter. Die Beamten bekamen heraus, dass der Borchener, ein 41-jähriger Ukrainer, Ende Mai 2013 nach Alicante flog und mit einem gestohlenen Wagen zurückkehrte. Der BMW X1 wurde später über mobile.de zum Verkauf angeboten.

Eingestellt hatte das Inserat ein 19-jähriger Verwandter des Borcheners. Bei Verkaufsverhandlungen schlugen die Ermittler in Paderborn erstmalig zu. Dabei stellte sich heraus, das der Wagen auf einen Mann (31) aus Salzkotten-Oberntudorf zugelassen war.

Der BMW war umfrisiert und lief als sogenannte Dublette. Das Auto war in Murcia gestohlen und mit den Daten sowie der Zulassung eines anderen in Spanien laufenden BMW frisiert worden. Den Wagen stellte die Polizei sicher. Gegen die beteiligten Personen lag allerdings noch nicht ausreichend Beweismaterial für eine Festnahme vor.

Die Paderborner Kriminalbeamten blieben aber hartnäckig am Ball. Sie legten weitere Strukturen der Bande offen und identifizierten weitere mutmaßliche Tatbeteiligte. Dabei kam heraus, dass auch der Borchener Daten und Zulassungen für gestohlene Autos beschaffte, indem er identische Fahrzeuge mit Totalschäden ankaufte, diese verschrotten ließ und nun die Papiere für die "Dublette" nutzte.

Ende November 2013 hatten die Ermittler Beweise gegen acht Tatverdächtige zusammengetragen und über die Staatsanwaltschaft eine Durchsuchungsaktion beantragt. Bei der Razzia waren 30 Polizisten eingesetzt, die gleichzeitig in acht Objekten im Kreis Paderborn zugriffen.

Noch unmittelbar vor seiner Festnahme versuchte der 41-jährige Borchener Beweismittel zu vernichten. Das konnten die Fahnder verhindern und belastende Unterlagen sicherstellen. Zeugen erkannten den Tatverdächtigen, sodass jetzt ein Haftbefehl beantragt werden konnte. Das Gericht schickte den Mann in Untersuchungshaft.

Alle anderen mutmaßlichen Tatbeteiligten aus Hövelhof, Tudorf, Sennelager, Schloß Neuhaus und Elsen blieben auf freien Fuß. Auf einige waren gestohlene Fahrzeuge zugelassen worden. Mindestens einer war auch als Fahrzeugkurier eingesetzt, um Beutefahrzeuge ins Ausland zu überführen. Alle Tatverdächtige waren bislang nicht polizeilich in Erscheinung getreten.

Während der weiteren Ermittlungen wurde ein anderer gestohlener und nach Dessau verkaufter BMW sichergestellt. Derzeit laufen noch Ermittlungen in Polen, Frankreich und Spanien nach mutmaßlichen Beutefahrzeugen der Bande. Aufgrund der hier beschlagnahmten Beweismittel konnten die Paderborner Ermittler ihren spanischen Kollegen ausreichend Hinweise liefern, die zur Identifizierung von Tatverdächtigen in Spanien führen können.

Die Ermittlungen in Alicante und Murcia laufen noch. Laut Information der EK-Alicante soll die Bande im Ermittlungszeitraum mindestens acht Autos im Wert von etwa 300.000 Euro umgesetzt haben. Die Ermittlungskommission wurde in dieser Woche aufgelöst. Sämtliche Akten und Asservate liegen nunmehr der Paderborner Staatsanwaltschaft zur Prüfung vor.