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Theresa Hahl - Eine Autorin erfindet sich neu

Seit gut zehn Jahren gehört die 28-Jährige zur Spitze der Poetry-Slam-Szene. Als Regionsschreiberin hat sie von Herford aus vier Monate lang Ostwestfalen-Lippe erkundet

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Kraftquelle Garten: Vier Monate lang war Theresa Hahl in OWL unterwegs. | © Ralf Bittner

Kraftquelle Garten: Vier Monate lang war Theresa Hahl in OWL unterwegs. | © Ralf Bittner

05.10.2017 | 05.10.2017, 10:23

„Ostwestfalen ist schwer zu greifen", sagt Autorin Theresa Hahl, „da gibt es den protestantischen Norden und den katholischen Süden und dazwischen den mythischen Teutoburger Wald." Seit Anfang Juli war sie in der Region unterwegs, besuchte Volksfeste oder Ausstellungen, traf Menschen oder ließ sich durch die Natur treiben. Jetzt geht ihr vier Monate langes Arbeitsstipendium dem Ende entgegen, und Hahl arbeitet an ihrem finalen OWL-Gedicht, das sie bei der Abschlussveranstaltung des landesweiten Projektes „Stadt.Land.Text" in Düsseldorf vortragen will.

Ein Gedicht soll es werden, die Essenz aus den während der vergangenen vier Monaten entstandenen Texten. Basis für ihre Erkundungen ist Herford, wo Hahl für die Dauer des Stipendiums bei Bildhauerin Susanne Albrecht wohnt. „Das hat sich gut getroffen", sagt Hahl, denn neben Minden gehört die „Hansestadt ohne Hafen", so der Titel eines Gedichts, das auf dem Projektblog auf www.stadt-land-text.de nachlesbar ist, zu ihren Lieblingsorten in OWL.

"Ich bin ein Gesamtkunstwerk"

Hahl ist in der Spoken-Word- und Poetry-Szene bekannt für verspielte lyrische Gedichte, mit denen sie vor allem Gefühle vermitteln möchte. Den Aufenthalt in OWL nutzt sie auch für eine künstlerische Neuererfindung. Schon länger hadert sie mit dem Format Poetry-Slam und den auf Effekt getrimmten Texten. „Bevor ich einen Gag schreibe, um einen Slam zu gewinnen, würde ich lieber kellnern gehen", sagt sie. Die männliche Dominanz stört sie ebenfalls. „In Workshops sind acht von zehn Teilnehmern Mädchen oder junge Frauen. Weiter machen fast immer die Jungen oder jungen Männer."

Ihr Literatur-Studium in Berlin und Marburg mit parallelen Lesetouren brach sie ab. Seither ist sie als freischaffende Künstlerin unterwegs, unter anderem als Stipendiatin der Kulturstiftung Rheinland-Pfalz für Literatur in der Künstlervilla in Edenkoben oder für das Goethe-Institut in Afrika und Indien. „Ich war erstaunt, dass Stimmung und Gefühl meiner Gedichte auch ohne Übersetzung verstanden wurden", sagt Hahl.

„Ich bin ein Gesamtkunstwerk", so Hahl über Hahl, die schon als Schülerin in Heidelberg über einen Workshop zum Poetry-Slam fand. „Damals habe ich auch Musik gemacht und gemalt", sagt sie. Das Malen hat sie während des Projektes wieder entdeckt. Auf Rindenstücken oder Holzstücken gemalte Puzzleteile ergänzen ihre OWL-Texte. Bisher ist sie in einigen Anthologien vertreten und hat auch schon einige Texte in kleinen, selbst verlegten Booklets herausgebracht.

"Zu lang für Lyrik, aber zu kurz für Prosa"

Hahl ist längst nicht mehr auf das nur wenige Minuten lange Poetry-Slam-Zeitfenster beschränkt. Sie gestaltet auch Leseabende oder Wohnzimmerlesungen auf Einladung. Wichtiges Utensil ist dabei ein alter Malerkoffer voller zusammengesammeltem Kleinkram wie Puppenhausmöbel, Tippkick-Figuren, Spieluhren oder Zetteln mit dadaistischen Kürzesttexten. „Die Zuhörer können etwas aus dem Koffer angeln", erklärt Hahl. „Jedes Ding steht für einen Text, den ich dann vortrage. So ist jede Lesung anders."

Hahl schreibt lange Texte, nach eigener Einschätzung „eigentlich zu lang für Lyrik, aber zu kurz für Prosa". Oft sind es Augenblicksbetrachtungen, die sie in Worte kleidet, eine Nacht in einem Park oder eine Wanderung zu den Externsteinen. „Ich würde gerne ein gut gemachtes Buch in einem guten Verlag veröffentlichen", beschreibt sie ihren Traum, denn jeder Künstler habe doch den Wunsch, etwas zu hinterlassen.

Nach ihrem OWL-Aufenthalt zieht sie zurück nach Hamburg. Dort wohnt sie, wenn sie nicht unterwegs ist. Neben Schreiben und Malen gehört auch das Reisen zu Hahl. Als Verbindung dieser Interessen ist im Kiosk 24, Radewiger Str. 24, in Herford ihre Installation „Das kleine Kabinett der Poesie", ihr erster Versuch in Sachen bildender Kunst, zu sehen. Am 10. Oktober ist sie dort um 10 Uhr mit ihren Texten zu erleben.