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Berlin/Bielefeld

Arschbomben und Dickes B: Ein Nachruf auf den Seeed-Sänger

Demba Nabé ist im Alter von nur 46 Jahren verstorben

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Der Seeed-Sänger Demba Nabé, alias Ear alias Boundzound, ist gestorben. | © picture alliance / Martin Huber / picturedesk.com

Der Seeed-Sänger Demba Nabé, alias Ear alias Boundzound, ist gestorben. | © picture alliance / Martin Huber / picturedesk.com

01.06.2018 | 12.09.2022, 15:09

Berlin/Bielefeld. Ich sitze am Rechner, checke meine Mails, und prompt verschlucke ich mich an meinem Tee. Gänsehaut überzieht mich und das Gefühl, ich müsste jetzt gleich ungehemmt losweinen, kommt auf, macht mich taub. Demba Nabé, Ear, Boundzound ist tot. Ich habe das Gefühl, ich habe einen Freund verloren, und ich habe es nicht mitbekommen.

Die Nachricht hat mich am Donnerstag nicht erreicht. Dafür knallt sie mir Freitagmorgen umso stärker um die Ohren. Ich habe am See gelegen, Arschbomben hinein gemacht, Prosecco getrunken und auf Endlosschleife "Sensimilla" und "Dickes B" gehört – ein sonniger Tag, der (man tausche den Prosecco noch gegen ein kaltes Pils) wohl ganz nach dem Geschmack des Berliners gewesen wäre. Doch während ich dieser vertrauten Stimme lauschte und mir vom Leben richtig einen ausgeben ließ, habe ich nicht mitbekommen, wie diese vertraute Stimme gestorben ist.

Verantwortlich für Ohrwürmer

Sogar all denen, die mit dem Namen, der Mukke nichts anzufangen wissen, kennen diese Stimme. Denn die grandiose Mischung aus Dancehall, Rap, Reggae, Electro, machte den 46-Jährigen nicht nur mit der Band Seeed, sondern auch als Solokünstler wahnsinnig erfolgreich. Er hat Ohrwürmer gesungen, hat sie tief in meine Seele eingebrannt. Ohne einen einzigen Ton kann ich ganze Strophen mitsingen und bin damit ganz sicher nicht allein.

"Dickes B" – es war der Sound meiner Jugend. Eine Playlist mit Seeed der Erfolgsgarant für eine Party. Gerade erst war die Freude groß – neues Album, neue Tour. Ich war eine von vielen, die die Seiten der Ticketdienste zum Absturz brachte. Endlich wieder da, ein Glück hab ich ein Ticket ergattert. Das alles ist in diesem Moment nichts mehr wert. Ebenso unwichtig die Todesursache.

Denn Demba ist tot, und ich bin tieftraurig. Die Nachricht, die die Seeed-Mitglieder über ihren Anwalt an die Öffentlichkeit brachten, zeigt mir, dass ich nicht allein bin. Man sei traurig und bitte Abstand von Anfragen zu nehmen. Es ist womöglich der Ausdruck einer ähnlichen Lähmung, wie sie mich an diesem Morgen überzieht.

"Steh auf, ich zähl bis zehn..."

Doch nicht jeder ist so gelähmt. Im Wikipedia-Artikel der Band ist Demba Nabé schon totgeschrieben – wurde von der Liste der Bandmitglieder schon in die Liste der Ehemaligen aufgenommen. In den Klammern hinter seinem Namen prangt ein Kreuz. Im Netz tummeln sich Fragen, was nun aus dem neuen Album und der Tour wird. Stopp! Kann hier mal jemand die Reißleine ziehen? Das geht mir alles viel zu schnell. Ich stürze mich in Nachrufe, von denen mir die meisten zu distanziert, zu unpersönlich sind. Nur der Nachruf der Zeit bringt die Gänsehaut zurück, die Twitter-Nachrichten von Dembas Freunden und Wegbegleitern den dicken Kloß in meinem Hals.

Doch was tun? Lasst uns aufstehen, das Radio aufdrehen – vielleicht hören wir ja Demba. Denn seine Stimme ist das, was uns bleibt. „Steh auf, ich zähl bis zehn. Das Leben will einen ausgeben, und das will ich sehen." Auf dich, Demba! Cheers!