Le Pen droht AfD mit Aufkündigung der Fraktion - nur ein „Missverständnis“?

Im Europäischen Parlament rieben sich viele ungläubig die Augen angesichts der Schlagzeilen, mit denen die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen dieser Tage für Aufmerksamkeit sorgte. Nach Berichten über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern mit anderen Rechtsextremen in Potsdam, bei dem es auch um die massenhafte Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland ging, drohte Le Pen der AfD mit dem Rauswurf aus der gemeinsamen Fraktion im Europaparlament. &bdquo;Ich bin ganz und gar nicht einverstanden mit den Vorschlägen, die bei diesem Treffen diskutiert worden sein sollen“, kritisierte die Politikerin. Sie wolle prüfen lassen, ob sich daraus Konsequenzen für die gemeinsame Fraktion ergeben. &bdquo;Wir werden über diese sehr großen Meinungsverschiedenheiten reden müssen.“ Ihre Partei lehne es mit Blick auf Frankreich ab, Menschen mit Migrationshintergrund die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen. AfD in Brüssel: &bdquo;Wir alle schätzen Le Pen“ Bei der AfD in Brüssel will man von Streit in der Fraktion nichts wissen. &bdquo;Das Verhältnis zum Rassemblement National ist sehr gut und stabil, wir alle schätzen Frau Le Pen“, sagt AfD-Delegationsleiter Joachim Kuhs dieser Redaktion. Man werde weiterhin freundschaftlich mit dem RN zusammenarbeiten, kündigte er an. Zudem seien die Positionen in Migrationsfragen deckungsgleich. &bdquo;Missverständnisse entstehen allein dadurch, dass der Begriff Remigration in Frankreich anders als in Deutschland verstanden wird“, rechtfertigte sich Kuhs. Der AfD gehe es nur um die Rückführung illegaler Ausländer, nicht um deutsche Staatsbürger. Im Parlament gehören Le Pens RN und die deutsche AfD zur Fraktion Identität und Demokratie (ID). Meinungsverschiedenheiten gab es kaum. Meist stimmten AfD- und RN-Abgeordnete gleich ab. Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, erklärte, Le Pen sei auf &bdquo;Desinformation“ hereingefallen und das &bdquo;Missverständnis“ werde sich &bdquo;in Wohlgefallen auflösen“. In Frankreich aber schauen viele skeptisch auf eine gemeinsame Fraktion mit einer von Krah geleiteten AfD-Delegation. Der hatte im französischen Präsidentschaftswahlkampf nicht Le Pen, sondern deren rechtsextremen Gegenspieler Eric Zemmour öffentlich unterstützt. Seine Mitgliedschaft in der ID-Fraktion wurde in der Folge temporär suspendiert. Versucht Le Pen gemäßigtere Menschen für sich zu gewinnen? Wenige Monate vor der Europawahl dürfte Le Pen versuchen, mit der Drohung gegen die AfD ein Zeichen an die gemäßigteren Wählerinnen und Wähler in Frankreich zu senden. Demoskopen sehen rechte und rechtsextreme Parteien in Europa im Aufwind und diese setzen nun alles daran, dass die Zustimmungswerte so hoch bleiben. Nach der Europawahl im Sommer könnte die rechtsextreme ID-Fraktion mit rund 100 Abgeordneten die drittstärkste Fraktion im neuen Parlament werden. Le Pens Spitzenkandidat, Parteichef Jordan Bardella, liegt mit etwa 30 Prozent in allen Wahlprognosen vorn, knapp zehn Prozentpunkte vor Macrons Regierungspartei. In den vergangenen Monaten hatte Le Pen bereits gemäßigtere Töne angeschlagen, um sich in Frankreich von ihrem noch rechtsextremerem Konkurrenten Zemmour abzusetzen. Dieser will wie Le Pen bei der nächsten Präsidentschaftswahl antreten. Er hatte das beim Potsdamer Geheimtreffen diskutierte Konzept der &bdquo;Remigration“ in Frankreich bekannt gemacht. Zemmour stellte sich nun hinter die AfD und kritisierte Le Pen scharf für ihre Distanzierung. Die AfD ist derzeit mit neun Abgeordneten in Brüssel vertreten, doch laut den Umfragen könnte die Partei bei der Wahl 20 Sitze bekommen. Das wäre ein Fünftel der in den Umfragen erwarteten Fraktionsgröße. Ein Ausschluss der AfD aus der Fraktion gilt angesichts dieser Größe als unwahrscheinlich.

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