1. Nachrichten
  2. Zwischen Weser und Rhein
  3. Jetzt als Podcast: Der grausame Dreifachmord von Hille

OWL Crime - mit Podcast

Der grausame Dreifachmord von Hille: Darum mussten Jörg W.s Opfer sterben

Brutal werden im ostwestfälischen Hille drei Menschen von Jörg W. ermordet. Der Tatort: ein alter Hof. Wie es dazu kam und was mit den Opfern passiert ist, thematisieren wir in unserem Podcast.

Ein Dreifachmord in dieser sonst so ruhigen Gegend schockt die Menschen in ganz Deutschland. | © NW

Ein Dreifachmord in dieser sonst so ruhigen Gegend schockt die Menschen in ganz Deutschland. | © NW

22.12.2022 | 12.05.2023, 14:19

Bielefeld. Kurz nach 19 Uhr. Es ist Mitte März 2018. Das Spezialeinsatzkommando der Polizei steht bereit, wartet auf das Signal. Im Wintersportort Reit im Winkl, nahe Rosenheim, ist einer der berüchtigtsten Verbrecher aus OWL abgestiegen: Jörg W., der Dreifachmörder aus Hille (Kreis Minden-Lübbecke).

Wie viele Menschen er tatsächlich auf dem Gewissen, wie viele grausame Gewalttaten er verübt hat, wissen die Beamten damals noch nicht. Dann: Zugriff!

Der Fall ist nun Thema in einer Episode von "OstwestFälle - dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen".

Der Dreifachmord von Hille im Überblick:

  • Im August 2017 tötet Jörg W. seinen Nachbar Gerhard F.
  • Wenige Tage später, nach dem ersten Mord, erschlägt W. seinen 51-jährigen Mitbewohner Jochen K.
  • Die Leiche von Jochen K. wird am 14. März 2018 zusammen mit dem getöteten Gerd F. auf dem Hof von Jörg W. gefunden.
  • Das dritte Opfer, Fadi S., wird am 9. März 2018 tot in Hille-Neuenbaum gefunden.
  • Jörg W. und sein Ziehsohn sowie Komplize Kevin R. werden am 9. Juli 2019 vom Landgericht durch ein Strafverfahren zu lebenslanger Haft verurteilt – Jörg W. sogar zu einer Sicherungsverwahrung im Falle einer Haftentlassung.

W. ist damals 51 Jahre alt. Nur wenige Stunden zuvor haben die Polizei und die Staatsanwaltschaft in Bielefeld ein Foto des angeklagten Mannes veröffentlicht. Jörg W. ist groß, etwa zwei Meter. Auf dem Foto hält er in der rechten Hand eine Pistole, in der linken eine Flasche Bier. Er trägt eine Camouflage-Hose, dazu einen braunen Pulli.

Mit diesem Foto - damals noch ungepixelt - suchte die Polizei den später Angeklagten Jörg W. - © Archivbild: Polizei
Mit diesem Foto - damals noch ungepixelt - suchte die Polizei den später Angeklagten Jörg W. | © Archivbild: Polizei

Im rechten Mundwinkel hängt lässig eine Kippe. Er trägt eine Kappe, dazu eine Goldkette mit Dollarzeichen. Und Sonnenbrille – auf letzterer ist "Rotze" und "Voll" auf die Gläser gedruckt. W. lehnt an seinem silbernen Mercedes, das Mindener Kennzeichen ist zu erkennen. Das wurde ihm zum Verhängnis.

Spurensuche: Die Polizei ist am Tatort des Dreifachmordes, dem Reiterhof in Hille, und sucht nach Spuren der Gewalttaten. - © Stefanie Dullweber
Spurensuche: Die Polizei ist am Tatort des Dreifachmordes, dem Reiterhof in Hille, und sucht nach Spuren der Gewalttaten. | © Stefanie Dullweber

Mit einem solchen Foto hat die Polizei selten nach Schwerverbrechern in Ostwestfalen gesucht. Damals hatten die Ermittler der Mordkommission Wilhelm noch keine Ahnung, was W. tatsächlich alles verbrochen hatte. Doch schon der Anfangsverdacht war grausig: Der damals 51-Jährige soll den Maurer Fadi S. getötet haben. Laut Bielefelder Polizei hatte W. den Mord bereits früh eingeräumt.

Fadi S. aus Stadthagen ist nicht das erste Opfer von Jörg W.

Fadi S. ist damals 30. Verheiratet. Zwei Kinder. Er kommt aus dem niedersächsischen Stadthagen, einer kleinen Stadt nahe der Grenze von OWL. Er ist Libanese. Seine Familie macht sich Sorgen. Immerhin hatte er sich am Sonntagnachmittag auf den Weg nach Hille gemacht – und bis zum Montag hatten sie nichts von ihm gehört.

Auf Anrufe reagiert er nicht. Die Familie erstattet Vermisstenanzeige, seine Frau telefoniert sogar noch mit Jörg W. Was sie nicht weiß: Fadi S. ist tot, ist Opfer eines Verbrechens. Und er ist nicht das erste Opfer.

Grausamer Mord am Nachbarn

Die Geschichte beginnt bereits 2016. W. lebt zu der Zeit bereits mit seinem Ziehsohn Kevin R. und seiner Frau auf dem Reiterhof in Hille. Sein Nachbar Gerhard F., ein 71-jähriger Witwer, hatte W. eine Vollmacht für sein Konto erstellt. Damit er finanzielle Angelegenheiten erledigen könnte. F. lebt von seiner Rente.

Die Staatsanwaltschaft ist sich später sicher: Es war im August 2017, als W. seinen Nachbarn die Kellertreppe hinunterstößt. F. liegt an den Füßen der Stufen, als sich Jörg W. einen Ziegelstein greift und wieder und wieder auf den Rentner einschlägt.

Gerhard F. lebt noch einige Minuten. Er atmet Knochensplitter seines Kiefers ein. Dann stirbt der alte Mann. Gerichtsmediziner berichten später, dass alle Knochen im Gesicht des Opfers zwischen Stirn und Kinn mehrfach gebrochen waren. Von den übrigen Verletzungen ganz zu schweigen.

Seine Leiche lässt W. vorerst im Keller liegen. Sein Ziehsohn verschraubt noch die Kellertür mit einer Bohrmaschine.

Geld war für Jörg W. immer wichtig

W., ausgestattet mit einer Kontovollmacht, beginnt monatlich Geld abzuheben. Etwas mehr als 1.200 Euro. Er leidet offenbar unter Geldproblemen, wird Kevin R. später über W. aussagen. Beide haben ein gutes Verhältnis. Kevin R. nennt W. "Papa". Der Plan: Der Ziehsohn soll ins Haus des getöteten Rentners einziehen.

Ebenfalls für zwei Morde angeklagt: Ziehsohn Kevin R. erhielt im Strafverfahren eine lebenslange Freiheitsstrafe. - © Alexander Lehn
Ebenfalls für zwei Morde angeklagt: Ziehsohn Kevin R. erhielt im Strafverfahren eine lebenslange Freiheitsstrafe. | © Alexander Lehn

Generell scheint Geld eine große Rolle im Leben von W. zu spielen. Mehrere Monate lebt ein Pflegekind auf dem Reiterhof in Hille. Wegen des Geldes? Immerhin kassieren W. und seine Frau dafür eine stattliche Summe – insgesamt ein mittlerer, fünfstelliger Wert. Offenbar eine Haupteinnahmequelle.

Aus Habgier wurde der Hilfsarbeiter Joachim K. ermordet

Es ist wohl die Habgier, die W. später zu einer weiteren, grauenvollen Tat treibt. Schon seit Jahren wohnte der Hilfsarbeiter Joachim K., damals 64, auf dem Reiterhof von Jörg W. Er lebt von ein paar hundert Euro Sozialleistung im Monat. Genug, um sterben zu müssen.

Es sind nur ein paar Tage nach dem ersten Mord, als der später Angeklagte W. erneut zuschlägt. Mit einem Ziegelstein greift der 51-Jährige den Mitbewohner an. Eigentlich wollten sie gemeinsam grillen. Er zertrümmert K. den Schädel. Wieder ist Jörg W.s Ziehsohn dabei, tritt wieder und wieder auf das Opfer ein.

Tatwerkzeuge sind ein Jagdmesser und ein Ziegelstein

W. holt ein Jagdmesser, sticht auf sein Opfer ein. Einmal, Zweimal. Dreimal. Viermal. Das Tatmesser soll W. danach abgeleckt haben, berichtet Kevin R. später vor Gericht. Die Leiche, so die Staatsanwaltschaft, lagern beide vorerst in einer Zisterne. Das Messer soll später wie eine Trophäe im Haus aufgestellt worden sein.

Als die beiden das Zimmer des Hilfsarbeiters durchsuchen, finden sie sein Erspartes. Etwas mehr als 3.000 Euro. Insgesamt soll das mörderische Duo seinen Opfern damals etwa 15.000 Euro abgenommen haben.

Kevin R. und Jörg W. verscharrten die Leichen auf dem Grundstück

Doch wohin mit den Leichen von Gerhard F. und Jürgen K.? Die beiden Verbrecher entscheiden sich, auf dem Grundstück des Reiterhofes eine Grube auszuheben. Sie fotografieren sich dabei gegenseitig, lächeln in die Kamera, posieren mit dem Spaten. Die Fotos werden später per WhatsApp verschickt. Wie Trophäen. In Chats werden ihre Opfer später nur "die Kaputten" heißen.

Generell scheint es W. nicht so ganz mit der Wahrheit zu haben. Er neigt gerne zu Übertreibungen, attestiert ihm eine Gutachterin später. So will er als Fremdenlegionär im Irak im Einsatz gewesen sein. Und beste Kontakte zu großen Rockerclubs will er auch haben. Die Kripo sieht das aber als erfunden an, wie später rauskommt. So wurde er zum Beispiel wegen Untauglichkeit vor dem Ende der Ausbildung als Fremdenlegionär entlassen.

Was passierte beim tödlichen Treffen auf dem Hof in Hille?

Zurück zu Fadi S., dem dritten Opfer, das den Stein ins Rollen bringen sollte. Er ist Maurer. Jörg W. kennt er schon länger – offenbar hat sich W. auf eine Kleinanzeige gemeldet. Denn S. wollte sich selbstständig machen, berichtet seine Witwe vor Gericht.

W. und S. wollten gemeinsame Sache machen und in der Baubranche Fuß fassen. Sie wollten Immobilien kaufen, renovieren und wieder verkaufen. Der Libanese gab W. mehrere tausend Euro Startkapital. Doch W. glich damit lieber sein Konto aus. Es kommt Anfang März 2018 zum tödlichen Treffen in der Scheune des getöteten Nachbarn.


Hinterrücks greift W. seinen Geschäftspartner mit einem Mauerfäustel, einem Hammer, an. Schlägt wieder und wieder mit dem Tatwerkzeug zu.

Was erst während des Prozesses klar wird: Es gibt mehrere Tatwerkzeuge bzw. einen zweiten Fäustel. Und auch an dem wurde Blut von Fadi S. gesichert. Es sei unwahrscheinlich, dass ein Täter zwei Hämmer nutzt, heißt es später. Haben W. und R. gemeinsam getötet, das Verbrechen zusammen begangen?

Laut Richter: Angeklagter Jörg W. ist "Gewohnheitsmörder"

Gegenüber Ermittlern beschuldigen sich beide gegenseitig. Blutspritzer an der Kleidung von R. belegen, dass auch er zugeschlagen haben muss. Generell will der damals 24-jährige Angeklagte allerdings nicht an den Taten beteiligt gewesen sein.

Er lässt vor Gericht von seinem Verteidiger eine Erklärung verlesen, in der er den ebenfalls angeklagten W. für alle Taten beschuldigt. Er selbst will Angst vor seinem Ziehvater gehabt haben und nur deswegen geholfen haben, die Leichen zu beseitigen.

Angeklagt: Jörg W. und sein Ziehsohn Kevin R. erhalten vom Landgericht Bielefeld eine lebenslange Freiheitsstrafe. - © Alexander Lehn
Angeklagt: Jörg W. und sein Ziehsohn Kevin R. erhalten vom Landgericht Bielefeld eine lebenslange Freiheitsstrafe. | © Alexander Lehn

Der Richter glaubt den Angeklagten Kevin R. und Jörg W. nicht. Er beschuldigt W. gar als "Gewohnheitsmörder". Der Angeklagte W. wird wegen dreifachen Mordes verurteilt. Sein Ziehsohn Kevin R. wegen zweifachen Mordes – dass er am ersten Mord an Witwer Gerhard F. beteiligt war, wird nicht ausgeschlossen, allerdings fehlen die Beweise.

Bei Jörg W. und Kevin R. wird zudem die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Sie müssen lebenslänglich ins Gefängnis – W. muss außerdem nach seiner Haftstrafe in Sicherungsverwahrung.