Wie eine Scientology-Bloggerin aus NRW neue Mitglieder anwerben will

Bielefeld/Düsseldorf. Die Scientology-Kirche versucht, neue Mitglieder zu rekrutieren. Dabei geht die im Volksmund als Sekte bekannte Organisation mittlerweile neue Wege. Eine wichtige Rolle spielt eine junge Frau aus NRW, die sich als Influencerin versucht – und dabei für die umstrittene Organisation wirbt. Sally B. ist in sozialen Medien wie Tiktok unterwegs. In kurzen Videos gibt sie unter Pseudonym Einblicke in das Leben als Scientologin, bewirbt Bücher des Gründers Ron L. Hubbard oder berichtet über Aktivitäten der "Gemeinde", womit vor allem der Düsseldorfer Ableger von Scientology gemeint ist. Hier ist B. selbst aktiv, nach Recherchen dieser Redaktion gehört ein Elternteil zum Vorstand. Ihre Videos erreichen in der Regel vierstellige Klickzahlen, teilweise aber auch deutlich mehr. Scientology ist höchst umstritten, im Volksmund wird die Organisation oft als Sekte bezeichnet. Gegründet wurde die "Scientology Church (Kirche, d. Red.)" in den 50er Jahren von Science-Fiction-Autor Hubbard in den USA. Ein Kern der Scientology-Theorie ist ein Stufenmodell, das die Anhänger beispielsweise durch teure Kurse erklimmen müssen. Experten kritisieren an der Organisation, dass eine enorme Abhängigkeit bis hin zur Überwachung entstehe und dass sich Mitglieder in finanzielle Not begeben. Hinzu komme eine extreme soziale Abschottung. Hunderte Mitglieder in NRW 350 Mitglieder hat die Organisation in NRW laut dem hiesigen Verfassungsschutz. Doch dabei soll es keineswegs bleiben. Scientology hat im Laufe der Zeit ein ausgeklügeltes Missionierungsprogramm entwickelt. Mal sind es Gespräche auf offener Straße, in denen Scientologen Passanten ansprechen und mit Persönlichkeitstests locken. Mal sind es Tarnorganisationen und Angebote, durch die Menschen unwissend mit der Organisation in Kontakt kommen. Und jetzt die sozialen Medien. Sabine Riede von der Sekten-Info NRW berichtet: "Lange Zeit galt die Devise, seine Scientology-Mitgliedschaft nicht öffentlich zu machen. Seit der Corona-Pandemie geht die Organisation wieder offensiver vor." Generell sei zu beobachten, dass missionarische Kampagnen von Scientology "mit der Zeit gehen". "Unter anderem nutzt man auch soziale Medien", sagt sie. "Damit erreicht man vor allem junge Leute." "Gefahren und Folgewirkungen verschwiegen" Laut Riede fühlen sich viele Scientology-Mitglieder mit längerer Zeit in der Organisation und einer höheren erreichten Stufe dazu verpflichtet, neue Mitglieder zu missionieren. Der Social-Media-Account könne ihrem Urteil zufolge genau dazu dienen. "Dort werden Inhalte von Scientology sehr positiv dargestellt, allerdings werden Gefahren und Folgewirkungen verschwiegen." Etwa wenn es um die enormen psychischen Belastungen in sogenannten Auditings geht, in denen Angehörige wieder und wieder über psychische Belastungen sprechen müssen. "Das kann über mehrere Stunden gehen, belastet Betroffene bis ans Äußerste und kann schwerwiegende psychische Folgen haben." Es sei nur ein Beispiel für die vielen Gefahren. Auch an anderen Inhalten der Scientology-Influencerin übt Riede Kritik. "Sie stellt die Organisation als etwas Wissenschaftliches dar. Doch das stimmt nicht", nennt sie ein weiteres Beispiel. "Die Methoden sind nicht wissenschaftlich belegt. Man glaubt nur, dass es funktioniert und spielt mit der Gesundheit der Menschen." Zudem unterliegen die Mitglieder keiner Schweigepflicht – theoretisch könnten sie "alles ausplaudern, was sie beim Auditing erfahren", so Riede. Zulauf während Corona? Die junge Scientologin lehnte ein Gespräch mit dieser Redaktion ab. In einer schriftlichen Stellungnahme übt sie massive Kritik an der Sekten-Info in NRW und dem Verfassungsschutz, der Scientology beobachtet. Weitere Fragen zu den Zielen ihres Kanals oder den Hintergründen ließ sie unbeantwortet. Einzig die Frage, wie sie ihren Kanal selbst bewertet, beantwortete sie schriftlich: "Für mich ist es wichtig, wie ihn meine Follower bewerten. Und gemessen an den Kommentaren und Nachrichten, kann ich sehen, dass viele es schätzen, Informationen über Scientology aus erster Hand zu bekommen, von einer waschechten Scientologin." Riede und ihr Team von der Sekten-Info NRW bemerken derweil, dass die Beratungsfälle aus dem Kreise von Scientology bei ihnen wieder ansteigen. "Wir denken, dass die Werbung im Internet während der Corona-Pandemie Früchte getragen hat."

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