Telefonvermittlung: Blinde Menschen führen durch den Steuerdschungel in NRW

Düsseldorf/Lüdenscheid (dpa). Beim Telefonat mit Markus Pfeifer bemerkt man nicht, dass er nicht sieht. Der 51-Jährige ist von Geburt an blind. 26 Jahre arbeitete er unter anderem in der Telefonvermittlung des Finanzamts Lüdenscheid. Jetzt hat er einen besonderen Job in der Finanzverwaltung angefangen: Er hilft an einer neuen landesweiten Hotline bei Steuerfragen weiter. Pfeifer hat ein Headset, einen Computer, der ihm Dokumente vorlesen kann und eine &bdquo;Braillezeile“ - ein Display, das ihm parallel die Sätze in Blindenschrift ausgibt. &bdquo;Der Anrufer merkt davon nichts“, sagt Pfeifer: &bdquo;Dass ich blind bin, ahnt keiner.“ Sein Job? &bdquo;Das fängt an bei ganz allgemeinen Bürgerfragen, zum Beispiel zu Erreichbarkeiten, Öffnungszeiten und dergleichen. Es geht dann über verschiedene Anträge im Lohnsteuerbereich bis hin zu Einkommensteuererklärungen oder Bescheiden. Das ist breit gefächert.“ Zurzeit werden immer mehr Finanzämter an eine zentrale Hotline angeschlossen, ab dem 1. Mai sollen es alle sein. Für Pfeifer und weitere Kollegen aus der Telefonvermittlung, in der ausschließlich Blinde und Sehbehinderte arbeiten, die Chance zum beruflichen Aufstieg. Aufstieg in den Mittleren Dienst Pfeifer erreichen daher bislang Anrufe aus dem nördlichen NRW, bald dann auch aus Aachen oder Köln (&bdquo;Dann muss ich mich an ein paar neue Dialekte gewöhnen“). Dirk Günnewig , zuständiger Staatssekretär im Finanzministerium, nennt das &bdquo;gelebte Inklusion.“ Günnewig betont: &bdquo;Wir haben an unseren Telefonen top ausgebildete, hilfsbereite, motivierte Fachkräfte sitzen und da ist es nur logisch, ihnen auch den Weg zum beruflichen Aufstieg zu öffnen.“ Was er damit meint: In der Vermittlung war Pfeifer noch im sogenannten Einfachen Dienst angestellt, jetzt ist er in den Mittleren Dienst aufgestiegen. Wie das so ist in der Verwaltung, braucht es dafür eine Fortbildung. Die zuständige Akademie in Bad Honnef wurde dafür extra umgebaut: Bereits in Teilen barrierefrei, wurde für Pfeifer und seine blinden oder sehbehinderten Kollegen noch weiter aufgerüstet - vom Arbeitsplatz bis zum Weg in die Kantine. Ein sogenanntes A-Team - das A steht für &bdquo; Assistive Technik“ - kümmert sich neben der Akademie auch um die Arbeitsplätze vor Ort. Die Finanzverwaltung gehe beim Thema Inklusion stark in Vorlage, lobt Achim Könkels von der Hauptschwerbehindertenvertretung: &bdquo;Wir haben ungefähr 3.300 Menschen mit einer Schwerbehinderung in der Finanzverwaltung beschäftigt. Das entspricht einer Quote von 9,9 Prozent.“ Das liegt weit über dem Schnitt der Landesverwaltung. In den Telefonvermittlungen der Finanzämter arbeiten aktuell 140 blinde oder sehbehinderte Menschen. Überraschend: Das wurde schon in den Achtziger Jahren so eingeführt. Dass Blinde nicht nur Anrufer verbinden, sondern ihnen auch selber weiter helfen - das hat dann noch mal 40 Jahre gebraucht. Markus Pfeifer hatte den Vorteil, dass er in Lüdenscheid sogar an der Pforte gearbeitet hatte. Das gibt es öfter: So gibt zum Beispiel eine Matte vor dem Pförtnerfenster dem Blinden mit einem Ton Bescheid, dass jemand dort steht. &bdquo;Da habe ich schon Vordrucke herausgegeben, von daher ist mir die steuerliche Materie nicht fremd“, so Pfeifer. Dann kam die Entscheidung, den telefonischen Bürgerservice zu verbessern und zu zentralisieren. &bdquo;Das war die Chance, Menschen aus der Vermittlung zu qualifizieren und damit den Job auch attraktiver zu machen“, sagt Achim Könkels von der Schwerbehindertenvertretung. Der Künstlichen Intelligenz überlegen Auch wenn man sich mit Könkels in einem Raum unterhält, merkt man nicht, dass auch er blind ist. Er sieht seinem Gegenüber in die Augen, ohne es zu erkennen. Da er erst spät erblindet ist, kennt er das &bdquo;sehende“ Leben und findet sich zum Beispiel im Finanzministerium gut zurecht. Könkels wie Pfeifer zeigen deutlich, dass man dazu neigt, blinde oder sehbehinderte Menschen zu unterschätzen. Im Bereich der Finanzverwaltung sind sie übrigens auch der zurzeit viel beschworenen Künstlichen Intelligenz (KI) überlegen: &bdquo;Bei einer KI sind Sie meistens auch in einer Cloud unterwegs“, sagt Thomas Bloch vom &bdquo;A-Team“. Und die Cloud - also eine virtuelle Datenwolke - ist nicht so angriffsfest wie ein Server, der in einem gesicherten Gebäude steht. Gerade bei Steuerdaten ist Sicherheit aber das höchste Gut. Bürger vertrauen dem Staat beim Steuergeheimnis eben blind, wie man so sagt. Im Fall von Markus Pfeifer und seinen Kollegen ist das mehr als eine Redewendung.

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