Wie erhole ich mich nach dem Sport am besten? Zehn Tipps, um mit wenig Aufwand viel herauszuholen

Wie erhole ich mich nach dem Sport am besten? Zehn Tipps, um mit wenig Aufwand viel herauszuholen

Reto Crameri für NZZ am Sonntag

Den meisten Hobbysportlern gelingt es im Alltag gerade so, genügend Zeit fürs Training zu finden. Die Regeneration aber kommt dabei häufig zu kurz – dabei ist sie ein ebenso wichtiger Leistungsfaktor.

Eva Breitenstein 7 min
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Erholt sich der Körper auch im Büro, wenn ich gemütlich vor dem Laptop sitze und arbeite?

Nur einfach die Beine nicht zu bewegen, ist noch keine Erholung. Denn erstens ist aktive Erholung besser als passive: Ein Spaziergang oder am Ende des Trainings fünf Minuten Ausschwimmen oder Auslaufen lockert die Muskeln, Stoffwechsel-Endprodukte wie Laktat werden abgebaut. Zweitens ist langes Sitzen nicht nur entspannend: Die hintere Oberschenkelmuskulatur versteift sich, bei schlechter Haltung auch der Nacken; pro Stunde einmal aufstehen und ein paar Lockerungsübungen machen hilft.

Nicht zu unterschätzen ist drittens die Auswirkung der Kopfarbeit auf den Körper. «Wenn man im Job zum Beispiel viel strategisch denken muss, löst das auch eine Ermüdung aus, die sich auf den Bewegungsapparat auswirken kann», sagt Patrick Noack, Health Performance Officer bei Swiss Olympic. Das nennt man zentrale Ermüdung. «Man kann also topfit sein, aber wenn ich zentral müde bin, kann sportliche Leistung nicht funktionieren.»

Auf mein anstrengendes Intervalltraining folgte ein ebenso intensiver Abend in der Bar. Wie beeinflusst der Alkohol meine Erholung?

Ein Glas Wein oder ein Bier sind nicht tragisch. Es gibt aber mehrere Gründe, weshalb Alkohol nach dem Training kontraproduktiv ist. Erstens ist er harntreibend. Man scheidet also noch mehr Flüssigkeit aus, nachdem man beim Sport schon viel verloren hat. Das ist schlecht für die Regeneration. Zudem schläft man mit dem Alkohol zwar schneller ein, aber man schläft weniger tief und qualitativ schlechter.

Studien – welche allerdings mit einer sehr hohen Menge an Alkohol gemacht wurden – zeigen zudem, dass die Muskelproteinsynthese gehemmt wird: Das ist der Prozess, bei dem der Muskel neue Aminosäuren einbaut, also Bausteine von Proteinen. «Man hat dann zwar nicht vergebens trainiert», sagt Joëlle Flück, Präsidentin der Swiss Sports Nutrition Society, «es ist aber definitiv nicht ideal. Zudem dauert es länger, bis man wieder erholt und leistungsfähig ist. Damit holt man nicht das Maximum aus dem Training heraus.»

Die Faustregel besagt, dass ich nach dem Training anderthalbmal so viel trinken soll, wie ich nach der Einheit leichter bin. Weshalb so viel?

Weil man einen Teil davon durch den Urin ausscheidet. Die Flüssigkeit ist wichtig für die Blutzirkulation und damit für den Nährstoff- und Sauerstofftransport. Sie hat aber auch einen Einfluss auf den Magen-Darm-Trakt, hilft, die Nährstoffe gut zu verdauen oder Verdauungsbeschwerden zu vermeiden. Wichtig für eine rasche Erholung ist ebenso, womit die Flüssigkeit angereichert ist. Wer viel schwitzt, verliert auch viel Salz. Dieses gilt es wieder zuzuführen, über das Getränk oder eine Mahlzeit. Je länger das Training gedauert hat, desto eher hat man seine Kohlenhydratspeicher in der Muskulatur entleert. Um schnellstmöglich wieder eine hohe Leistung erzeugen zu können, sollte man auch diese Speicher wieder auffüllen. Für die muskuläre Regeneration sind zudem Proteine wichtig.

Ich habe eigentlich keine Zeit für eine aktive Regeneration. Was ist das Allerwichtigste, was ich tun kann?

Schlafen. Das ist im Spitzensport wie im Hobbysport die wichtigste Regenerationsmassnahme. Wer dort kürzt, kann das nicht kompensieren ­– «kurzfristig vielleicht, aber nicht auf Dauer», sagt Patrick Noack. Wer zu wenig schläft, schneidet gemäss Studien bei der Aufmerksamkeit, der Kognition und der Anstrengungsbereitschaft schlechter ab.

Welche Prozesse laufen im Schlaf also ab? Der Körper schaltet vom katabolen Zustand, in den ihn die sportliche Belastung versetzt hat, in den anabolen, also vom abbauenden in den aufbauenden. Die für das Muskel- und Knochenwachstum wichtigen Wachstumshormone werden zu 75 Prozent im Schlaf freigesetzt. Sie fördern die Neubildung von Proteinen, die für muskuläre Reparaturprozesse zuständig sind. Auch das Nervensystem, das durch die Ansteuerung der Muskulatur gereizt ist, muss dies im Schlaf verarbeiten.

In einer Studie der Stanford University mit Basketballern zeigten sich 2011 Leistungssteigerungen von über vier Prozent, wenn die Teilnehmer mindestens zehn Stunden schliefen. Dies ist für die meisten Hobbysportler wenig alltagstauglich; seien Sie sich aber bewusst, dass bei diesem kostenlosen Mittel mehr wirklich mehr ist. Zu beachten ist noch, dass sich der Körper für einen optimalen Schlaf zuerst vom Training erholen muss. Intensive Einheiten sollten rund drei Stunden vor der Bettgehzeit abgeschlossen sein.

Ich habe keinen Zugang zu einem Eisbad. Tut es auch eine kalte Dusche? Oder ist die Hitze einer Sauna doch besser?

Wechselduschen kurbeln den Kreislauf an und lassen sich ohne Zeitverlust bei jeder Dusche einbauen: dreimal zwischen warm und kalt wechseln, jeweils nach etwa 30 Sekunden. Wer will, kann zum Schluss auch bis zu 2 Minuten kalt duschen. Wichtig ist aber, dass man nicht sofort nach dem Training aufgeheizt unter die kalte Dusche springt; 5 bis 15 Minuten warten ist besser, damit der Unterschied zur Körpertemperatur nicht so gross ist und der Körper nicht überfordert wird.

Zu vergleichen mit einem richtigen Eisbad, das eine Temperatur zwischen 0 und 5 Grad Celsius hat, ist die eigene Dusche nicht. Wer zu Hause etwas mehr Zeit investieren möchte: Wasser in die Badewanne einlassen und weiter mit Eiswürfeln herunterkühlen. Was das kalte Wasser tatsächlich bringt, ist allerdings umstritten. Die Kühlung soll das Entzündungsrisiko verringern. Lokale Entzündungen können hervorgerufen werden, nachdem bei starken mechanischen Belastungen feine Risse in der Zellmembran entstanden sind.

Wie der Körper auf die Sauna reagiert, ist sehr individuell. Generell gilt, dass man nicht am Abend vor einem Wettkampf oder einem intensiven Training in die Sauna sollte – «sonst sind die Beine wie Gummi», sagt Noack, auch wenn nicht alle Athleten gleich reagieren. Für die Durchblutung, bei einem hohen Muskeltonus und für die Stärkung des Immunsystems hat ein regelmässiger Saunagang aber auf jeden Fall Vorteile.

Soll ich nach dem Training Kompressionsstrümpfe tragen?

«Es gibt gewisse Daten, die besagen, dass das etwas bringt», sagt Noack zwar. Hat man nach dem Training schwere Beine oder Wassereinlagerungen, sorgen sie allemal für ein besseres Gefühl. Auch der Grund fürs Tragen von Kompressionsstrümpfen während extremer Ausdauerbelastungen liegt weniger darin, die Leistung zu verbessern, sondern die Muskeln zu «stabilisieren» – die Strümpfe haben vor allem bei Langdistanz-Wettkämpfen einen lindernden Effekt auf die Muskelschwellung und das Schmerzempfinden von Athleten.

Eine Massage ist zeitlich und finanziell aufwendig. Welche der Trendgeräte für zu Hause tun es auch?

Alle, die auch benutzt werden. «Viele haben eine verstaubte Faszienrolle zu Hause – dabei erfüllt diese ihren Zweck auch, wenn sie bloss für zwei Minuten im Einsatz ist», sagt Noack. Den beanspruchten Muskel auf der Rolle hin- und herzurollen, löst Verspannungen und Verklebungen, erhöht die Durchblutung sowie die Sauerstoffzufuhr und sorgt dafür, dass die Faszien (also das elastische Bindegewebe, das den Muskel umgibt) und Muskeln wieder besser gegeneinander gleiten können. Auch Massagepistolen lösen Verspannungen. «Als passive Erholungsmassnahme kann man sich gerne mal eine Massage gönnen», sagt Noack, «doch die regelmässigen aktiven Massnahmen wie Blackroll, Stretching oder ähnliches sind zu bevorzugen.»

Kann ich mit dem richtigen Essen nach dem Sport die Erholung beschleunigen?

Ja – die richtige Ernährung spielt eine grosse Rolle. Vor allem, wenn ich möglichst schnell wieder leistungsbereit sein muss, etwa an einem Turnier. Das ist für jemanden, der das nächste Training erst in drei Tagen plant, nicht entscheidend: Die Zeit reicht, um die Kohlenhydratspeicher wieder aufzufüllen. Wer aber regelmässig eine sehr hohe Leistung bringen muss, kann nicht das Optimum herausholen. Das hat Folgen: Nicht nur Leistungsfaktoren wie eine verminderte Kraft sind betroffen, auch die Gesundheit wird langfristig beeinträchtigt.

Eine ausgewogene Mahlzeit nach einem Training beinhaltet 20 bis 30 Gramm Protein, dazu Gemüse, Früchte und Stärkebeilagen, so dass die Kohlenhydratzufuhr bei ungefähr einem Gramm pro Kilogramm Körpergewicht liegt. Wer weniger lang oder weniger intensiv aktiv war, kann die Menge der Kohlenhydrate reduzieren – oder im Umkehrfall erhöhen. Hat man direkt nach dem Training keinen Hunger, tut es auch ein energiedichter Shake.

Dass man durch Dehnen keinen Muskelkater verhindern kann, weiss man mittlerweile. Weshalb soll ich es dennoch tun?

«Es geht darum, einer Entzündung der Sehnenansätze entgegenzuwirken», sagt Patrick Noack. Durch den Sport entstehen Verhärtungen oder Muskelkater. Stretching erhält die Beweglichkeit und tut der Muskellänge und den Sehnen gut. Noack empfiehlt es losgelöst vom Training, um es nicht halbbatzig zwischen die Einheit und den nächsten Programmpunkt hineinzuquetschen. Deshalb: abends vor dem Zubettgehen die Matte ausrollen, sich zehn Minuten auf den Körper konzentrieren, gerne auch mit der Blackroll kombinieren.

Neben der Beweglichkeit gewinnt mit zunehmendem Alter etwas Zweites an Bedeutung: die Kraft. «Kraftaufbau gehört ebenfalls zur Regeneration», sagt Noack. Denn den gewohnten Schritt beim Laufen bekomme man vielleicht noch hin; aber damit die Muskeln, Gelenke und Sehnen die Belastung auch verdauen könnten, brauche es Kraft. Ein Basis-Krafttraining sollte deshalb für alle dazugehören.

Wie weiss ich, ob mein Körper noch mehr Pause braucht oder ich schon wieder parat bin fürs nächste Training?

Es gibt simple Methoden, dies festzustellen. Messen Sie jeden Tag morgens gleich nach dem Aufwachen den Ruhepuls auf der Innenseite des Handgelenks und notieren Sie den Wert. Wer diese Zahlen eine Weile lang beobachtet, kann relativ gut ablesen, ob der Ruhepuls erhöht ist – eine Diskrepanz von etwa fünf Schlägen ist normal. Dass der Körper am Anschlag ist und man das Training reduzieren sollte, sieht man daran, dass die Zahlen mehrere Male höher sind als der Schnitt, der Puls im Training schneller geht als normal und dazu die Schlafqualität sinkt.

Ein weiterer Hinweis ist die Foster-Skala. Dabei geht es darum, wie ein Training subjektiv empfunden wird, von 1 (sehr leicht) bis 10 (wie der härteste Wettkampf). Ordnet man das gleiche Training plötzlich einige Stufen höher ein, sollte man ebenfalls reduzieren. Es gibt auch Sportuhren, die solche Messungen für einen übernehmen. «Diese funktionieren aber nicht bei allen Menschen gleich gut», sagt Noack. Ausserdem ist das Hören auf den eigenen Körper selbst für Profi-Athleten wichtig, bei denen alle Werte überwacht werden und die den Ermüdungszustand etwa über das Blut feststellen können. Die Zahlen helfen oft lediglich, das eigene Gefühl zu bestätigen.