Werbevideos sind eines der wichtigsten Mittel im amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf. Nicht nur Trump ist aggressiv, sondern auch die meisten seiner Mitbewerber.
Schaut man sich die Werbevideos der amerikanischen Präsidentschaftsanwärter an, fällt auf, mit welch harten Bandagen gekämpft wird. Es wird viel Zeit und Geld investiert, um die Konkurrenz herabzusetzen. Solche Negativwerbung ist in der Schweiz eher verpönt.
Von Trump ist man sich diesen polemischen Tonfall gewohnt. Im Kampagnenvideo «Wolves», veröffentlicht im Juni 2023, bezeichnet er seine politischen Gegner als tollwütige Wölfe, unterlegt mit bedrohlichen Tierbildern. Ähnlich vernichtende Spots veröffentlichte er über Biden, Haley und DeSantis.
Aber selbst seine republikanische Herausforderin Nikki Haley, die sich sonst eher als konziliante Stimme der Vernunft gibt, schiesst nun scharf. Im Video «New Generation» sagt sie, Biden sei zu alt für das Amt, fordert einen mentalen Tauglichkeitstest für ihn und bezeichnet den Kongress als «exklusivstes Altersheim Amerikas».
Haley wiederum wird von Ron DeSantis, dem Gouverneur von Florida, hart angegriffen. Im Video «Cashed In» nennt er sie «Tricky Nikki» und behauptet, während ihrer Zeit als Gouverneurin sei sie durch dubiose Deals zur Multimillionärin geworden.
Seltsam ist auch der Spot «The Reason» aus dem Lager von DeSantis, in dem er Haley mit Hillary Clinton in Verbindung bringt. Die ehemalige Aussenministerin und Konkurrentin von Trump im Wahlkampf von 2016 ist für viele Rechtskonservative das ultimative Feindbild; offenbar ist das Kalkül, dass man Haley den Todesstoss versetzen könnte, indem man ihr eine Nähe zum Paria Clinton nachweist. Zu diesem Zweck werden alte Aufnahmen eingeblendet, in denen Haley in der Tat sagt, dass Hillary sie – als Frau – motiviert habe, in die Politik einzusteigen. Das ist nachvollziehbar, auch wenn die politischen Differenzen zwischen den beiden unübersehbar sind. Die Desavouierung von Haley via Clinton ist billige Polemik und durchschaubar.
Das lässt Haley nicht auf sich sitzen. Im neuen Spot «Tough» bezeichnet sie DeSantis als Lügner, der zu lahm zum Führen und zu schwach zum Gewinnen sei.
Geradezu lustig ist auch der Clip aus ihrem Lager mit dem Titel «Too Weak», in dem suggeriert wird, dass DeSantis Trumps Gestik bis ins Detail kopiert.
In einem früheren Video mit dem Titel «Moral Clarity» platzierte sie ihre Kritik noch subtiler. «Wir müssen das Chaos und Drama der Vergangenheit hinter uns lassen – mit einer neuen Generation und einem neuen konservativen Präsidenten», heisst es dort, unterlegt mit Bildern von Protesten, rauchenden Barrikaden und einer brennenden US-Flagge. Der erste Teil des Satzes bezieht sich wohl auf Trump, der zweite auf Biden, ohne dass die beiden namentlich genannt werden.
Eine seltsame, komplizierte Strategie verfolgt auch Trump im neuen Clip «Thankful», der ganz auf die anstehenden Vorwahlen in Iowa ausgerichtet ist. Es geht darin um Kim Reynolds, die Gouverneurin von Iowa, die früher Trump unterstützte, jetzt aber auf der Seite von DeSantis steht. Trumps Video besteht hauptsächlich aus Szenen, die Reynolds zeigen, wie sie Trump preist. Einerseits wecken die Aufnahmen den (falschen) Eindruck, sie stehe – immer noch – auf der Seite Trumps, andererseits soll sie wohl als Verräterin gebrandmarkt werden.
Alle diese Videos tragen zum aggressiven, polarisierten Klima im politischen Amerika bei. Obwohl sich die Anwärter voneinander abgrenzen wollen, teilen sie dieselbe aggressive Rhetorik und setzen die Gegner herab, anstatt Lösungen für Probleme zu präsentieren – Wahlkampf als Massenschlägerei.
Joe Biden hat kürzlich einen Werbespot mit dem Titel «Your Family» zum Thema Gesundheitsversorgung lanciert. Eine Kinderkrankenpflegerin lobt darin die Arbeits- und Lebensbedingungen unter Biden im Vergleich zu seinem Vorgänger, ohne den Namen Trump zu nennen. Der Tonfall unterscheidet sich markant im Vergleich zu seinen Herausforderern. Aber er ist als Amtsinhaber natürlich auch in einer anderen Situation.
Nach den Angriffen von Trump gegen Obamacare hat Biden jüngst einen Spot mit Obama veröffentlicht, in dem Obamacare kurzerhand zu «Bidencare» wird. Auch hier ist der Stil bewusst «konstruktiv» gehalten. Das einzige Problem ist bloss, dass Biden neben Obama dermassen farb- und leblos wirkt, dass man meinen könnte, es handle sich um eine Kampagne für Obama und Biden sei lediglich eine Art Statist.
Es ist auffällig, dass die Negativkampagnen überwiegen, obwohl Forschungen zeigen, dass positive Botschaften genauso wirksam sind.
In einem Punkt sind sie sogar noch effektiver: nämlich, wenn es darum geht, Wahlmuffel zum Urnengang zu motivieren. Man hört oft von der sogenannten «erschöpften Mehrheit». Damit sind rund zwei Drittel der amerikanischen Bevölkerung gemeint, die vom polemischen Stil sowohl der Republikaner wie auch der Demokraten abgestossen sind. Diese grosse, moderat eingestellte Gruppe fühlt sich wahrscheinlich durch die gehässigen Spots in ihrer Politikverdrossenheit bestätigt und bleibt am Wahltag zu Hause. Mit konstruktiven Botschaften könnte man diese Bürger am ehesten abholen.
Diesen Befund hat wahrscheinlich der republikanisch-libertäre Anwärter Vivek Ramaswamy beherzigt, der sonst nicht durch leise Töne auffällt. Aber im Video «Right Notes» spielt er für einmal auf einer ganz anderen Klaviatur als seine Konkurrenten.
Am Anfang sieht man Ramaswamy als Knaben Klavier spielen, man sieht die Noten von «God Bless America», dann kommt eine ältere Dame, seine frühere Klavierlehrerin, ins Bild. Sie erzählt, dass sie Vivek damals jeweils nach der Klavierstunde die amerikanische Verfassung nahebrachte, und lobt seine Freiheitsliebe sowie seine konservativen Überzeugungen. Am Ende sieht man den heutigen Ramaswamy erneut beim Spielen.
Der Informationsgehalt des Videos tendiert gegen null, aber trotzdem wirkt es wohltuend inmitten von so viel Häme, Verleumdung und Negativität. Man muss allerdings annehmen, dass der Wahlkampf nicht konstruktiver und sachlicher, sondern eher von Monat zu Monat noch hässlicher werden wird. Und er hat erst gerade angefangen.