Nach den erschütternden Unruhen im Juni: Frankreich will gegen junge Krawallmacher und ihre Eltern durchgreifen

Für die Unruhen vom Juni waren vor allem Jugendliche verantwortlich. Die Regierung möchte auch Eltern für Schäden haftbar machen. Doch sie setzt nicht allein auf härtere Strafen.

Tobias Gafafer, Paris 3 min
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Brennende Container, kaputte Scheiben, geplünderte Geschäfte: Nach den Krawallen Ende Juni zieht die französische Regierung ihre Konsequenzen.

Brennende Container, kaputte Scheiben, geplünderte Geschäfte: Nach den Krawallen Ende Juni zieht die französische Regierung ihre Konsequenzen.

Juan Medina / Reuters

«Die Lektion, die ich daraus ziehe, ist Ordnung, Ordnung, Ordnung!» Der französische Präsident Emmanuel Macron gab nach den Unruhen von Ende Juni, die nach dem Tod des jungen Nahel M. bei einer Polizeikontrolle über 500 Gemeinden erschütterten, die Stossrichtung vor. Es brauche eine Rückkehr zur Autorität, auf jeder Ebene und zuallererst in der Familie, sagte er.

Vier Monate später hat die Regierung am Donnerstag in Paris ihre Antworten auf die Krawalle vorgelegt. Premierministerin Élisabeth Borne und mehrere Minister stellten diese in der Universität Sorbonne rund 250 Bürgermeistern vor, deren Gemeinden stark von den Unruhen betroffen waren. Die Regierung will verhindern, dass sich die Krawalle wiederholen. Dazu setzt sie auf härtere Strafen, aber auch auf mehr Unterstützungsgelder.

Militär soll Disziplin beibringen

Es waren überwiegend junge Männer, viele von ihnen minderjährig, die Rathäuser und Schulen attackierten sowie Geschäfte plünderten und zerstörten. Gegen sie und ihre Eltern will die Regierung nun härter durchgreifen. Borne kündigte an, dass junge Straftäter zwangsweise in Erziehungsanstalten des gerichtlichen Jugendschutzes untergebracht werden sollen. In gewissen Fällen soll das Militär jungen Straftätern Disziplin und Werte beibringen.

In die Pflicht nimmt Borne auch die Familien von Minderjährigen. Eltern, die ihre Erziehungspflichten nicht wahrnehmen, sollen härter bestraft werden, als es heute der Fall ist. Die Betroffenen sollen zu Praktika zur elterlichen Verantwortung und gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden können. Bei Zerstörungen will die Regierung sicherstellen, dass beide Elternteile für die Schäden aufkommen müssen. Viele Krawallmacher stammen aus Familien mit alleinerziehenden Müttern. Dass die Eltern von Jugendlichen für Schäden zahlen müssen, ist eine Forderung von Bürgermeistern.

Zudem verfünffacht die Regierung die Bussen für Personen, die eine Ausgangssperre missachten, auf 750 Euro. Bei den Unruhen verhängten Gemeinden Ausgangssperren, während Macron auf nationaler Ebene darauf verzichtete. «Es darf keine Straflosigkeit geben», machte die Premierministerin klar.

Dieser Eindruck entstand jedoch in Gemeinden wie Montargis. In der Kleinstadt südlich von Paris waren die Unruhen besonders heftig. Einwohner wunderten sich, dass nach den Krawallen lediglich ein Jugendlicher festgenommen wurde, obwohl Videoaufnahmen existieren. Anderswo waren die Polizei und die Behörden aktiver. Insgesamt hat die Justiz in Frankreich im Zusammenhang mit den Krawallen rund 1800 Personen zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Verbesserungen für Problemquartiere

Die Regierung setzt nicht allein auf repressive Massnahmen. Sie sicherte den betroffenen Gemeinden auch 100 Millionen Euro zu, um die Schäden zu beseitigen. Zudem hat die Premierministerin am Freitag bei einem Treffen mit den Städten soziale Massnahmen angekündigt.

So will Borne das Problem der Arbeitslosigkeit angehen, die in manchen Quartieren überdurchschnittlich hoch ist. Es sei inakzeptabel, dass manche Namen oder Adressen die Betroffenen zur Arbeitslosigkeit verdammten, sagte sie. Der Zugang zu Praktika, Anstellungen und Bankdarlehen solle verbessert werden.

Zudem kündigte Borne an, dass die Präfekten in Vierteln, wo die Bevölkerung ohnehin sozial benachteiligt ist, weniger Sozialwohnungen vergeben sollen. «Wir können nicht alle Schwierigkeiten an denselben Orten konzentrieren.» Verbessern will die Regierung die Zustände in den fraglichen Quartieren auch, indem sie vernachlässigte Wohnungen saniert.

Es dürfte eine Weile dauern, bis die Massnahmen wirken, zumal teilweise Gesetzesänderungen nötig sind. Erste Reaktionen von Lokalpolitikern fielen skeptisch aus. Bis anhin sei noch kein Euro geflossen, sagte der konservative Bürgermeister von Aulnay-sous-Bois, Bruno Beschizza, dem Fernsehsender France Info. In der nördlich von Paris gelegenen Vorortgemeinde waren die Unruhen ebenfalls besonders heftig. Linke Lokalpolitiker kritisierten, die Regierung habe zu stark auf die Repression gesetzt.