Kabila macht sich den Widerstand zunutze

Die Wahlen in Kongo-Kinshasa werden nicht wie geplant dieses Jahr durchgeführt, und zwar angeblich wegen der Unruhen in der Kasai-Region. Präsident Kabila schafft es einmal mehr, Zeit zu schinden.

David Signer, Dakar
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Joseph Kabila am 3. April 2017. (Bild: Kenny Katombe / Reuters)

Joseph Kabila am 3. April 2017. (Bild: Kenny Katombe / Reuters)

Die Opposition in Kongo-Kinshasa hat die Ankündigung, dass die vorgesehenen Wahlen dieses Jahr nicht stattfinden könnten, als Provokation bezeichnet. Die Mehrheit der oppositionellen Gruppen und die Regierung hatten sich letzten Dezember darauf geeinigt, dass bis Ende 2017 Wahlen stattfinden sollten. Das Mandat von Präsident Joseph Kabila lief am 20. Dezember 2016 aus, laut Verfassung darf er kein drittes Mal antreten. Die unabhängige nationale Wahlkommission hatte am Freitag angekündigt, wegen der Unruhen in der Kasai-Region müssten die Wahlen verschoben werden. Diese Massnahme sei ein Versuch, die Macht Kabilas zu verewigen, erklärte der Sprecher der wichtigsten Oppositionspartei Union pour la démocratie et le progrès social.

Gewaltexzesse gegen Kinder

Der 46-jährige Kabila ist seit 2001 Präsident und wurde zwei Mal gewählt. Seit dem offiziellen Ende seiner Amtszeit hält er sich mit allerlei dubiosen Tricks an der Macht. Einmal forderte er beispielsweise, vor Neuwahlen müsse zuerst eine Volkszählung durchgeführt werden. Seit dem letzten Dezember kommt es immer wieder zu Protesten gegen die Regierung, die brutal niedergeschlagen werden. Dabei kam es bereits zu Dutzenden von Toten.

Der Konflikt in der Kasai-Region, der nun als Begründung für die Wahlverschiebung herhalten muss, begann im September 2016. In vier Provinzen stehen lokale Milizen staatlichen Sicherheitskräften gegenüber. Laut der katholischen Kirche haben die Auseinandersetzungen bisher mehr als 3000 Todesopfer gefordert. Die Uno zählte jüngst 1,3 Millionen Vertriebene und gab die Existenz von 43 Massengräbern bekannt. Die Regierung in Kinshasa berichtete unlängst von der Entdeckung von zehn weiteren. Im März wurden zwei Uno-Mitarbeiter in der Provinz Kasai-Central ermordet. Sie hätten Licht ins Dunkel der Gewalttaten bringen sollen. Der Prozess gegen ihre mutmasslichen Mörder läuft gegenwärtig in Kananga, der Hauptstadt von Kasai-Central.

Letzten Donnerstag verurteilte ein Militärtribunal in Kongo-Kinshasa acht Armeeangehörige zu mehrjährigen Gefängnisstrafen. Sie waren aufgrund eines Videos verhaftet worden, das ein Massaker von Soldaten an lediglich mit Stöcken bewaffneten Zivilisten und Kindern in einem Dorf in der Provinz Kasai-Oriental dokumentierte. Die Aufnahme zirkulierte in den sozialen Netzwerken und sorgte für breite Empörung im Land. Die Militärangehörigen hätten zuerst wegen Kriegsverbrechen belangt werden sollen, es blieb dann aber bei einer Verurteilung wegen Mordes. Die Uno bedauerte, dass es nicht zu einer Verfolgung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit kam, weil das die Aufmerksamkeit auf all jene gelenkt hätte, «die in die Gewalttätigkeit in Kasai verwickelt sind». Die Regierung in Kinshasa verbittet sich jede «Einmischung» in Form einer unabhängigen, internationalen Untersuchung der Vorkommnisse.

Am Anfang des Konflikts in der Kasai-Region stand ein traditioneller Führer, dessen Rebellion man in Kinshasa lange eher als fast folkloristisches Kuriosum abbuchte. Der lokale Anführer einer kleinen Miliz kämpfte, wie die diversen Mai-Mai-Gruppen in Ostkongo, gegen alles, was in seinen Augen nicht autochthon war: Vertreter der Regierung, Soldaten und Rebellengruppen, die aus andern Landesteilen stammten oder von aussen finanziert wurden. Letzten Sommer hatte die Polizei den aufmüpfigen «chef coutumier» Kamwina Nsapu umgebracht und an einem unbekannten Ort verscharrt. Wahrscheinlich hatte die Regierung gedacht, dieses brutale Vorgehen würde seine Anhänger einschüchtern und das Problem wäre vom Tisch. Das Gegenteil, nämlich Eskalation, war der Fall. Es kam zu einer breiten Welle der Empörung und zum Kleinkrieg. Zeitweise nahmen die Aufständischen sogar die Provinzhauptstadt Kananga ein. Die nationalen Ordnungskräfte schossen scharf gegen die nur rudimentär bewaffnete Miliz, die auch Kindersoldaten in ihren Reihen hat. Die Vergewaltigung von mehreren Frauen beantworteten die Aufständischen mit der Köpfung von zwei Polizisten.

Hochburg der Opposition

Besondere Bedeutung haben die Kämpfe auch deshalb, weil die Kasai-Region als von der Zentralregierung notorisch vernachlässigt und als Hochburg der Opposition gilt. Der langjährige Oppositionsführer Etienne Tshisekedi, der im Februar im Alter von 84 Jahren verstarb, stammte von hier.

Wenn die «unabhängige» Wahlkommission nun ausgerechnet den Widerstand gegen die Staatsmacht zum Vorwand nimmt, die Wahlen erneut zu verschieben, hat das gelinde gesagt eine ironische Note. Weniger gelinde gesagt: Es bringt die Gegner von Kabila zur Weissglut.