Carpool-Spuren für die Schnellen

Carpool-Spuren lassen Autos mit mehreren Insassen schnell vorankommen. Doch nur wenige können sie nutzen. Den andern raubt das Pendeln in der Bay Area Zeit, Nerven und Geld.

Ramona Krucker, San Francisco
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Autokolonnen wälzen sich an einem frühen Augustmorgen 2013 über die Richmond Bridge in San Francisco. (Bild: Keystone / ap)

Autokolonnen wälzen sich an einem frühen Augustmorgen 2013 über die Richmond Bridge in San Francisco. (Bild: Keystone / ap)

Die Internetplattform Rideshare.org zeugt von gutem Willen. Die Idee dahinter ist, die chronisch verstopften Strassen und Autobahnen in der über sieben Millionen Einwohner umfassenden San Francisco Bay Area zu entlasten. Die Pendler sollen sich über die Website mit anderen Leuten, die annähernd den gleichen Arbeitsweg haben, zusammentun. Dadurch können Kosten für Benzin und Brückenzölle geteilt sowie Zeit gespart werden, denn Fahrzeuge mit mehreren Insassen dürfen reservierte Car-Pool-Spuren auf den Autobahnen benutzen. Eine Umfrage unter Nutzern der Plattform ergibt aber, dass bei weitem nicht alle der registrierten Pendler eine Mitfahrgelegenheit oder einen Mitfahrer gefunden haben.

Auch Stefan, der vor etwas über zwei Jahren aus Bremen in die Bay Area gezogen ist, nimmt täglich einen strapaziösen Arbeitsweg auf sich. Er wohnt in Walnut Creek im Osten der Bay Area und arbeitet als Konstruktionsingenieur im 23 Kilometer nördlich von San Francisco gelegenen Mill Valley. Sein Arbeitsweg beträgt nicht weniger als sechzig Kilometer. Wegen seiner unregelmässigen Arbeitszeiten und da er nicht wie der Grossteil der in der East Bay lebenden Pendler in Oakland oder San Francisco arbeitet, ist Ridesharing für ihn keine Option. Zu Beginn fuhr er die Strecke mit dem Auto, was ihn etwa eineinhalb Stunden plus fünf Dollar Brückenzoll pro Weg kostete. Stressfreier, aber nicht kürzer war die autofreie Alternative: Fahrt mit dem Zug des öffentlichen Nahverkehrssystems Bay Area Rapid Transit (Bart) über Land und unter der Bucht nach San Francisco, Überfahrt mit der Fähre auf das nördliche Festland, dann mit dem Fahrrad zum Büro.

Inzwischen fährt er mit dem Motorrad und spart dabei morgens fünfzig und abends vierzig Minuten. Der Zeitgewinn ergibt sich aus dem Vorteil, dass Motorradfahrer auf den Autobahnen die Mehrpassagierspur benutzen dürfen und auf gewöhnlichen Strassen zwischen den Autokolonnen durchfahren können. Zudem beträgt der Zoll für die über die Bucht führende Richmond-Brücke in der Car Pool Lane nur die Hälfte des normalen Preises.

Die Fahrzeit von vierzig beziehungsweise fünfzig Minuten pro Weg ist einigermassen erträglich, doch hat das Pendeln mit dem Motorrad seinen Preis. In den Wintermonaten ist es in den frühen Morgenstunden sehr kalt, und er sei dann auch der Einzige, der mit dem Motorrad unterwegs sei, sagt Stefan. Zudem ist er sich des Risikos, das er als Motorradfahrer inmitten von gestressten Autofahrern eingeht, bewusst.

Eher, als wieder mit dem Auto zu pendeln, würde Stefan allerdings wieder auf das Fahrrad und die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen, auch wenn er hierbei durchaus nicht nur gute Erfahrungen gemacht hat. So zum Beispiel, als die Bart-Züge wieder einmal mit grosser Verspätung verkehrten und er nach stundenlangem Warten mit dem Fahrrad während der Stosszeit in einen überfüllten Waggon stieg. Dass Fahrräder auch während der Stosszeit an Bord genommen werden dürfen, ist erst seit kurzem erlaubt, damals war es noch verboten. Kaum eingestiegen, wurde er von einer Frau mit beträchtlicher Körperfülle in gehässigem Ton auf das Fahrradverbot hingewiesen. Da habe er sich einen spitzen Kommentar gerade noch verkneifen können.

Trotz Car-Pool-Spuren bleibt den meisten Pendlern in San Francisco nur die Wahl, im Auto auf verstopften Strassen oder in verstopften Waggons auf Schienen Zeit und Nerven zu opfern.

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