Dienst ohne RS? Das könnte für Frauen in der Schweizer Armee bald möglich sein

Bundesrätin Viola Amherd will mehr Frauen im Tarnanzug. Ein Pilotprojekt eröffnet Soldatinnen mit Erfahrungen in der Friedensförderung die Möglichkeit, auch ohne RS weiter Dienst zu leisten.

Georg Häsler Sansano, Bern
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15 Prozent des Personals der militärischen Friedenseinsätze der Schweizer Armee sind Frauen.

15 Prozent des Personals der militärischen Friedenseinsätze der Schweizer Armee sind Frauen.

Swissint

Nach drei Monaten militärischer Ausbildung und einem halben Jahr Einsatz in Kosovo war für viele Soldatinnen schon wieder Schluss. Sie mussten ihren Tarnanzug nach ihrem Friedensförderungsdienst wieder abgeben. Ohne zusätzliche Rekrutenschule (RS) war eine Einteilung in einen Milizverband der Schweizer Armee nicht möglich. Die Armee verlor in der Vergangenheit gut qualifizierte Soldatinnen. Viele von ihnen hätten alle Voraussetzungen für eine Offizierskarriere mitgebracht. Das soll sich jetzt ändern.

Das militärische Kompetenzzentrum für internationale Einsätze (Swissint) hat einen Versuch gestartet, um weibliche Kontingentsangehörige in die Milizarmee einzugliedern. Das Projekt geht davon aus, dass die zwölf Wochen einsatzbezogene Ausbildung bei Swissint in Stans plus der sechsmonatige Einsatz mit der RS vergleichbar sind. Wer noch keinen Militärdienst geleistet hat, erhält eine «militärische Grundausbildung für Nichteingeteilte» (Milgane), ähnlich wie die Rekrutinnen und Rekruten auf allen anderen Waffenplätzen der Schweiz auch zuerst die allgemeine Grundausbildung durchlaufen. Danach folgt der Fachdienst. Swissint bildet die Besonderheiten der Friedensförderung, in der RS geht es dann je nach Waffengattung um das Kanonier- oder Sanitäterhandwerk.

Bessere Verbindung zur Milizarmee

Die Idee findet offenbar Anklang. Im 43. Swisscoy-Kontingent, das seit letztem Herbst in Kosovo Dienst leistet, und im Detachement in Bosnien interessieren sich 11 von 28 Frauen ohne RS-Hintergrund dafür, nach ihrer Rückkehr in die Schweiz auch weiterhin jedes Jahr einzurücken. Pajtime Krasniqi hat sich erst für einen Kosovo-Einsatz entschieden, als sie schon mitten im Berufsleben stand. Sie unterstützt den personellen Bereich, dafür bringe sie schon aus ihrem zivilen Beruf als Filialleiterin die nötige Erfahrung mit. Auch bei den militärischen Fähigkeiten stelle sie nach ihrer Ausbildung in Stans keinen Unterschied fest.

Wachtmeisterin Pajtime Krasniqi: «Zusätzlich kann ich aber auch meine Führungserfahrung, meine differenzierte Betrachtungsweise und ab und zu auch eine Portion Ruhe mit einbringen.»

Wachtmeisterin Pajtime Krasniqi: «Zusätzlich kann ich aber auch meine Führungserfahrung, meine differenzierte Betrachtungsweise und ab und zu auch eine Portion Ruhe mit einbringen.»

Swissint

Krasniqi will nicht nur weiter ins Militär. Sie hat auch die Absicht, die Unteroffiziersschule und die Offiziersschule zu absolvieren. Das ist insgesamt mehr als ein halbes Jahr zusätzlicher Dienst im Tarnanzug. Krasniqi hat das Ziel, später als Uno-Militärbeobachterin weitere Auslandeinsätze zu leisten. Dafür braucht sie einen Offiziersrang. Für diese Aufgabe verfüge sie auch über eine Portion Ruhe, schreibt Krasniqi der NZZ aus dem Einsatz.

Hinter dem Pilotprojekt steht der Oberst im Generalstab Alexander Furer, der Kommandant von Swissint. Frauen verfügten nach ihrem Einsatz über ein militärisches und einsatzbezogenes Fachwissen, das bisher nicht in die Milizarmee zurückgeflossen sei. «Es ist für uns alle ein Gewinn, wenn wir diese motivierten und qualifizierten Frauen in unsere Armee integrieren können.» Furer ist es ein Anliegen, Swissint ganz generell besser mit dem Rest der Armee zu verbinden. Bis heute findet die Friedensförderung etwas abseits des militärischen Alltags statt.

Einsatz weckt Interesse

So blieb viel Potenzial ungenutzt - auch die Motivation und die Qualifikation von Frauen, die exklusiv einen Dienst im Ausland leisteten. Unter ihnen befinden sich wenige Soldatinnen, die sonst im Gesundheitswesen arbeiten. Für die Swiss Intelligence Cell (Swic), das nachrichtendienstliche Detachement der Schweizer Armee in Kosovo, tragen unter anderem Politologinnen für die Dauer des Einsatzes die Uniform. Ausserdem verpflichten sich auch Journalistinnen oder Kommunikationsspezialistinnen, um die Swisscoy als Press Information Officer zu unterstützen. Solche Profile fehlen in der Milizarmee oft - ob bei der Truppe oder in den Stäben.

Gegenwärtig prüfen das Kommando Ausbildung und das für Personelles der Armee zusammen mit den verschiedenen Verbänden und Kaderschulen die Möglichkeiten, für die elf Kandidatinnen des ersten Versuchs die passenden Einteilungsformationen zu finden. Im Rahmen dieser Versuchsphase über zwei Kontingente will Swissint acht bis zehn Frauen erfolgreich einteilen. Für die Umsetzung der Versuchsphase ist die nachfolgende Detailplanung massgebend. Nach der Versuchsphase soll das vorliegende Konzept nochmals überprüft und bei Bedarf angepasst werden, bevor es dann regelmässig umgesetzt wird. Furer erachtet den bisherigen Verlauf des Projektes als Erfolg. Trotzdem sind auch Bedenken zu hören. Das wirkliche Eintrittsticket für die Armee sei die RS.

Hauptmann Julia Roth, S1 Swisscoy 43: «Der Ansatz, im Rahmen des Pilotprojektes Frauen als Soldat, Fachoffizier oder für eine Unteroffiziersschule zu rekrutieren, hat klar eine Chance verdient.»

Hauptmann Julia Roth, S1 Swisscoy 43: «Der Ansatz, im Rahmen des Pilotprojektes Frauen als Soldat, Fachoffizier oder für eine Unteroffiziersschule zu rekrutieren, hat klar eine Chance verdient.»

Swissint

Dem widerspricht die Chefin Personelles des 43. Kontingents in Kosovo, im militärischen Jargon S1. Hauptmann Julia Roth ist überzeugt, dass nicht zuletzt die persönliche Erfahrung eines sechsmonatigen militärischen (Echt-)Einsatzes absolut gleichwertig und vergleichbar mit den Kenntnissen und Ausbildungen während einer Rekrutenschule sei. «Um das Ziel zu erreichen, den Frauenanteil in der Schweizer Milizarmee zu erhöhen, bedarf es weiterer Ansätze», sagt Roth überzeugt. «Oftmals fehlt es den jungen Frauen an Unterstützung des persönlichen Umfeldes und damit zusammenhängend auch an Mut, am kantonalen Orientierungstag teilzunehmen», schriebt die S1 von Swisscoy 43 der NZZ aus Kosovo: «Dass das Interesse an der Schweizer Armee bei einigen Frauen erst einige Jahre später anlässlich eines Einsatzes zugunsten der Friedensförderung geweckt wird, ist daher durchaus verständlich.»

Gegenwärtig liegt der Frauenanteil in der Schweizer Armee bei 0,7 Prozent, bei den Kaderpositionen etwas höher, nämlich bei 1,2 Prozent. Es ist das erklärte Ziel von Bundesrätin Viola Amherd, der Chefin des Verteidigungsdepartements, den Anteil weiblicher Angehöriger der Armee signifikant zu erhöhen. Dies hat angesichts der Dienstpflicht für Männer einen etwas gar politischen Anstrich. Das Pilotprojekt von Swissint öffnet jedoch einen vielversprechenden Weg. Immerhin sind 15 Prozent des Personals der militärischen Friedenseinsätze der Schweizer Armee Frauen.

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