Eine Wende zur Vernunft in der deutschen Energiewende?

Enorme Kosten – geringer Effekt fürs Klima: Die deutsche Energiewende hat bisher nicht gehalten, was man sich versprochen hat. Nun scheint sich die Regierung marktwirtschaftlicher Instrumente zu besinnen. Während die einen eine CO2-Steuer einführen wollen, setzen andere auf die Ausweitung des Emissionshandels.

Christoph Eisenring, Berlin
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Die Förderung von Ökostrom (im Bild ein Windpark im ostdeutschen Peitz) hat sich Deutschland bisher über 150 Mrd. € kosten lassen. Nun denkt die deutsche Regierung darüber nach, CO2 mit einem Preisschild zu versehen. (Bild: Sean Gallup / Getty)

Die Förderung von Ökostrom (im Bild ein Windpark im ostdeutschen Peitz) hat sich Deutschland bisher über 150 Mrd. € kosten lassen. Nun denkt die deutsche Regierung darüber nach, CO2 mit einem Preisschild zu versehen. (Bild: Sean Gallup / Getty)

Die Schweiz ist in Deutschland gerade en vogue – jedenfalls, wenn es um den Klimaschutz geht. Bern erhebt eine Abgabe von 96 Fr. je Tonne CO2 auf fossilen Brennstoffen. Das Aufkommen fliesst zu zwei Drittel an die Haushalte und Unternehmen zurück, ein Drittel geht in Programme zur energetischen Gebäudesanierung. Da Deutschland seine eigenen Ziele bei der Reduktion der Treibhausgase zu verpassen droht, lässt die Regierung derzeit eine CO2-Abgabe prüfen, deren Einnahmen ebenfalls an die Bevölkerung zurückerstattet würden. Ein Vorschlag lautet, mit einem Preis von 20 € je Tonne CO2 zu starten, der bis 2035 auf 35 € steigen würde. So soll das deutsche Ziel, die Emissionen bis 2030 um 55% gegenüber 1990 zu senken, erreicht werden. Wird das Ziel verpasst, drohen dem Land hohe Bussen.

Suche nach einer «Koalition der Willigen»

Eigentlich haben die 28 EU-Staaten bereits ein Instrument entwickelt, das eine politisch gewünschte Reduktion erreicht: den Emissionshandel. Heute erfasst er die Industrie und den Stromsektor. Doch diese beiden Sektoren stossen europaweit nur die Hälfte aller Treibhausgase aus. Dagegen bleiben die Sektoren Verkehr, Wärme und Landwirtschaft aussen vor.

Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel hält deshalb die Ausweitung des Emissionshandels für die beste Massnahme. Dafür plädiert nun auch die Spitze der CDU. In diesem Fall würde europaweit dort Kohlendioxid eingespart, wo dies am günstigsten ist. Zu erwarten sei, dass der Stromsektor noch rascher CO2 reduzieren würde als heute, weil dort die Vermeidung günstiger sei als im Verkehrssektor, sagt Klepper. Nähme man die Landwirtschaft hinein, wäre wegen des Treibhausgases Methan wohl mit teurerem Rindfleisch zu rechnen, während Geflügel und vegetarische Produkte relativ günstiger würden. Solche Preiseffekte sind jedoch erwünscht, da sie die unterschiedlichen Wirkungen aufs Klima spiegeln.

Es sieht indes nicht danach aus, als würden alle 28 Länder zu einer Ausdehnung des Emissionshandels Hand bieten. Klepper kann sich in diesem Fall eine nationale CO2-Abgabe vorstellen. Die Union ist jüngst von dieser Idee abgerückt, während die SPD daran festhält – Streit in der Koalition ist also programmiert. Die Steuer würde in den Sektoren erhoben, die nicht dem Emissionshandel unterstehen, und fungierte im Emissionshandel als Mindestpreis. Für ein solches Konzept plädieren auch Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Christoph Schmidt, der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, die die Regierung beraten. Schmidt knüpft im Gegensatz zu Edenhofer eine Abgabe allerdings daran, dass es Deutschland gelingt, eine «Koalition der Willigen» zu schmieden, etwa mit den Niederlanden, Frankreich und Grossbritannien, um Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft zu verringern.

Weg mit den Subventionen

Das Herz von Joachim Weimann von der Uni Magdeburg schlägt ganz für den Emissionshandel, weil der Effekt für das Klima durch die jährlich sinkende Obergrenze sofort ersichtlich sei. Einen Mindestpreis hält er für falsch. Preisschwankungen seien in einer Marktwirtschaft ein völlig normaler Vorgang, auf den sich Investoren einstellen müssten. Für ihn ist klar: Die deutsche Regierung muss alles daran setzen, den Emissionshandel auszudehnen. In einem ersten Schritt könnte man den Ausstoss im Verkehrsbereich der Obergrenze in der Industrie und Stromerzeugung zuschlagen. Die Summe bildete dann die neue Ausgangslage, die jedes Jahr reduziert würde.

Als Alternative nennt auch Weimann eine CO2-Steuer – aber nur, wenn sie europaweit eingeführt würde. Ob Emissionshandel oder CO2-Steuer: Im Gegenzug müsste man alle Subventionen für erneuerbare Ressourcen und spezifischen Sparziele für Sektoren streichen. Man könnte bei 20 € pro Tonne CO2 starten und über einen Zeitraum von 20 Jahren den Preis um jeweils 5 € pro Jahr erhöhen, sagt der Umweltökonom. Weimann gibt zugleich zu bedenken, dass Energieträger schon heute mit diversen Abgaben belegt würden. Dies führe im Verkehrsbereich zu einer impliziten Steuer von 215 € (Diesel) bzw. 340 € (Benzin) je Tonne CO2. Wenn man da noch 20 € draufschlage, habe dies kaum eine zusätzliche Lenkungswirkung. Man müsste deshalb in seinen Augen von Grund auf neu beginnen und die Steuern auf fossilen Energieträgern einheitlich nach deren CO2-Gehalt staffeln.

E-Auto mit riesigen Vermeidungskosten

Der Verkehrssektor dient der deutschen Politik oft als Prügelknabe, auch weil die Automobilwirtschaft wegen dem Diesel-Skandal in der Defensive ist. Weimann verweist darauf, dass gegenüber 1990 der Autobestand in Deutschland um ein Drittel gestiegen ist, und der Lastwagenbestand sogar um drei Viertel. Trotzdem seien die Emissionen im Verkehrssektor nahezu konstant geblieben. Es sei somit der Automobilindustrie zu verdanken, dass trotz massiv gestiegener Mobilität die CO2-Emissionen nicht zugenommen hätten, argumentiert er.

Die Autofirmen müssen immer strengere CO2-Vorgaben aus Brüssel umsetzen, was sie nur schaffen werden, wenn sie viele Elektroautos verkaufen. Weimann hat nun berechnet, was die Vermeidung einer Tonne CO2 den Konsumenten kostet, wenn er heute statt einen Diesel-Golf TDI einen E-Golf erwirbt. Ein Golf mit Elektromotor kostet dabei rund 10 000 € mehr als ein Golf TDI. Über eine Nutzungsdauer von 13 Jahren mit je 15 000 km spart man nun 4,6 bis 17,6 Tonnen CO2 ein – die höhere Ersparnis ergibt sich, wenn der Strom für die Batterie nur aus Erneuerbaren stammen würde.

Damit kostet aber die Vermeidung einer Tonne CO2 je nach Ökogehalt des Stroms 570 bis 2200 €. Das ist bis das Hundertfache des derzeitigen Preises im Emissionshandel. Weimanns Berechnung illustriert somit, weshalb es so wichtig ist, dass man Klimaschutz wirtschaftlich betreibt: Man kann mit einer bestimmten Summe eine viel grössere Klimaverbesserung erreichen, wenn man den Emissionshandel nutzt, statt auf bürokratische Vorgaben zu setzen. Ein Preis für CO2 schützt vor Torheiten.

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