Warum sich die Aussichten der Konsumentenschützer im Abgasskandal verdüstern

Die Stiftung für Konsumentenschutz ist mit einer von zwei Klagen vor dem Handelsgericht Zürich gescheitert. Blitzen die Konsumentenschützer auch vor Bundesgericht ab, wird die Schadenersatzklage im VW-Abgasskandal aufwendiger und teurer.

Natalie Gratwohl
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Die Konsumentenschützer sind mit ihrer Klage gegen VW vorerst nicht weitergekommen. (Keystone)

Die Konsumentenschützer sind mit ihrer Klage gegen VW vorerst nicht weitergekommen. (Keystone)

Im VW-Abgasskandal haben die Konsumentenschützer in der Schweiz einen Rückschlag erlitten. Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) ist vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich mit einer von zwei Klagen gescheitert. Die SKS wirft Volkswagen und dem Autoimporteur Amag vor, Autokäufer mit den Abgasmanipulationen getäuscht und damit gegen Schweizer Recht verstossen zu haben.

Überteuerte Autos

Das Handelsgericht Zürich ist in seinem Entscheid vom 12. Juli inhaltlich erst gar nicht auf die Klage eingetreten. Die SKS habe kein schützenswertes Interesse, die Widerrechtlichkeit des Vertriebs manipulierter Fahrzeuge feststellen zu lassen, weil sich dafür laut dem Lauterkeitsrecht die vom Kläger behauptete Verletzung weiterhin störend auswirken müsse, heisst es im Beschluss. Dies sei unter anderem deshalb nicht der Fall, weil die betroffenen Dieselfahrzeuge bereits seit Herbst 2015 nicht mehr als Neuwagen verkauft und beworben worden seien. Auch hätten sich bei den Konsumenten die Assoziationen durch den Dieselskandal derart ins Negative gewandelt, dass keine Täuschung mehr vorliege.

Das Gericht ist damit vollumfänglich der Argumentation des Autoimporteurs Amag gefolgt, wonach die SKS kein Interesse an der Beurteilung der Unlauterkeit hat. Alexander Amann, Rechtsanwalt bei Schwärzler Rechtsanwälte, der die SKS vertritt, kritisiert dagegen den Entscheid. Folge man der Argumentation des Gerichts, könnten widerrechtlich handelnde Personen und Firmen die Klage jederzeit ins Leere laufen lassen, indem sie die illegalen Tätigkeiten einfach einstellten. Das Gericht erkläre das lauterkeitsrechtliche Instrument der Verbandsklage damit faktisch zum toten Buchstaben. Die SKS will den Entscheid nun an das Bundesgericht weiterziehen.

Parallel zu dieser Klage hatten die Konsumentenschützer – ebenfalls beim Zürcher Handelsgericht – eine Schadenersatzklage für rund 6000 Schweizer Autobesitzer eingereicht. Die beim Verkauf als umweltfreundlich gepriesenen Autos sind laut SKS von vornherein überteuert gewesen. Zudem hätten die Fahrzeuge wegen der Manipulation der Abgasvorrichtungen auf dem Occasionsmarkt an Wert eingebüsst. Die Konsumentenschützer rechnen damit, dass sich der durchschnittliche Schaden für einen Fahrzeughalter auf 3000 bis 7000 Fr. beläuft. Für die Amag ist dagegen kein finanzieller Schaden ersichtlich. Die Klage der SKS umfasst 160 000 Seiten, weil die Ansprüche der Geschädigten einzeln nachgewiesen werden mussten. Die Autobesitzer haben ihre Ansprüche an die SKS abgetreten, die diese nun gesammelt geltend macht.

Sollte das Bundesgericht den Entscheid des Handelsgerichts Zürich bestätigen, wäre es für die Autokäufer, die sich nicht der Schadenersatzklage der SKS angeschlossen haben, viel schwieriger, gegen die Unternehmen zu klagen. Die Schadenersatzklage der Konsumentenschützer wäre durch einen solchen höchstrichterlichen Entscheid jedoch nicht direkt tangiert, denn das Zürcher Handelsgericht wird in diesem Prozess doch noch entscheiden müssen, ob durch die Manipulation der Dieselmotoren Schweizer Recht verletzt worden ist. Laut Amann ist die Klärung im Schadenersatzverfahren jedoch erheblich aufwendiger und teurer.

Der Bundesrat handelt

Heutzutage lohnt sich der Gang vor Gericht für den Einzelnen oftmals nicht. Dies will der Bundesrat nun jedoch ändern und in der Schweiz die Hürden für Schadenersatzklagen von grossen Gruppen senken. Im März hat er unter anderem vorgeschlagen, die Verbandsklage für die klageweise kollektive Durchsetzung von finanziellen Ansprüchen zuzulassen. Damit könnten Ansprüche aus Massenschäden in einem einzigen Verfahren mit einem Verbandskläger beigelegt werden. Aus Sicht der Konsumentenschützer wäre dies eine valable Lösung. Es würde Schadenersatzklagen in vergleichbaren Fällen wesentlich erleichtern. In der Wirtschaft stossen die Bestrebungen jedoch auf Widerstand. So lehnt etwa der Dachverband Economiesuisse die vorgeschlagenen Instrumente zur kollektiven Rechtsdurchsetzung klar ab, weil sie unerprobt und artfremd seien. Zudem bestehe die Gefahr, dass nach amerikanischem Modell unnötige Verfahren provoziert würden.

Bis im Schadenersatzprozess ein Entscheid gefällt wird, dürfte es noch Jahre dauern. Laut Amann ist es sehr unwahrscheinlich, dass allfällige gesetzliche Änderungen die anhängige Schadenersatzklage gegen VW und Amag noch betreffen könnten.