Auf dem Weg zur globalen Luxus-Monotonie

Alteingesessene Läden schliessen, Shops internationaler Luxus-Labels boomen, Traditionsgeschäfte haben es schwer: Das Gesicht der Zürcher Innenstadt verändert sich.

Philipp Meier
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Der alteingesessenen Ikonengalerie Sophia an der Widdergasse 10 wurde der Mietvertrag auf Ende Mai gekündigt. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Der alteingesessenen Ikonengalerie Sophia an der Widdergasse 10 wurde der Mietvertrag auf Ende Mai gekündigt. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Noch ist Zürichs Innenstadt kaum mit anderen Stadtzentren zu verwechseln. Es fragt sich allerdings, wie lange dies noch so bleiben wird. Bereits gleichen grosse Abschnitte der Bahnhofstrasse anderen prestigeträchtigen Einkaufsmeilen in Weltmetropolen von Paris über Moskau bis Tokio und Singapur. Es reihen sich dort sogenannte Mono-Brand-Stores wie Cartier, Prada, Rolex, Gucci oder Patek Philippe aneinander zur immergleichen, globalen Luxus-Monotonie. Solche Geschäfte sind in der Lage, horrende Mietzinse zu bezahlen, auch wenn sie diese an Ort kaum durch Verkäufe erwirtschaften. Es zählt allein die Marketingstrategie der sogenannten Visibilität, und diese lässt sich gut querfinanzieren.

Bancomaten statt Stickereien

Dadurch werden Geschäfte mit einer langen Tradition und lokalem Bezug verdrängt. Wo etwa das Zürcher Traditionsunternehmen Meister Silber über Jahrzehnte am Paradeplatz sein angestammtes Geschäft hatte, ist heute das Modelabel Hermès einquartiert. Wo das Spitzenhaus über neunzig Jahre lang als einmalige Adresse für Schweizer Strickereien das Bild der Börsenstrasse mitprägte, war nun gar eine sterile Halle mit Bancomaten in Planung – nur, dass das Ladengeschäft denkmalgeschützt ist. Wer jetzt dort den happigen Mietzins, den sich Swiss Life vorstellt, bezahlen wird, ist noch ungewiss.

Dass aber auch Geschäfte von weitaus grösserem Gewicht durch die – angeblich einer neuen Marktsituation – angepassten Mieten in Bedrängnis geraten, weiss man spätestens seit dem Mietzins-Streit zwischen Manor an der Bahnhofstrasse und der dortigen Liegenschaftenbesitzerin Swiss Life (NZZ 26. 9. 2013).

Nun kündigt sich eine ähnliche Entwicklung an der Ecke Widdergasse/Augustinergasse an, wo die UBS Liegenschaften, insbesondere im historischen Gebäudekomplex des Widder-Hotels, besitzt. So ist der alteingesessenen Ikonengalerie Sophia an der Widdergasse 10 der Mietvertrag auf Ende Mai dieses Jahrs gekündigt worden. Erneuert hätte er zwar werden können, dies aber nur jeweils um ein Jahr. Keine sehr gute Geschäftsbasis, wie Galerist Stefan Harlacher meint. Die historischen Räumlichkeiten werden nach dem Auszug der Galerie saniert und anderweitig genutzt werden.

15 Jahre lang war die Ikonengalerie Sophia hier einquartiert. Ein neues Geschäftslokal an zentraler Lage zu finden, erachtet Harlacher aufgrund der allgemein hohen Mietzinsen als eher schwierig. Die Galerie hat aber auch ein Nachfolgeproblem, Harlachers Mutter, die Gründerin der Galerie, ist altershalber aus dem Geschäft ausgeschieden. Harlacher selber lebt als renommierter Gemälderestaurator in Paris. Er gedenkt daher, den Verkauf von Ikonen auf privater Ebene weiterzuführen.

Damit schliesst ein weiteres Traditionsgeschäft in Zürich. Noch aber weist die Innenstadt mit ihren vereinzelten kleinen Läden in verwinkelten Gassen und manchmal fast verschlafen wirkenden Ecken etwa rund um die St.-Peter-Hofstatt ein historisch gewachsenes Gepräge auf.

Noch gibt es die Einzelkämpfer

Zum diesem eigenständigen Charakter tragen auch langjährige Zürcher Geschäfte bei wie etwa die Metzgerei Bär und die Papeterie Zumstein am Rennweg, der Bastelbedarf Leibundgut an der Kuttelgasse, Meister Silber – vom Paradeplatz her zugezogen – an der Augustinergasse oder die Boutique En Soie an der Strehlgasse. Und immer wieder gibt es auch Neueröffnungen, die Hoffnung schöpfen lassen, dass Zürich nicht zur globalisierten Shoppingmall ohne Seele wird: So soll im Herbst an der Bärengasse die Boutique Hieronymus eröffnen. Dahinter steht eine Zuger Manufaktur für hochwertige Papier- und Schreibkultur – dies im Zeitalter der digitalisierten Korrespondenz.