Flixbus ist ein Gigant im Transportgeschäft – besitzt aber nur einen einzigen Reisecar

Innert weniger Jahre hat sich das deutsche Unternehmen Flixbus zum Marktführer hochgearbeitet. Mit unschlagbaren Tiefstpreisen will man immer weiter expandieren. Dies geht laut Kritikern auch auf Kosten der Sicherheit.

Florian Schoop
Drucken
Innert weniger Jahre avancierte Flixbus zum unangefochtenen Marktführer. (Bild: Reuters)

Innert weniger Jahre avancierte Flixbus zum unangefochtenen Marktführer. (Bild: Reuters)

Flixbusse stechen einem sofort ins Auge: Sie sind grün, haben einen markanten Schriftzug und sind mittlerweile fast auf jeder Autobahn unterwegs. Und dies zu unschlagbaren Preisen: Ein Ticket für die Reise von Zürich nach München etwa kostet 16 Euro, eines nach Freiburg im Breisgau gar nur 8 Euro. Jüngst sorgte die Firma aber nicht wegen günstiger Billetts für Schlagzeilen, sondern wegen eines tragischen Unfalls: Auf der Zürcher Sihlhochstrasse prallte am Sonntag ein Reisecar in eine Mauer. Dabei verlor eine 37-jährige Italienerin, die beim Aufprall aus dem Bus in die Sihl geschleudert worden war, ihr Leben. Die beiden Chauffeure wurden schwer verletzt. Noch ist unklar, wie es zu dem Unfall kam.

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf eine Firma, die während nur fünf Jahren vom deutschen Startup zum unangefochtenen Marktführer avancierte. Heute sind die grünen Busse in 28 Ländern und auf über 2000 Strecken unterwegs, so auch in der Schweiz. Nun will das Unternehmen gar in die USA expandieren.

40 Millionen Passagiere in nur einem Jahr

Angefangen hat alles 2013 mit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs in Deutschland. Flixbus bot damals im Süden des Landes vier Linien an, die täglich bedient wurden. Doch schon bald expandierte das Unternehmen – und schluckte nur zwei Jahre später den grösseren Konkurrenten Meinfernbus. Nach und nach verleibte sich der deutsche Konzern auch andere Fernbuslinien ein. 2017 lag der Marktanteil in Deutschland bereits bei über neunzig Prozent. Im selben Jahr transportierte man laut eigenen Angaben weltweit 40 Millionen Passagiere von A nach B.

Doch Flixbus will mehr. Das Unternehmen ist nun auch auf der Schiene präsent, mit einem sogenannten Flixtrain. Dieser verkehrt zwischen Stuttgart und Berlin sowie zwischen Hamburg und Köln, ebenfalls zu Tiefstpreisen. Aber auch im Ausland kaufte sich die Firma in bestehende Transportunternehmen ein oder übernahm diese gänzlich.

Was bei diesem rasant gewachsenen Konzern am meisten überrascht: Das Unternehmen besitzt nur einen einzigen Bus. Und dieser steht bloss in einer Garage herum. Das Fahrzeug wurde nur deshalb angeschafft, weil man damit eine gesetzliche Vorgabe einhalten muss. Die Tausenden von Fahrten führen hingegen sogenannte Subunternehmer durch. Rund 300 externe Busunternehmen arbeiten im Dienste von Flixbus – mit ihren eigenen Fahrzeugen. Der Mutterkonzern betreibt lediglich die Buchungsplattform und kümmert sich um den Kundendienst und den Netzausbau. Laut Flixbus-Geschäftsführer André Schwämmlein erhalten die Subunternehmen drei Viertel des Ticketpreises. Damit müssen sie die Kosten für Fahrt, Fahrer und Fahrzeug decken. Immer wieder wird allerdings bezweifelt, dass mit solch niedrigen Preisen überhaupt ein Gewinn erwirtschaftet werden kann.

Kritik am Branchenkönig

Dem Unternehmen wird unter anderem vorgeworfen, auf dem Buckel der Subunternehmer eine aggressive Preispolitik zu betreiben. Heisst, die Firmen im Dienste des grünen Transportriesen müssten ihre Kosten enorm drücken. Darunter leiden schliesslich das Fahrpersonal und die Wartung der Busse. Der Investigativjournalist Günter Wallraff hatte im Auftrag des deutschen Fernsehsenders RTL vor knapp drei Jahren eine Undercover-Recherche initiiert. Dabei schleuste er einen Chauffeur auf den Strecken von Zürich nach Mailand ein. Seine Bilanz: Auf fast keinen seiner Fahrten habe der Mann ohne Tricksereien die Ruhezeiten einhalten können. Flixbus liess damals lediglich verlauten, man nehme Kritik an den «Sicherheitsstandards in der Branche» sehr ernst.

Dies reicht den Kritikern nicht. Sie monieren immer wieder, dass der knallharte Preiswettbewerb auf dem Rücken des Fahrpersonals ausgeführt werde, wie etwa auch ein Sprecher der deutschen Gewerkschaft Verdi gegenüber dem WDR sagte. Subunternehmer, die Fahrten für wenige Euro quer durch Deutschland verkauften, hätten nur wenige Stellschrauben, an denen Kosten gedrückt werden könnten. Dies geschehe meist zulasten des beschäftigten Fahrpersonals.