Fernsehleute waren da. Solche Leute leben ja meistens in der großen Stadt. Und wenn sie dann zu uns aufs Land kommen, ist das alles hier für die schon ein bisschen exotisch, die Menschen hier, die Macken und Gewohnheiten und so vieles mehr.
Wir haben das ja alles erlebt: Einmal waren es die ewig stinkenden Felder, ein anderes Mal die Massentierhaltung, ein 3. Mal Pfarrers Rolle einst und heute.
Doch jetzt waren sie in Molbergen, die Fernsehleute aus der großen Stadt. Und was fanden sie vor? Na, was wohl: "Typisch original Taiga" und "Pferdezucht wie bei den Kosaken" und "Sumpflandschaften wie in Sibirien" und über allem schwebt ein "norddeutsch-russisches Lebensgefühl". Alles O-Töne, wie Fernsehleute so zu sagen pflegen.
Von verschlafen und verträumt zu prosperierend jung und dynamisch
Puh, da wird einem ja ganz anders vor lauter Schönheit und positiver Berichterstattung. Da winkt der Tschechow aus dem Birkenwald. Nun weiß der Gebührenzahler endlich, wofür die Abgabe gut ist.
Wie bitte? Journalismus heißt doch, sagen was ist. Vielleicht doch etwas Wasser in den öffentlich-rechtlichen Wein. Molbergen ist die Südoldenburger Gemeinde, die sich im letzten Halbjahrhundert am meisten verändert hat. Früher ein verschlafenes verträumtes und manchmal etwas hinterwäldlerisches Nest, heute prosperierend jung und dynamisch. Gebaut wird ohne Ende. Und viele essen am liebsten Teig mit Hackfleischfüllung, sagt der Bürgermeister vor der Fernsehkamera.
"Wir wollen es mal nicht übertreiben mit dem Clash der Kulturen. Zur Identität eines Dorfes gehört ja nicht nur die Gegenwart."
Otto Höffmann, Rechtsanwalt
Der Bürgermeister heißt Vitali und erzählt von Kasachstan. Früher hieß der Bürgermeister August und erzählte von seiner Libett und der Hochzeisreise. Vitali Bastian ist der erste russlanddeutsche (ausgesiedelte/spätausgesiedelte) Bürgermeister des Oldenburger Münsterlandes. "Wir sind mittlerweile in der 4. Generation hier", so sein O-Ton im Fernsehen. Gemach, gemach. 4 Generationen vielleicht, aber nicht in 4. Generation.
Da würden sich Monsignore Scheperjans, Tholen Frieda, Deeken August und Peeks Bernd wohl gemeinsam im Grab umdrehen. Wir wollen es mal nicht übertreiben mit dem Clash der Kulturen. Zur Identität eines Dorfes gehört ja nicht nur die Gegenwart. Nichts gegen Teig mit Hackfleischfüllung. Aber Punkebrot bei Hochartz in Dwergte, Grünkohl in Ermke, Schnitzel bei Paula Vorwerk und Wild im Gut Stedingsmühlen, ein guter Calvados beim U-Bootfahrer Samson und den Schluck zum Abschluss bei Oma Frieda, das alles und noch viel mehr ist und war auch Molbergen.
Und manche politischen und schulischen Ausschläge haben wir schon vor Jahrzehnten hinter uns gelassen, was unsere neuen Freundinnen und Freunde teilweise wohl noch vor sich haben.
Zur Person:
- Otto Höffmann ist Rechtsanwalt in Cloppenburg.
- Den Autor erreichen Sie unter der E-Mail-Adresse redaktion@om-medien.de.