Bärnau
26.08.2021 - 13:38 Uhr
OnetzPlus

Tilo Fuchs besucht die alte Heimat Bärnau

Beste Stimmung herrschte am Samstag in der Gaststätte „Brot & Zeit“. Viele Senioren waren gekommen, um ihren früheren Spielkameraden Tilo Fuchs zu treffen.

Bis der besondere Gast eintrifft, witzeln die Männer und Frauen in der Gaststätte „Brot & Zeit“ über Mercedes, Ferrari und Porsche und meinen damit ihre Rollatoren. Der lange Tisch ist voll besetzt, das Stimmengeschwirr hebt sich mit jedem Neuankömmling. Das Durchschnittsalter der Gäste darf bei dieser Veranstaltung auf gut 75 Jahre geschätzt werden. Nur einer noch lässt auf sich warten: Tilo Fuchs kommt aus Regensburg, ihm gilt dieser Nachmittag.

Ein paar Stunden voller Erinnerungen

Die Apothekerin Inge Fischer hat den ehemaligen Bärnauer eingeladen zu ein paar Stunden voller Erinnerungen an vergangene Zeiten. Als der 89-Jährige etwas verspätet eintrifft, wird er gefeiert wie ein Star. Gut schaut er aus, der Tilo. Zwar braucht auch er einen Rollator. Aber das weiße Haar am Kopf ist voll, der Pony hängt ihm frech ins Gesicht.

Mit wachen Augen hört er aufmerksam zu, sobald der Name eines ehemaligen Freundes fällt. Tilo Fuchs hat niemanden vergessen in Bärnau. „Du bist der Willi? Schaust gut aus, wie der Papst sitzt da“, ruft er den Willibald Wolf zu. Erna Schwägerl, die ehemalige Haushälterin von Tilos Vater, dem Landarzt Dr. Josef Fuchs, erkennt Fuchs nicht auf dem ersten Blick. Sie ist ein wenig traurig deshalb.

Erna Schwägerl sitzt mit vielen älteren Damen am Tisch, die sich auf den Tilo alle sehr gefreut haben. Die Frauen erzählen von damals, wie sie als junge Mädels mit dem Tilo getanzt haben. Marianne Zwerenz freut sich wie eine Schneekönigin, dass Tilo Fuchs sie sofort beim Namen nennt. "Ist das schön, dass du mich noch kennst. Da bin ich echt überrascht", sagt sie. Die Männer erinnern sich mehr an die Autos von damals und die Amis nach dem Krieg.

Bis in die 70er Jahre praktiziert

Alfred Wolf und der Bürgermeister Alfred Stier, die „erst“ 60-Jährigen, suchen sich zwischen den Senioren ihre Plätze. Wolf und Stier haben Tilos Vater, Dr. Josef Fuchs, als Kinder ebenfalls gekannt und geliebt. Der Medizinier hat bis in die 70er Jahre in der Knopfstadt praktiziert. „Er hat mich ins Krankenhaus gefahren wegen Blinddarmentzündung“, erinnert sich Alfred Wolf. Alfred Stier, der neben der Familie Fuchs gewohnt hat, erzählt von der Holzstiege in der Landarztpraxis, auf der die Patienten aufgereiht wie die Hühner auf ihre Behandlung warteten. Ein Wartezimmer habe es nicht gegeben. „Dr. Fuchs war unser Landarzt, Zahnarzt, Internist, Allgemeinarzt und Krankenhaus gleichzeitig. So einen gibt es heute nicht mehr“, schwärmt der Bürgermeister von damals. Seiner Mutter, erinnert sich Stier, habe Dr. Fuchs immer frühmorgens um 6 Uhr eine Spritze auf ihrem Weg zur Arbeit gegeben gegen Ischias.

Der Landarzt kam 1931 aus Regensburg nach Bärnau. „Weil eine Stelle frei war“, nennt sein Sohn den Grund, warum Dr. Josef Fuchs von der Großstadt aufs Land ging. „Mein Vater wollte nicht lang bleiben. Er hatte in Regensburg bereits mit dem Hausbau begonnen.“ Der Krieg hat der Familie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Tilo Fuchs und seine Schwester Emzi, die Schauspielerin, wurden Landkinder. Was den Eltern nicht durchwegs behagt haben soll. Es tauchen Geschichten um die Fuchs-Familie auf, die an diesem Nachmittag nur mit vorgehaltener Hand und mit dem Siegel der Verschwiegenheit geflüstert werden. Da geht es auch im Liebe und Leid.

Was für ein Auto hat der Tilo damals gefahren? Die spekulativen Erinnerungen der Männer am Tisch kreisen um flotte Sportwagen vor der Tür der noblen Landarztfamilie. Eine Bärnauerin war mit in einem dieser Autos, als Tilo mit 11 Jahren am Steuer saß. Sein Vater habe ihm den Fahrersitz eingerichtet, damit der Bub zu den Pedalen kommt, weiß sie. „Mit 16 bin ich mit dem Auto meines Vaters in die Fahrschule nach Tirschenreuth gefahren“, erzählt Tilo Fuchs lachend und fügt an, "ich habe nie gelernt, einzuparken. Das kann ich heute noch nicht." Eine Fahrstunde und eine Theoriestunde hat es gedauert, dann hatte er seinen Führerschein. Unvorstellbar für heutige Verhältnisse.

Im besten Bärnauer Dialekt

Ebenso wie die Lausbubenstreiche, die ungeniert auf den Tisch kommen. „Da sind ein paar dabei, die kann man nicht erzählen“, sagt der Gast und schmunzelt geheimnisvoll. Die "harmlosen" erzählt er. „Einmal haben wir Fichtenzweige für den Weihnachtsschmuck in Kuhfladen getaucht und dem Lenk ins Bett gelegt“, erfahren nichteingeweihte Anwesende in bestem Bärnauer Dialekt: Tilo Fuchs ist seiner Kindheitssprache treu geblieben.

Jetzt werden alte Fotos herumgereicht aus der Schule und der Jugend. Am Stuhl hinter dem Regensburger Gast rührt sich ein ehemaliger Schulkamera: Ferdinand Meyer aus Tirschenreuth, geboren in Poppenreuth und 14 Jahre Chef der AOK, hat mit Tilo in Regensburg Abitur gemacht. „Gleich am ersten Tag im Gymnasium wurde Regensburg bombardiert und wir mussten in die Luftschutzkeller. Das war für uns Landkinder eine ziemliche Aufregung“, erzählt Meyer. Kriegsgeschichten gehören dazu.

Tilo und Enzi kamen in Regensburg zur Welt. „Das wollte der Vater. Er hat die Mutter hingebracht“, erzählt der Gast. Die Arztkinder vom Land haben große Karrieren gemacht. Das macht Bärnau stolz: Wenn auch in den Vitas der beiden als Geburtsort Regensburg eingetragen ist, werden Tilo Fuchs und seine nicht anwesende Schwester Ernie an diesem Nachmittag einmal mehr als die berühmten Bärnauer Kinder gefeiert.

Bärnau13.12.2019
Hintergrund:

Zur Person

  • Tilo Fuchs, 1932 geboren, in Bärnau aufgewachsen, war zuletzt Generalmusikdirektor in Regensburg.
  • Seine vier Jahre jüngere Schwester Enzi ist Schauspielerin, aktuell bekannt als „Eberhofer-Oma“.
  • Die Kinder des beliebten Landarztes Dr. Josef Fuchs sind mit den heute über 80-jährigen Bärnauer Bürgern durch die Gassen gezogen, waren beste Freunde und haben gemeinsam so manche „Schandtat“ begangen.

"Es gibt Geschichten, die kann man heute niemanden mehr erzählen."

Tilo Fuchs

Tilo Fuchs

 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Um diesen Artikel zu lesen benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.