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Wälzt Stadt ihre Aufgaben ab? Offenbacher Ämter verweisen Bedürftige an Wohlfahrtsverbände

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Keine Sprechzeiten: Die städtischen Ämter, beklagen die Wohlfahrtsverbände, haben für Antragsteller geschlossen und verweisen auf Diakonie oder Caritas.
Keine Sprechzeiten: Die städtischen Ämter, beklagen die Wohlfahrtsverbände, haben für Antragsteller geschlossen und verweisen auf Diakonie oder Caritas. © Imago/Ralph Peters

Verbände kritisieren Ämter in Offenbach. Bedürftige würden demnach direkt an Gesellschaften wie die Diakonie oder die Caritas weitergeleitet.

Offenbach – Geschlossen, telefonisch nicht erreichbar, generell kein Kontakt mit Bürgern: Im Umgang mit Ämtern des Rathauses oder der Mainarbeit haben gerade die Schwächsten schlechte Karten. Seit Corona wurden städtische Anlaufstellen für Bürger in Notlagen geschlossen – Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Diakonie, Internationaler Bund oder Paritätischer berichten übereinstimmend, dass Ämter die Bürger an sie verwiesen.

Speziell Caritas und Diakonie haben seitdem alle Hände voll zu tun, von Arbeitslosigkeit betroffenen oder vor der Wohnungskündigung stehenden Menschen beim Ausfüllen von Formularen zu helfen oder ihnen die Beratung zukommen zu lassen, für die eigentlich die Ämter zuständig sind.

„Das war ein schleichender Prozess während der Pandemie, nun haben die Ämter ihre Türen einfach zu gelassen, oder die Mitarbeiter sind nur im Homeoffice“, sagt Barbara Schwab von der evangelischen Lebensberatung. „Es ist natürlich bequem, die Kundschaft vor der Tür zu lassen und zu hoffen, dass andere sich um sie kümmern.“

Offenbach: Ämter muss laut Gesetz jeden Antrag annehmen

Manche bekämen, wenn sie doch mal einen Mitarbeiter telefonisch erreichten, gesagt, sie sollten sich an Caritas oder Diakonie wenden, sagt Caritas-Leiterin Anette Bacher. „So bekommt man von den Ämtern das Gefühl vermittelt, dass die ihr Klientel nur stört“, sagt Schwab.

Dabei, das betont Sven Malsy von der Parität, ist Beratung bei den Ämtern vorgeschrieben, es gibt einen rechtlichen Anspruch darauf. „Der besagt sogar, dass jedes Amt verpflichtet ist, jeden Antrag anzunehmen und entsprechend weiterzuleiten – was in der Praxis leider nicht passiert.“

Komplizierte Antragsverfahren

Gerade Menschen in Notsituationen könnten wegen fehlender Erreichbarkeit und komplizierter Antragsverfahren durch das soziale Netz fallen, sagen Vertreter der Verbände. Zwar gebe es, das betont Anja Frank-Ruschitzka von der Beratung des evangelischen Regionalverbands, sehr engagierte städtische Mitarbeiter, doch es könne „doch nicht davon abhängig sein, welches Engagement die einzelnen Personen an den Tag legen“. Speziell die Leistungssachbearbeiter der Mainarbeit seien schwer erreichbar, lediglich eine Stunde am Tag per Telefon – da sei kein Durchkommen, heißt es übereinstimmend.

Ämter und besonders die Mainarbeit würden digitale Anträge forcieren, doch das gehe oft an der Lebenswirklichkeit vorbei. „Genau die, die dringend Geld oder Hilfe brauchen, haben oft nicht die technischen Mittel, es zu beantragen, wenn es nur digital geht“, sagt Heidi Bauch vom Internationalen Bund. Schon die digitale Terminvergabe überfordere manche.

Lieber per Hand: Wohlfahrtsverbände helfen beim Ausfüllen

„Für uns mag es selbstverständlich sein, mit E-Mails zu arbeiten, aber das ist nicht bei allen so“, weiß Judith Dethlefsen-Wehr von der Caritas. Gerade wenn es um Hilfsbedürftige gehe, müsse deren Lebenswirklichkeit berücksichtigt werden, betonen die Verbandsvertreter.

Es sei oft einfacher, wenn die Anträge auf Wohn- oder Bürgergeld per Hand mit den Bearbeitern erklärt und ausgefüllt würden. „Sonst kommen sie nach Wochen zurück, und es heißt, dass 33 oder 34 Punkte erneut ausgefüllt werden müssen“, sagt Dethlefsen-Wehr.

Bedürftigen fehlt es an technischer Ausstattung

Katrin Mönnighoff-Umstätter von der Diakonie pflichtet ihr bei: Berücksichtigt werden müsse, dass Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen seien, oft gar nicht die technischen Voraussetzungen haben, um die Kontoauszüge des letzten Jahres lückenlos einzuscannen und zu versenden.

„Behörden digitalisieren sich, nehmen die Menschen aber nicht mit“, sagt Michael Franke vom evangelischen Zentrum für Beratung. Dadurch suchten mehr Menschen Hilfe bei den Verbänden, deren Fallzahlen daher deutlich stiegen.

Mainarbeit ändert Verfahren nach Kritik

Damit konfrontiert, verspricht Wilhelm Besserung: Mit der Mainarbeit sei schon verabredet, dass ab dem 1. April alle Neuantragsteller wieder einen persönlichen Ortstermin bekämen statt digitaler Kommunikation. „Ich verstehe, dass die Verbände gern schneller Veränderungen hätten, aber das braucht etwas Vorlauf“, sagt er. Beim Sozialamt werde derzeit evaluiert, ob es wieder Sprechzeiten einführe.

Dass sich dies speziell im Rathaus schwieriger gestalte, liegt laut übereinstimmender Berichte der Verbände am Personalrat, der Arbeitszeit vor Ort eher ablehne. Wilhelm möchte dies nicht kommentieren, betont aber: „Ich erwarte, dass wir am Ende Verbesserungen haben. Wir müssen Lösungen anbieten für Menschen, die nicht digital unterwegs sind.“ (Von Frank Sommer)

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