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Offenbachs Gesundheits- und Ordnungsamtsleiter sprechen Klartext zur Corona-Lage

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Gesundheitsamtsleiter Bernhard Bornhofen (links) und Ordnungsamtsleiter Peter Weigand.
Wachen über die Stadt in Zeiten der Pandemie: Gesundheitsamtsleiter Bernhard Bornhofen (links) und Ordnungsamtsleiter Peter Weigand. © Reinartz

In Offenbach sind das Gesundheits- und Ordnungsamt in der Corona-Krise stark belastet. Die Amtsleiter Dr. Bernhard Bornhofen und Peter Weigand sprechen darüber.

Offenbach – Überstunden, Arbeiten bis zur Belastungsgrenze, Ärger mit der Bevölkerung: Kein Amt ist in der Corona-Krise stärker belastet als Gesundheits- und Ordnungsamt. Und den Kopf hinhalten müssen die beiden Amtsleiter Dr. Bernhard Bornhofen und Peter Weigand.

Die Redaktion hat mit den beiden über Schlafdefizit, Widersprüche bei der Pandemiebekämpfung und bürokratische Zwänge gesprochen. Und darüber, warum Offenbach trotz zeitweise hoher Inzidenzwerte am Ende gut dastehen wird.

Kann man nachts noch gut schlafen, wenn man seit einem Jahr an der Corona-Front steht?

Weigand: Ich schlafe genauso wie vorher. Wobei ich schon sagen muss, dass die Arbeitsbelastung viel höher ist und ich dann abends häufig erledigter bin als früher.
Bornhofen: Ich schlafe definitiv weniger und auch schlechter als vor der Pandemie. Es geht einem unheimlich viel im Kopf herum und man kann im Grunde nie ganz abschalten. Das macht sich auch im Familienleben bemerkbar. Da habe ich nicht mehr soviel Zeit, um bei den Alltagsdingen zu Hause zu unterstützen.

Sie beide arbeiten bei der Pandemiebekämpfung Hand in Hand. Funktioniert das gut?

Weigand: Das greift gut ineinander. Unsere vorrangige Aufgabe ist es zur Zeit, die Einhaltung von Quarantänemaßnahmen zu überwachen, in dem wir an der Haustür kontrollieren. Natürlich können wir aber nicht alle Quarantäneanordnungen überprüfen.

Nach welchen Kriterien suchen Sie sich die Haushalte aus?

Bornhofen: Meine Mitarbeiter im Gesundheitsamt sind gut geschult und erkennen schnell irgendwelche Ungereimtheiten. Oft sind es Hintergrundgeräusche beim Telefonieren, an denen man merkt, dass die Leute in der Stadt sind, statt in der Wohnung. Und dann gibt es natürlich nach einem Jahr Pandemie auch Erfahrungswerte, anhand derer wir entscheiden, beim wem wir das Ordnungsamt um Hilfe bitten.

Warum ist Kontrolle denn so wichtig? Halten sich die Leute nicht im eigenen Interesse an die Quarantäne?

Bornhofen: Da hat offenbar eine Verschiebung stattgefunden. Während wir am Anfang noch eine große Mitarbeit bei der Kontaktverfolgung verzeichnen konnten, registrieren wir jetzt, das einige nicht mehr so offen und ehrlich sind. Manche verheimlichen uns Kontakte, wenn sie positiv getestet worden sind. Da wird wohl bewusst gemauert, weil die Menschen ja wissen, dass dann auch ihre Freunde in Quarantäne müssten. Also verschweigen sie lieber den Kontakt. Viele sicher auch deshalb, weil sie denken, dass sie das Risiko selbst gut beurteilen können.

Außer zur Einhaltung der Quarantäne darf das Ordnungsamt ja gar nicht in Innenräumen kontrollieren. Ist das kein Widerspruch zu der Erkenntnis des Gesundheitsamts, dass die meisten Ansteckungen bei privaten Treffen in Innenräumen stattfinden?

Weigand: Wir haben keine andere Wahl. Die Regelungen sind brandneu und es gibt noch nicht mal Hinweise seitens des Landes, wie diese auszulegen sind. Theoretisch ist Kontrolle in Privatwohnungen durch die Bundesnotbremse möglich, aber in der Praxis steht das alles noch auf sehr unsicheren Beinen.

Private Feiern sind also verboten, aber wer es trotzdem macht, muss keine Angst haben, erwischt zu werden?

Weigand: So ist es nicht. Wenn wir konkrete Hinweise, etwa von Nachbarn haben, dann lösen wir sowas auch auf und sprechen Platzverweise für wohnungsfremde Personen aus. Allerdings ist der Grund dann eher Ruhestörung als die Nichteinhaltung von Coronaregeln. Mann muss auch bedenken, dass selbst im Strafrecht die Nachtruhe geschützt ist und Durchsuchungen da nicht so ohne weiteres stattfinden dürfen. Aber bei den Coronaregeln bewegen wir uns im Bereich der Ordnungswidrigkeiten, da sind die Hürden nochmals höher.

Aber wenn Sie wissen, dass Ansteckungen hauptsächlich in Innenräumen stattfinden, sind Kontrollen im öffentlichen Raum doch überflüssig.

Bornhofen: Keinesfalls. Diese Meinung ist aufgekommen, als die Aerosolforscher ihre Erkenntnisse vor einiger Zeit veröffentlicht haben. Auch wenn diese Studien gut sind, unserer Erkenntnis nach sind sie kein Freibrief für Treffen unter freiem Himmel. Wir haben immer wieder Fälle gehabt, bei denen sich Menschen an der frischen Luft angesteckt haben. Zum Beispiel beim Gespräch am Wasserhäuschen.

Wie groß ist diese Gefahr?

Bornhofen: Ich bediene mich da gerne am Beispiel der Raucher. Jeder kennt den Geruch, der einem in die Nase steigt, wenn jemand an einem vorbeigeht, der gerade einen Zigarette geraucht hat. Wenn man das riecht, hat man eine ungefähre Idee davon, wie weitreichend sich solche Aerosole verbreiten können. Sicher kommt es beim Coronavirus auch noch auf die Konzentration an, aber es ist eben nicht so, dass man automatisch sicher ist, nur weil man im Freien ist.

Dennoch werden immer wieder Ansammlungen im Freien aufgelöst. Manch einer behauptet, dass es dabei vor allem um junge Migranten geht. Stimmt das?

Weigand: Sicher haben wir in Offenbach eine sehr junge Bevölkerung mit entsprechend vielen Jugendlichen und auch einen hohen Migrantenanteil. Aber bei unseren Kontrollen lässt sich dabei keine Häufung feststellen. Ich sage immer: Die größte Freiluftparty ist der Offenbacher Wochenmarkt. Und da sind in der Regel nur sehr wenige junge Migranten.

Gab es am Wochenmarkt denn schon Infektionen?

Bornhofen: Nein, da ist uns nichts bekannt. Man muss aber auch sagen, dass die Menschen, die den Wochenmarkt besuchen, danach auch noch zum Rewe gehen, durch die Stadt laufen oder jemanden treffen. Das lässt sich also schwer eingrenzen.

Der eine hat also die Erkenntnis, dass man hauptsächlich Innenräume kontrollieren müsste, der andere darf das aber nicht. Kann man mit so einem System überhaupt eine Pandemie effektiv bekämpfen?

Bornhofen: Wir tun eben, was wir im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben können. Man darf nicht vergessen, dass Kontrollen im öffentlichen Raum auch einen psychologischen Effekt haben. Dort, wo Regeln bestehen, müssen diese auch kontrolliert werden. Und das wird von vielen Menschen eingefordert. Jetzt gerade sehen wir, dass die Inzidenzen runtergehen. Das heißt, dass die bestehenden Regeln durchaus greifen. Meinem Gefühl nach, führt die Kontrolle der Maßnahmen in der Öffentlichkeit dazu, dass die Menschen anfangen, die Gefahr ernster zu nehmen und beginnen, sich im privaten Umfeld vorsichtiger zu verhalten. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Also haben die Kontrollen nur einen präventiven Effekt und sonst nichts?

Weigand: Das stimmt nicht ganz. Meine Leute haben schon ein Händchen dafür, in welchen Situationen die Gefahr am größten ist. Und da greifen sie dann auch ein. Ich muss aber zugeben, dass wir zurzeit überhaupt nicht wissen, wo wir anfangen und wo wir aufhören sollen. Es geht ja nicht mehr länger nur um die Einhaltung der Abstandsregeln und der Maskenpflicht. Da kommt ständig etwas Neues hinzu, wie die jetzt geltenden Privilegien für Geimpfte und die damit notwendige Kontrolle der Impfausweise. Da weiß noch keiner so genau, wie das funktionieren soll. Noch schwieriger ist die Feststellung, wer genesen ist und wer nicht. Aktuell kommen auf drei Minuten Einsatzzeit zehn Minuten Nachbearbeitung. Wir haben da aktuell ein echtes Vollzugsproblem.

Bedeutet das Kapitulation vor der Situation?

Weigand: Wir kapitulieren nicht, aber wir müssen Prioritäten setzen, weil wir das sonst alles nicht leisten können. Und die liegen zurzeit eben unter anderem auf der Kontrolle zur Einhaltung der Quarantänemaßnahmen. Allerdings ist das ganze permanent in Bewegung und in zwei Monaten wird vieles, was jetzt noch nicht eindeutig geregelt ist, klarer sein.
Bornhofen: Die Erkenntnis ist auch die: In dem freiheitlichen System, in dem wir leben, kann man eine Pandemie offenbar nicht allein mit üblichen Isolierungsmaßnahmen in den Griff bekommen. In China ist das zwar gelungen, aber da hat man zum Teil die Türen der Kranken zugenagelt und Kadergruppen sind von Haustür zu Haustür patrouilliert. Wir sind uns ja alle einig, dass wir das hier nicht wollen. Deshalb brauchen wir die Impfung und das möglichst breit. Anders geht es nicht.

Aber viele wollen sich gar nicht impfen lassen.

Bornhofen: Ein gutes Beispiel ist Israel. Da läuft das Leben wieder ziemlich normal, obwohl es auch dort Gruppen gibt, die sich nicht impfen lassen wollen. Ich bin da zuversichtlich, dass diejenigen, die dazu bereit sind, genug sind, um die Pandemie wieder auf ein Niveau zu drücken, dass ein weitgehend normales Leben ermöglicht.

Wie ist die Impfsituation in Offenbach?

Weigand: Aktuell haben wir in Offenbach bereits über 44.300 Dosen verimpft. Das ist schon eine ganze Menge.
Bornhofen: Und darüber hinaus sind wir in einer sehr guten Situation, denn wir haben konsequent den Impfstoff für die Zweitimpfungen zurückgehalten. Woanders war man aggressiver und hat sicherlich auch aus politischen Gründen möglichst viele Erstimpfungen verabreicht. Doch jetzt hat man dort Probleme, Termine einzuhalten, weil Impfstoff fehlt. Da haben wir nun einen Vorteil hier in Offenbach, weil wir bald einen hohen Anteil an Durchgeimpften haben werden. (Christian Reinartz)

Eine Streife der Stadtpolizei kontrolliert zusammen mit der Bundespolizei zwei junge Männer.
Eine Streife der Stadtpolizei kontrolliert zusammen mit der Bundespolizei zwei junge Männer. © dpa

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