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Clostridioides difficile

Antiarrhythmikum entschärft Darmerreger

Der seit Jahren bekannte Wirkstoff Amiodaron hilft offenbar nicht nur bei Herzrhythmus-Störungen. Untersuchungen zeigen, dass es auch die Wirkung von Toxinen des Darmbakteriums Clostridioides difficile (früher Clostridium difficile) hemmen kann.
Sven Siebenand
26.10.2023  09:00 Uhr

Infektionen mit den grampositiven sporenbildenden Bakterien C. difficile werden häufig im Krankenhaus erworben, kommen aber auch ambulant vor. Die Symptome reichen von einem leichten Durchfall über Darmentzündung (Colitis) bis hin zur pseudomembranösen Colitis mit toxischem Megakolon und Darmperforation. Das Robert-Koch-Institut informiert, dass C. difficile etwa 15 bis 20 Prozent der Antibiotika-assoziierten Durchfallerkrankungen und mehr als 95 Prozent der Fälle von pseudomembranöser Kolitis verursacht.

Vermehrt sich der Keim ungehindert im Darm, scheidet er große Mengen seiner Proteintoxine TcdA und TcdB aus. Diese Toxine dringen in die schützenden Epithelzellen auf der Darmoberfläche ein und schädigen sie.

Wie die Universität Ulm mitteilt, war es Ziel eines Forschungsprojekts, die Zellvergiftung durch C. difficile pharmakologisch zu verhindern. Der Angriffspunkt, um die Toxine gezielt zu hemmen, ist deren Abhängigkeit von Cholesterol in der Zellmembran der Wirtszellen. Durch weniger Cholesterol in der Membran gelangen TcdA und TcdB weniger effizient in die Zellen und folglich bleibt deren Vergiftung aus.

Im Fachjournal »Gut Microbes« publizierte ein Team um Erstautorin Judith Schumacher vom Universitätsklinikum Ulm nun positive Ergebnisse zum bekannten Wirkstoff Amiodaron. Warum gerade dieser Wirkstoff? Laut dem Artikel hätten zwei Studien zeigen können, dass Amiodaron in der Lage ist, die enzymatische Aktivität der 24-Dehydrocholesterol-Reduktase in Membranen direkt zu hemmen, was zur Anhäufung des Cholesterol-Vorläufermoleküls Desmosterol in kultivierten menschlichen Zellen führte.

Mittels Licht- und Fluoreszenzmikroskopie machten die Forschenden um Schumacher sowohl die Wirkung der C.-difficile-Toxine auf kultivierte Säugetier- und Humanzellen und Darmorganoide, also dreidimensionale Modelle des menschlichen Darms, als auch den Hemmeffekt durch Amiodaron sichtbar. Laut Schumacher konnte die Grundannahme bestätigt werden, dass Amiodaron aufgrund einer Cholesterol-senkenden Wirkung in der Zellmembran als Hemmstoff für TcdA und TcdB aus C. difficile infrage kommt.

Der Publikation zufolge stellte man zudem fest, dass Amiodaron die Toxine noch über einen weiteren Mechanismus hemmt. »Um ihren toxischen Anteil in das Zellinnere zu transportieren, bilden die Toxine eine Membranpore«, so Seniorautor Professor Dr. Panagiotis Papatheodorou, ebenfalls Ulm. »Unseren Daten nach hemmt Amiodaron diesen Vorgang, indem es direkt mit dieser Membranpore wechselwirkt, selbst bei TcdA- und TcdB-Varianten aus einem besonders virulenten und epidemisch auftretenden C.-difficile-Stamm.« Amiodaron könnte dem Pharmakologen zufolge eines Tages eine Begleittherapie von C.-difficile-assoziierten Erkrankungen darstellen. Dies müsse aber zunächst noch in klinischen Studien untersucht werden.

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