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Parkinson-Patienten

Gut beraten in der Apotheke

28.01.2013  10:07 Uhr

Von Marion Schaefer und Sabrina Schröder / Morbus Parkinson ist mehr als eine »Schüttellähmung«. Doch die nicht-motorischen Symptome werden häufig nicht erkannt und behandelt. Parkinson-Medikamente können diese Beschwerden sogar verschlechtern. Zudem ist die Medikation häufig schwierig anzuwenden. Viele Beratungsaufgaben also für die Apotheke.

Gebeugte Haltung, eine ausdruckslose Miene, fettige Gesichtshaut und Haare, schlurfender Gang und leise, fast lallende Sprache: Obwohl Morbus Parkinson zu den häufigsten degenerativen Erkrankungen des zentralen Nervensystems zählt, kennen nur wenige Menschen die äußeren Zeichen des chronischen Leidens. Viele reagieren mit Abneigung und Skepsis. Nicht selten werden Patienten in die soziale Isola­tion gedrängt. Auch die Patienten selbst sind nicht immer ausreichend über die vielfältigen, individuell variierenden Symptome und deren Behandlungsmöglichkeiten informiert. Die Bezeichnung »Schüttellähmung« ist einprägsam, vereinfacht aber zu stark.

Vor allem drei Faktoren machen Parkin­son-Patienten zu einer besonderen Zielgruppe für die pharmazeutische Betreuung: das meist hohe Alter der Patienten, das komplexe Krankheitsbild und die Vielzahl an Medikamenten (Polymedikation). Dies birgt ein hohes Risiko für arzneimittelbezogene Probleme (1, 2, 3). Zudem muss die medikamentöse Therapie immer wieder an den Krankheitsverlauf angepasst werden. Dies wird mitunter versäumt oder gelingt nicht ausreichend.

 

Vor allem ältere Menschen betroffen

 

Die nach dem englischen Arzt James Parkinson benannte Krankheit zählt neben Morbus Alzheimer zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Die meisten erkranken nach dem 60. Lebensjahr, es gibt aber auch Neuerkrankungen bei Menschen unter 40 Jahren (4).

Derzeit liegt die Prävalenz des neurodegenerativen Leidens bei 1 Prozent aller über 60-Jährigen und bei 3 Prozent in der Alters­gruppe über 80 (5). Aufgrund der demografischen Entwicklung ist mit einer­ steigenden Zahl von Neuerkrankungen zu rechnen (6).

 

Die langsam fortschreitende Erkrankung beruht auf einem progredienten Untergang von Dopamin-produzierenden Neuronen, beginnend in einem kleinen, eng begrenzten Gebiet im Gehirn, der sogenannten schwarzen Sub­stanz (Substantia nigra). Die Ursachen des Zelluntergangs sind weitgehend unbekannt. Der zunehmende Dopaminmangel und das daraus resultie­rende Ungleichgewicht dopaminerger, glutamaterger und cholinerger Akivitäten im Bereich der Basalganglien bedingen die charakteristische Fehlsteuerung der Körperbewegungen. Diese ist gekennzeichnet durch die klassischen Symptome der »Schüttellähmung«:

 

Zittern (Tremor),

Muskelsteifheit (Rigor),

Bewegungsarmut (Akinese) oder -verlangsamung (Bradykinese) sowie

Versagen der Haltereflexe (posturale Instabilität).

 

Verminderte Mimik und Sprechstörungen sind typische Folgen von Rigor und Akinese der entsprechenden Muskelpartien im Gesicht und Sprachorgan.

 

Das wohl bekannteste Krankheitsmerkmal ist der sogenannte Ruhetremor. Er bessert sich in Bewegung, kann sich in Stresssituationen aber um ein Vielfaches verschlimmern. Häufig halten Laien nur »zitternde« Patienten für parkinsonkrank. Tatsächlich entwickeln jedoch rund 25 Prozent der Betroffenen niemals einen Tremor (4).

 

Häufig übersehen: nicht-motorische Symptome

 

Für die Betroffenen bedeutet Morbus Parkinson weitaus mehr als eine Bewegungsstörung. Doch selbst in Fachkreisen werden die nicht-motorischen Beschwerden nach wie vor unterschätzt oder übersehen (7). Dabei prägen vegetative, sensorische, kognitive und psychische Symptome das Krankheitsbild mindestens ebenso stark wie die charakteristischen Zeichen gestörter Bewegung (Tabelle 1).

Tabelle 1: Multi-Symptomkomplex bei Morbus Parkinson

Ebene der Symptome Symptome (Beispiele)
motorisch Bradykinese/Akinese, Rigidität, Tremor, posturale Instabilität
vegetativ, sensorisch Seborrhö (vermehrte Talgproduktion), Atemstörungen, Blasenfunktionsstörungen, Thermoregulationsstörungen, kalte Akren (Hände und Füße), Riechstörungen Teilweise auch Symptom der Akinese: Schlafstörungen, Hypersalivation (vermehrter Speichelfluss), Schluckbeschwerden Können durch Parkinson-Medikation verursacht oder verstärkt werden: orthostatische Hypotonie, Magenentleerungs­störungen, Obstipation, Tagesmüdigkeit, Schlafstörungen, sexuelle­ Dysfunktion, visuelle Störungen, Schmerzen
kognitiv, psychisch Bradyphrenie (Verlangsamung des Denkens), Demenz Können durch Parkinson-Medikation verursacht oder verstärkt werden: psychotische Symptome, Apathie, Depression, Angst, Panik, Schlafstörungen

Prinzipiell treten nicht-motorische Symptome in jedem Stadium der Parkinson-Krankheit auf. Kognitive Defizite bis hin zur Demenz erscheinen meist erst spät im Verlauf der Erkrankung. Dagegen können Riech- und Schlaf­störungen, Depressionen, Obstipation und Blasenfunktionsstörungen den motorischen Beschwerden um viele Jahre vorausgehen (8).

 

Mitunter berichten Patienten in der Apotheke, aber nicht beim Arzt über ihre nicht-motorischen Beschwerden. Fragt der Apotheker gezielt danach, kann er dem Patienten helfen, Symptome zu erkennen, die dieser selbst nicht in Zusammenhang mit seiner Parkinson-Erkrankung gebracht hat. Zur Unter­stützung des Patientengesprächs eignet sich zum Beispiel der Patientenfrage­bogen zu nicht-motorischen Symptomen bei der Parkinson-Krankheit (13).

 

Für die symptomatische Langzeittherapie des Morbus Parkinson stehen sechs Stoffklassen zur Verfügung (Tabelle 2). Dopaminerg wirksame Sub­stanzen, die auf unterschiedlichem Weg das pathologische Dopamindefizit in der Substantia nigra ausgleichen, bilden die wichtigste Säule der modernen Therapie.

Tabelle 2: Dopaminerge und nicht-dopaminerge Wirkstoffe in der modernen Parkinsontherapie

Stoffgruppe Wirkstoffe (Beispiele) Wirkmechanismus
Dopaminerge Arzneistoffe
Levodopa nur in Kombination mit Decarboxylase-Hemmern Levodopa Benserazid, Carbidopa Levodopa wird im Gehirn in Dopamin umgewandelt. Decarboxylase-­Hemmer verhindern die Metabolisierung von Levodopa zu Dopamin in der Peripherie.
Dopaminagonisten Apomorphin (Pen, Pumpe) Non-Ergot-Agonisten: Pramipexol, Ropinirol, Piribedil, Rotigotin (TTS) ersetzen die Wirkung von Dopamin am neuronalen Rezeptor
MAO-B-Hemmer Selegilin, Rasagilin hemmen den Abbau von Dopamin
COMT-Hemmer Entacapon, Tolcapon hemmen den Abbau von Levodopa
Nicht-dopaminerge Arzneistoffe
NMDA-Antagonisten Amantadin, Budipin hemmen (unter anderem) die glutamatergen Überfunktionen
Anticholinergika Biperiden, Bornaprin, Metixen, Trihexyphenidyl hemmen die cholinergen Überfunktionen; außer zur Behandlung des Ruhetremors eher obsolet

MAO-B: Monoaminoxidase-B, COMT: Catecholamin-O-Methyl-Transferase, NMDA: N-Methyl-D-Aspartat

Dazu zählen neben Levodopa auch Dopaminagonisten und Hemmstoffe der Monoaminoxidase B (MAO-B-Hemmer) und der Catecholamin-O-Methyl-Transferase (COMT-Hemmer). Andere Wirkansätze haben NMDA- Antagonisten und die heute eher obso­leten Anticholinergika.

 

Nebenwirkungen erkennen

 

Bis auf wenige Ausnahmen – wie Pramipexol bei Depressionen – lassen sich die nicht-motorischen Symptome nicht durch die Parkinson-Medikation behandeln. Im Gegenteil: Viele Symptome werden durch die dopaminergen und anticholinergen Effekte der Medikation verschlechtert oder sogar hervorgerufen.

 

Aufmerksame und gut geschulte Apotheker können Symptome erkennen, die auf die Parkinson-Medikation zurückgehen und unter Umständen durch Dosisanpassung oder Therapieänderung – vom Arzt veranlasst – gemildert werden können.

 

Grundsätzlich alle Parkinson-Medikamente können in jedem Krankheitsstadium psychotische Symptome verursachen. Diese können als lebhafte Träume beginnen und – gefolgt von meist optischen Halluzinationen – in schweren Verwirrtheitszuständen enden. Das Apothekenteam sollte den Patienten bei Verdacht auf psychotische Reaktionen unverzüglich zum Arzt schicken und während der Therapieumstellung pharmazeutisch begleiten.

 

Wichtig ist auch, nach Medikamenten mit anticholinergen Nebenwirkungen zu fahnden. Dazu zählen beispielsweise Anticholinergika, Amantadin oder trizyklische Antidepressiva mit anticholinerger Wirkkomponente. Bei älteren, bereits kognitiv beeinträchtigten oder dementen Patienten können diese Medikamente zu Verwirrung führen und Psychosen auslösen. In diesem Fall sollten sie mit Einverständnis des behandelnden Arztes auch präventiv ausschleichend (!) abgesetzt werden.

Bei manchen Patienten bleibt die psychotische Symptomatik trotz schrittweiser Umstellung der Therapie beginnend mit dem Absetzen von Anticholinergika bis zur Reduktion von Levo­dopa auf die niedrigstmögliche Dosierung weiter bestehen. Dann sind Clozapin und Quetiapin (off label) laut aktueller Leitlinie Mittel der ersten Wahl (9). Auch hier ist bei dementen Menschen aufgrund der anticholinergen Nebenwirkungen Vorsicht geboten. Klassische Neuroleptika sind aufgrund­ extrapyramidal-motorischer Neben­wirkungen (Beeinträchtigung der Motorik und Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik) bei Parkinson-Patienten kontraindiziert.

 

Unter einer dopaminergen Therapie können sich eine Parkinson-bedingte orthostatische Hypotonie sowie Störungen der Magenentleerung und des Schlaf-Wach-Rhythmus verschlechtern. Nicht selten stören Anticholinergika die Sexualfunktion männlicher Patienten, verschlechtern Sehprobleme oder fördern eine Obstipation.

 

Lernen am Fallbeispiel

 

Herr M., 72 Jahre, erhielt vor einem Jahr die Diagnose Morbus Parkinson. Sein Neurologe hat ihn mit viermal täglich Levodopa und einmal täglich Rasagilin zufriedenstellend eingestellt. Zusätzlich erhält er seit Kurzem gegen den lästigen Ruhetremor dreimal täglich Metixen und dreimal täglich Propranolol. Mit dem »Herzmedikament« wolle der Arzt die Verschlechterung des Zitterns in stressigen Situationen in den Griff bekommen, erklärt M. dem Apotheker. Vor wenigen Wochen reichte M. ein Rezept von seinem Hausarzt über Sildenafil ein. Jetzt klagt er, dass ihm neuerdings immer wieder »schwarz vor Augen« werde, er mal »Sternchen«, mal verschwommen sehe, häufiger unter Schwindel leide und sich schlapp und müde fühle. Der Apotheker misst den Blutdruck: 90 zu 50 mmHg.

 

Herr M. stellt einen typischen Parkinson-Patienten im frühen Krankheitsstadium dar, dessen motorische Beschwerden gut therapiert sind. Die nicht-motorischen Symptome wie orthostatische Hypotonie und erektile Dysfunktion werden jedoch nicht oder suboptimal behandelt. Die Parkinson-bedingte Hypotonie wird durch die Einnahme­ des Betablockers und des Phosphodiesterase-Hemmers Sildenafil­ verschlechtert. Eine weitere Senkung des Blutdrucks durch die dopaminerge Therapie ist nicht auszuschließen, jedoch hier eher zu vernachlässigen, da Herr M. Levodopa plus MAO-B-Hemmer schon seit einem Jahr in gleichbleibender Dosierung bekommt. Niedriger Blutdruck tritt jedoch meist kurz nach Therapiebeginn mit Levodopa oder bei Dosiserhöhung auf. Die Erektions­störungen werden durch die neue Therapie mit dem Anticholinergikum Metixen, vor allem in Kombination mit Propranolol verstärkt.

 

Wie kann der Apotheker Herrn M. pharmazeutisch betreuen? Zuerst muss er den Neurologen über die Verschlechterung der nicht-motorischen Beschwerden informieren. Visuelle Störungen oder deren Verschlechterung unter anticholinerger Therapie sollten abgeklärt werden. Der Apotheker hält eine Therapieumstellung für sinnvoll: Ausschleichen des Beta­blockers und Dosisreduktion des Anticholinergikums unter Nutzen-Risiko-Abschätzung. Dies könnte die erektile Funktion verbessern und Sildenafil überflüssig machen.

 

Zur Blutdruckstabilisierung sollte der Patient laut Leitlinie dreimal täglich das als Prokinetikum besser bekannte Domperidon einnehmen und regelmäßig den Blutdruck kontrollieren. Entgegen der Herstellervorgaben kann eine Behandlung mit Domperidon über mehr als zwölf Wochen erforderlich sein. Allgemeine Maßnahmen wie das Tragen von Kompressionsstrümpfen und salzreiche Kost sind empfehlenswert.

 

Gut beraten in der Selbstmedikation

 

In der Apothekenpraxis kann das Team dem Patienten einige Verhaltensweisen und OTC-Präparate empfehlen, die manche Beschwerden lindern können. So können beispielsweise alkoholfreie Reinigungstücher sowie Reinigungsschaum mit Wirkstoffen wie Salicyl­säure, Triclosan,­ Panthenol und Allantoin das Gesicht von überschüssigem Hauttalg (Sebor­rhöe) befreien. Ist die Kopfhaut betroffen, sind Selendisulfid-haltige Kopfwaschmittel empfehlenswert.

 

Die erhöhte Talgproduktion kann auch Hautentzündungen oder sogar Ekzeme auslösen, die eine lokale Behand­lung mit rezeptpflichtigen Mitteln erfordern. Bei leichteren Entzündungen ist eine kurzfristige Therapie mit nicht-rezeptpflichtigen Hydrocortison-Cremes vertretbar.

 

Manche Patienten schwitzen infolge von Thermoregulationsstörungen exzessiv. Die Einnahme von Salbeiprodukten oder das Auftragen von Antitranspirantien wie Aluminiumchloridpasten oder Methenamin-haltigen Salben können den Schweißfluss besonders an Füßen, Händen und den Achselhöhlen reduzieren. Geleinlagen können unterstützend bei vermehrtem Schwitzen unter den Fußsohlen helfen.

 

Sechs von zehn Parkinson-Patienten leiden unter Blasenfunktionsstörungen – in der Regel einer Dranginkontinenz, die häufig nachts auftritt (Nykturie). Natürlich müssen andere Ursachen für die Störungen abgeklärt werden. OTC-Präparate haben bisher keine ausreichende Wirksamkeit gezeigt. Mittel der Wahl sind peripher wirksame Anticholinergika wie Trospium­chlorid. Zudem kann das Apothekenteam geeignete Inkontinenz­produkte erklären.

 

Darmträgheit und Obstipation sind ebenfalls weit verbreitet bei Parkinson-Patienten. Circa zwei Drittel der Über-60-Jährigen sind davon betroffen. Empfehlenswert ist vor allem die Einnahme von Polyethylenglykol. Kör­per­liche Aktivität, ballaststoffreiche Ernährung (Weizenkleie) und genügend Flüssigkeit können unterstützend wirken.

 

Schlafstörungen gehören zu den häufigsten Beschwerden bei Morbus Parkinson (circa 90 Prozent). Die Ursachen sind sehr komplex. Pflanzliche Präparate können nur leichte Schlafstörungen lindern. Es sind keine relevanten Interaktionen mit der Parkinson-Medikation bekannt.

 

Apotheker lösen ABP

 

Insgesamt gesehen stellt die fehlende Behandlung nicht-motorischer Symptome das häufigste arzneimittelbezogene Problem (ABP) in der Parkinson-Therapie dar. Dies belegt eine aktuelle Studie der Charité Berlin zur pharmazeutischen Betreuung von Parkinson-Patienten (Grafik 1: Kein Arzneimittel trotz Indikation). Die betreuenden Apotheker erkannten die Symptome und veranlassten entweder eine Evidenz-basierte Behandlung durch den Arzt oder gaben geeignete OTC-Empfehlungen.

Insgesamt deckten die Apotheker in acht Monaten bei 113 Parkinson- Patienten 331 ABP auf. Etwa die Hälfte der Probleme wurde durch die Medikation verursacht. Durch die pharmazeutische Beratung und eine Anpassung des Therapieschemas, immer in Kooperation mit dem Arzt konnten die Apotheker 65 Prozent der identifizierten ABP vermeiden oder lösen (10). In der Folge verbesserten sich der Gesundheitszustand, die gesundheits­bezogene Lebensqualität und die Qualität der Arzneimitteltherapie der Patienten signifikant (11).

 

Einige häufige Probleme in der Parkinson-Therapie und Beratungshinweise für Apotheker sind in den Tabellen 3 und 4 aufgeführt.

 

Was bei Levodopa zu beachten ist

 

Levodopa ist das wirksamste Medikament bei Morbus Parkinson. Allerdings leiden vor allem zu Therapiebeginn ungefähr 30 Prozent der Patienten unter Übelkeit und Erbrechen. Die Einnahme zusammen mit einem Keks, Zwieback oder mit den Mahlzeiten (ausschließlich im Frühstadium zu Therapie­beginn!) kann eventuell Linderung schaffen. Häufig ist jedoch die zusätz­liche Gabe des peripheren Dopamin­antagonisten und Prokinetikums Domperidon zu jeder Levodopa-Einnahme erforderlich. Der zentralgängige Dopaminantagonist Metoclopramid kann akinetisch-rigide Beschwerden verstärken und ist daher bei Morbus Parkinson kontraindiziert.

 

Einige Wochen nach Therapiebeginn sollte die Einnahme von Levodopa immer nüchtern, das heißt 30 Minuten vor oder 60 bis 90 Minuten nach einer Mahlzeit erfolgen. Der Grund: Bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme sinkt die Levodopa-Resorption um 15 Prozent. Ferner sollte der Patient eiweißreiche Hauptmahlzeiten (Fisch, Fleisch, Quark) meiden, denn Levodopa steht beim Überwinden der Blut-Hirn-Schranke durch einen sättigbaren Transportmechanismus in Konkurrenz mit Aminosäuren aus dem Nahrungseiweiß. Darauf sollte das Apothekenteam die Patienten unbedingt hinweisen.

 

Therapieumstellung beim Wearing-off

 

Nach wenigen Jahren der Therapie lässt die Wirkung von Levodopa spürbar nach (Wearing-off). Während die Levodopa-Wirkung in den ersten Jahren nach Behandlungsbeginn (in der sogenannten »Honeymoon-Phase«) bis zu sechs Stunden anhalten kann, treten die Parkinson-Symptome später bereits zwei bis drei Stunden nach der Einnahme wieder auf. Man spricht vom Wearing-off, wenn sich mit drei bis vier Dosen Levodopa über 24 Stunden keine kontinuierliche Beschwerdefreiheit mehr erzielen lässt.

Die Ursache ist ein Verlust der Levodopa-Speicherkapazität des Gehirns durch den fortgeschrittenen Untergang dopaminerger Nervenzellen. Somit hängt die Wirksamkeit des zugeführten Levodopas ausschließlich von dessen Konzentration im Blut ab. Dieses Phänomen entwickelt sich meist schleichend; häufig erkennt der Arzt es erst spät. Der Apotheker kann den Patienten gezielt nach frühmorgendlicher Akinese vor der ersten Medikamenteneinnahme oder nachmittäglicher und nächtlicher Akinese sowie häufig wiederkehrenden nicht-motorischen Beschwerden fragen. Damit lassen sich Wearing-off-Probleme in der Apotheke aufdecken (12).

 

Nach Bestätigung durch den Arzt sollte das Therapieschema umgestellt werden. Zunächst wird die Zahl der Levodopa-Dosen erhöht bei gleichzeitiger Reduktion der Einzeldosis (Grafik 2). Tabletten­dispenser und -teiler helfen dem Patienten, mit der Umstellung umzugehen.

 

Wenn eine Dosissteigerung (bis zu maximal 1000 mg Levodopa pro Tag) erfolgt, werden häufig verschiedene galenische Zubereitungen kombiniert. Wichtig ist, dem Patienten zu erklären, wann er welche Arzneiform einnehmen muss. So bekommt er direkt nach dem Aufstehen zur Kontrolle der früh­morgendlichen Akinese eine Lösungstablette mit Levodopa und nimmt vor dem Zubettgehen gegen nächtliche Beschwerden ein Retardpräparat ein. Die Wirkung des Retardpräparats tritt erst nach 60 bis 150 Minuten ein (Wirkdauer etwa sechs Stunden). Daher darf die Einnahme zeitnah mit der letzten Levodopa-Dosis der Standardformulierung erfolgen (Grafik 2 unten).

Anhaltendes Wearing-off und weitere motorische Komplikationen wie unvorhersehbare On-off-Fluktuationen und Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen) unter Levodopa erfordern im Therapieverlauf die Kombi­nation mehrerer Parkinson-Medika­mente.­ Grundsätzlich sind alle Wirkstoffe kombinierbar. Häufig werden MAO-B- und COMT-Hemmer gemeinsam mit Levodopa eingesetzt. Allerdings können auch diese Stoffe arzneimittelbezogene Probleme hervorrufen (Tabelle 3).

 

Dopaminagonisten mono oder in Kombination

 

Dopaminagonisten eignen sich sowohl für die frühe Kombinationstherapie mit Levodopa als auch für die initiale Behandlung des Morbus Parkinson in Mono­therapie. Dies soll eine Levodopa-Gabe hinauszögern. Daher bekommen jüngere Patienten häufig zuerst Dop­aminagonisten (9).

Tabelle 3: Pharmazeutische Beratung bei arzneimittelbezogenen Problemen in der Parkinson-Therapie

Problem Pharmazeutische Beratung
Levodopa
Handhabungsprobleme durch krankheitsbedingte Einschränkungen: Schluckbeschwerden, Akinese, Tremor Verordnung von löslichen Präparaten (Beispiel Madopar® LT) Levodopa-Tagesdosis (TD) als Stammlösung: TD Levodopa in 1 l Trinkwasser lösen und 2 g Ascorbinsäure zugeben
Mangelnde Anpassung der Dosis bei Dialyse:­ zu geringe Wirkung, Gefahr einer akinetischen Krise Mitteilung an den Arzt Empfehlung zur Dosisanpassung von Levodopa an Dialysetagen: 30 min vor Dialyse 100 mg Madopar® LT, in der Mitte der Dialyse (bei vierstündiger Dialyse nach zwei Stunden) und nach Dialyseende jeweils 100 mg Levodopa Standardformulierung. Anschließend Einnahme normal fortsetzen. Gefährlicher Abfall des Wirkspiegels durch die Dialyse wird damit vermieden.
Dopaminagonisten
Cabergolin im Tablettendispenser: falsche Aufbewahrung Aufbewahrung in Originalverpackung mit Trocknungssubstanz im Deckel
Pramipexol: Sehstörungen regelmäßige Augenkontrollen, mindestens 1- bis 2-mal jährlich, cave: Retinadegeneration (selten, irreversibel)
COMT-Hemmer Entacapon
zu langer Abstand zur Levodopa-Einnahme COMT-Hemmer immer gemeinsam mit Levodopa einnehmen, nicht indiziert als Monotherapie, zur Verbesserung der Compliance auf Entacapon-Levodopa-Fixkombination umstellen
Levodopa-Entacapon-Fixkombination: falsche Einnahme zur Mahlzeit Einnahme wie Levodopa: 30 min vor oder 60 bis 90 min nach einer Mahlzeit, maximale TD 2000 mg Entacapon
UAW meist wie Levodopa (dopaminerg) eventuell Levodopa-Dosis reduzieren
sehr häufig: Urinverfärbung (bierbraun) harmlos
häufig: Durchfälle (oft anhaltend, stark wässrig) meist zwei bis vier Monate nach Therapiebeginn, mit dem Arzt abklären: Pausieren der COMT-Inhibition erwägen, orale Rehydratation: Elektrolyte und Glucose
MAO-B-Hemmer Selegilin
viele Kontraindikationen in Kombination mit Levodopa, z. B. Hyperthyreose, Hyper­tonie, Prostatahyperplasie mit Rest­harn­bildung, Herzrhythmusstörungen, Angina Pectoris, Demenz Abklärung durch den Arzt erforderlich
Handhabungsprobleme bei Schluck­beschwerden Wechsel zu sublingualer Arzneiform
häufig: Ein- und Durchschlafstörungen keine Einnahme nach 14 Uhr (da Abbau zu Amphetamin), Tagesdosis 10 mg nicht überschreiten, Wechsel zu Rasagilin

LT: Lösungstablette, TD: Tagesdosis, EKG: Elektrokardiogramm, UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkung(en), MAO-B: Monoaminoxidase-B, COMT: Catecholamin-O-Methyl-Transferase

Die Wirksamkeit der Agonisten ist jedoch geringer als bei Levodopa, während dopaminerge Nebenwirkungen wie Ödeme, psychotische Zustände (länger anhaltend durch längere Halbwertszeit), Blutdrucksenkung, Schwindel, Übelkeit und Abdominalschmerzen häufiger auftreten. Daher ist bei älteren und multimorbiden Patienten Zurückhaltung geboten. Vor allem aber bergen Dopaminagonisten weitere Risiken, beispielsweise »Schlafattacken« ohne Warnzeichen und plötzliches Einschlafen am Steuer.

 

Ein aktuell stark diskutiertes Phänomen unter Dopaminagonisten sind die sogenannten Impulskontrollstörungen. Dazu zählt unkontrolliertes zwanghaftes Verhalten in verschiedener Form wie Spielsucht, Hypersexualität, Punding (stereotype, irrationale motorische Handlungen) oder exzessives Shopping. Die Therapie besteht in einer Dosisreduktion oder im Absetzen des Dopaminagonisten.

Tabelle 4: Pharmazeutische Beratung bei arzneimittelbezogenen Problemen in der Parkinson-Therapie

Problem Pharmazeutische Beratung
NMDA-Antagonist Amantadin
Anwendung zur falschen Tageszeit keine Einnahme nach 16 Uhr (Risiko Ein- und Durchschlafstörungen) Dosierungsschema: 3 x 100 bis 200 mg
schwere UAW: Psychose infolge relativer Überdosierung (Intoxikation) Mitteilung an den Arzt maximale Tagesdosis: 600 mg! besonders gefährdet: ältere, niereninsuffiziente Personen, Menschen, die zum Beispiel Hydrochlorothiazid, Furosemid, Gabapentin bekommen (Hypokaliämiegefahr), regelmäßige Kontrolle der Kalium-Spiegel, laut Leitlinie (ausschleichend!) absetzen, wenn Halluzinationen auftreten
schwere UAW: QT-Zeit-Verlängerung Mitteilung an den Arzt, regelmäßige EKG-Kontrollen, QT-Zeit verlängernde Komedikation, zum Beispiel Amitriptylin, prüfen, prüfen, ob UAW gleichzeitig verabreichter Parkinsonmittel (Erbrechen, Diarrhöe, Anorexie) zu Elektrolytstörungen führen, Elektrolytausgleich, vor allem Kalium und Magnesium, Laborkontrollen bei Risikogruppen für Elektrolytstörungen: Patienten mit Diuretika-Medikation, häufigem Erbrechen und/oder Durchfall, Anwendung von Insulin in Notfall­situationen, Nierenerkrankungen oder anorektischen Zuständen
häufig: Pigmentstörungen »marmorierte Haut« (Livedo reticularis), manchmal mit Ödemen im Unterschenkel- und Knöchelbereich Arzt informieren gutartig und reversibel nach Absetzen
Anticholinerge UAW: Mundtrockenheit Zusätzlich Mundspülung und -spray zur Befeuchtung

Die Anwendung des Dopaminagonisten Rotigotin als Therapeutisches System (TTS, »Pflaster«) ist relativ kompliziert. Das Apothekenteam sollte hier intensiv beraten. Die Pflaster sollen täglich möglichst zur gleichen Zeit auf nicht behaarte Hautstellen aufgeklebt werden. Nach 24 Stunden wird das alte TTS abgezogen und ein neues aufgebracht. Dabei soll dieselbe Applikationsstelle innerhalb von 14 Tagen nicht wieder verwendet werden. Die Pflaster sind relativ groß und unpraktikabel. Mitunter muss der Patient für die erforderliche Tagesdosis mehrere Pflaster gleichzeitig aufkleben. Die Dosis wird schrittweise gesteigert (von 2 bis 8 mg pro 24 Stunden), was einen Wechsel von Pflastergrößen erfordert.

Hat der Patient das Pflaster aufgeklebt, soll er keine Wärme zuführen, also die Hautstelle zum Beispiel nicht fönen oder unmittelbarer Sonnenbestrahlung oder Saunatemperaturen aussetzen.

 

Das TTS kann Hautreaktionen an der Applikationsstelle auslösen – laut Fachinformation bei 35 Prozent der Patienten. Zwar sind diese in der Regel leicht bis mittelschwer ausgeprägt, sie können jedoch auch mehrere Tage anhalten oder sich über die unmittelbare Stelle der Anwendung hinaus ausbreiten. Dann sollte der Patient unbedingt den behandelnden Arzt benachrichtigen. Bei einer generalisierten Haut­reaktion, zum Beispiel einem allergischen Exanthem oder Pruritus, muss die Therapie abgebrochen werden.

 

Auch bei leichtem Hautausschlag oder Hautreizungen sollten die Apothekenmitarbeiter dem Patienten empfehlen, direktes Sonnenlicht bis zum Abheilen der Haut zu vermeiden. Andernfalls sind Farbveränderungen der Haut nicht auszuschließen.

 

Gute Therapie, mehr Lebensqualität

 

Morbus Parkinson beeinträchtigt nach und nach alle Lebensbereiche der Betroffenen. Umso wichtiger ist eine gute pharmazeutische Begleitung und Beratung der Patienten. Denn eine optimierte Therapie kann ihre Lebensqua­lität deutlich verbessern. Informierte Apotheker können im Gespräch bereits viele Probleme erkennen und Parkinson-Patienten mit gezielten pharmazeutischen Hinweisen helfen. /

Literatur

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Die Autorinnen

Marion Schaefer studierte Pharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle und habilitierte sich 1984 an der Humboldt-Universität Berlin. Seit 1985 ist sie Dozentin für Arzneimittelepidemiologie/Sozialpharmazie an der Humboldt-Universität. Schaefer leitet den Weiterbildungsstudiengang »Consumer Health Care«. Seit 2001 ist sie als Gastprofessorin am Institut für Klinische Pharmakologie der Charité Universitätsmedizin Berlin tätig. Sie hat zahlreiche Publikationen zur Versorgungsforschung erstellt und ist Mitautorin nationaler und internationaler Fachbücher.

 

Sabrina Schröder studierte Pharmazie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sie arbeitete mehrere Jahre als Apothekerin in öffentlichen Apotheken und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für klinische Pharmakologie der Charité Universitätsmedizin Berlin. 2006 schloss sie den berufsbegleitenden Masterstudiengang »Consumer Health Care« mit dem Master of Science ab. Es folgten einige Jahre in der pharmazeutischen Industrie im Bereich Medical Science und Marketing mit Schwerpunkt Morbus Parkinson. Derzeit ist Schröder als Klinische Pharmazeutin an der Universitätsklinik Lund, Schweden, Abteilung Neurologie, beschäftigt.

 

Sabrina Schröder, MSc, Abteilung für Neurologie, Skåne Universitätsklinikum, SE-221 85 Lund, Schweden, E-Mail: sabrinaschro(at)aol.com oder Sabrina.Schroder(at)med.lu.se

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