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Antibiotikum

Neomycin-Nasensalbe schützt vor Virusinfektionen

Nach wie vor wartet die Medizin auf nasal anzuwendende Impfstoffe zum Schutz vor aerogenen Infektionen. Jetzt konnten Forschende zeigen, dass eine Nasensalbe mit dem altbekannten Antibiotikum Neomycin einen guten Schutz vor Virusinfektionen zu induzieren vermag.
Theo Dingermann
23.04.2024  11:54 Uhr

Mit Repurposingstrategien wurde zu Beginn der Covid-19-Pandemie vesucht, zeitnah Wirkstoffe zu finden, mit denen sich eine SARS-CoV-2-Infektion effektiv behandeln ließ. Diese Versuche waren rückblickend wenig erfolgreich. Nicht zuletzt deshalb lässt eine Studie aufhorchen, in der eine neue, äußerst nützliche Anwendung für das Aminoglykosid-Antibiotikum Neomycin gezeigt wird.

Dr. Tianyang Mao, Dr. Jooyoung Kim und Mario A. Peña-Hernández von der Yale University School of Medicine in New Haven beschreiben zusammen mit Kollegen im Fachjournal »PNAS« die intranasale Anwendung von Neomycin zum Schutz vor aerogenen Virusinfektionen. Die Gruppe um Professor Dr. Akiko Iwasaki hatte bereits in einer früheren Arbeit zeigen können, dass die topische Anwendung von Aminoglykosiden auf der Schleimhaut die Wirtsresistenz gegen eine breite Palette von Virusinfektionen, einschließlich Herpes-simplex-Viren, Influenza-A-Virus und Zika-Virus, erhöht. Offensichtlich fungieren Aminoglykosid-Antibiotika als Agonisten am Toll-like-Rezeptor 3 (TLR3), wodurch interferonstimulierte Gene aktiviert werden.

In der aktuellen Studie reduzierte die nasale Verabreichung von Neomycin bei Mäusen einen Tag vor einer gezielten Infektion mit SARS-CoV-2 die Viruslast und die Krankheitslast deutlich. Selbst wenn die Mäuse bereits mit SARS-CoV-2 infiziert waren, führte die intranasale Neomycin-Gabe vier Stunden nach der Infektion dosisabhängig zu einer Verringerung der Viruslast und zu einer erhöhten Überlebensrate. Zudem waren Mäuse durch die Behandlung vor einer Infektion mit hochvirulenten Influenza-A-Viren geschützt.

Auch Hamster waren infolge einer lokalen intranasalen Neomycin-Behandlung weitgehend vor einer SARS-CoV-2-Infektion geschützt. Wenn sie sich doch ansteckten, wiesen sie eine deutlich verringerte Viruslast auf.

Ob dieser Effekt auch beim Menschen auftritt, testeten die Forschenden in einer kleinen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit gesunden Freiwilligen. Diese applizierten sich zweimal täglich mithilfe eines Wattestäbchens entweder die rezeptfreie Neomycin-haltige Nasensalbe Neosporin® (n=12) oder Vaseline als Placebo (n=7) in die Nase.

Anders als bei den Probanden aus der Placebogruppe war bei mehr als der Hälfte der Probanden, die sich mit Neosporin behandelt hatten, eine robuste antivirale Genexpression (Interferon-stimulierte Gene) im Nasenepitel nachweisbar. »Es ist ein aufregendes Ergebnis, dass eine billige, frei verkäufliche antibiotische Salbe den menschlichen Körper dazu anregen kann, eine antivirale Reaktion zu aktivieren«, so Iwasaki in einer Pressemitteilung der Yale University. Das alte Antibiotikum Neomycin zeige in Tiermodellen sowohl präventive als auch therapeutische Wirkungen gegen Viruserkrankungen.

Die Autoren spekulieren, dass sich die Antwort auf die Behandlung noch verbessern lässt, wenn systematisch nach einer optimalen Dosis gesucht wird. Da der Ansatz wirtsspezifisch sei, sollte er zudem unabhängig von der Art des Virus funktionieren, ergänzt Iwasaki.

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