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Schweinegrippe

Pandemrix-Hersteller unter Beschuss

Neun Jahre nach der Schweinegrippe-Pandemie reißt die Diskussion um den Impfstoff Pandemrix nicht ab. Im aktuellen »British Medical Journal« übt Mitherausgeber Peter Doshi scharfe Kritik an Hersteller Glaxo-Smith-Kline (GSK). Dieser habe auf eine außergewöhnlich hohe Zahl an Nebenwirkungsmeldungen nicht angemessen reagiert.
Annette Mende
21.09.2018  01:01 Uhr

Doshi beruft sich auf interne Dokumente von GSK, in die ihm sein Kollege Tom Jefferson Einblick gewährt habe. Diesem seien die Dokumente in seiner Funktion als Sachverständiger bei der Gerichtsverhandlung einer irischen Frau vorgelegt worden, die nach erhaltener Pandemrix-Impfung Narkolepsie entwickelt hatte. Bei seiner Kritik an GSK geht es Doshi aber nicht um den Zusammenhang zwischen der Pandemrix®-Impfung und der Schlafkrankheit – diesen sieht er als erwiesen an, obwohl weder GSK noch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) als verantwortliche Zulassungsstelle dies bislang offiziell anerkannt hätten. Nachdem Studien aus Schweden und Finnland einen deutlichen Anstieg der Narkolepsiefälle bei Unter-20-Jährigen nach der Impfung mit Pandemrix gezeigt hatten, sprach die EMA jedoch 2011 die Empfehlung aus, den Impfstoff in dieser Altersgruppe nicht mehr zu verwenden.

Auch andere schwerwiegende Nebenwirkungen seien Doshi zufolge unter Pandemrix gehäuft aufgetreten – was GSK laut einem internen Sicherheitsbericht bekannt gewesen sei. Ein Vergleich der Häufigkeit gemeldeter Nebenwirkungen von Pandemrix mit Arepanrix®, dem ebenfalls von GSK produzierten pandemischen Impfstoff, der dasselbe Adjuvans AS03 enthielt wie Pandemrix, und einem nicht adjuvantierten H1N1-Impfstoff, dessen Name nicht genannt wird, zeige, dass es bei Pandemrix proportional fünfmal häufiger zu Nebenwirkungen gekommen sei als bei den anderen beiden Impfstoffen. Einzelne unerwünschte Wirkungen wie Gesichtslähmungen oder Krämpfe seien vier- beziehungsweise neunmal häufiger gemeldet worden.

Weder GSK noch die EMA hätten diese Informationen öffentlich gemacht, so Doshi. Es sei unklar, ob der Hersteller oder die Behörde den Sachverhalt untersucht hätten. Anders bei der Narkolepsie: Hier hätte es sehr schnell Reaktionen sowohl in den Medien als auch vonseiten des Herstellers gegeben. Die Frage nach dem Warum habe GSK ihm nicht beantwortet. Aus Doshis Sicht hätte insbesondere der Unterschied zwischen Pandemrix und Arepanrix alarmieren müssen, denn bei diesen beiden handele es sich »grob gesagt um denselben Impfstoff, der lediglich in verschiedenen Fabriken hergestellt und in unterschiedlichen Ländern verimpft wurde. Abweichende Raten von Nebenwirkungen könnten auf ein Herstellungsproblem hindeuten.«

Mittlerweile sind beide pandemischen Impfstoffe nicht mehr auf dem Markt. Die Schweinegrippe ist Geschichte, aber der Fall wirft laut Doshi grundlegende Fragen zur Transparenz von Informationen auf.

DOI: 10.1136/bmj.k3948

Foto: GSK

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