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100-Tage-Husten

Pertussis-Impfung schützt Erwachsene und Säuglinge

Keuchhusten ist keine Kinderkrankheit. Zwei Drittel der Erkrankten sind Erwachsene. Eine Impfung schützt den Impfling selbst, aber auch seine Umgebung, zum Beispiel Säuglinge. Sie wird auch in der Schwangerschaft empfohlen.
Brigitte M. Gensthaler
11.03.2020  08:00 Uhr

Nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) erkranken jedes Jahr im Median etwa 13.000 Menschen – rund 66 Prozent sind Erwachsene. »Eine Pertussis dauert lang, ist schmerzhaft und schränkt das Alltagsleben erheblich ein«, verdeutlichte der Arzt Dr. Markus Frühwein bei einer Pressekonferenz von Glaxo-Smith-Kline (GSK) in München.

Keuchhusten wird fast immer durch das Bakterium Bordetella pertussis ausgelöst und verläuft über mehrere Wochen bis Monate. Die Erkrankung beginnt mit Erkältungssymptomen (Stadium catarrhale), gefolgt vom Stadium convulsivum mit persistierenden Hustenanfällen, oft begleitet von inspiratorischem Stridor (schrilles Geräusch beim Einatmen) und Erbrechen nach den Hustenattacken. Aufgrund des langen Verlaufs werde Pertussis auch »100-Tage-Husten« genannt, so der Allgemein- und Tropenmediziner. Die Rekonvaleszenz dauere zwei bis drei Wochen, manchmal auch erheblich länger.

Säuglinge unter drei Monaten haben das höchste Risiko für Komplikationen. Dazu gehören beispielsweise Pneumonien und zerebrale Krampfanfälle.

Unterschätzt bei Erwachsenen

»Keuchhusten bei Erwachsenen wird total unterschätzt«, monierte der Arzt. Die Erkrankung verläuft oft atypisch mit einem hartnäckigen, trockenen und schmerzhaften Husten, Abgeschlagenheit und Schlafstörungen. Keuchen, Erbrechen und Fieber können fehlen. Daher wird die Erkrankung bei Erwachsenen selten diagnostiziert. Dabei ist sie hoch ansteckend. »Pertussis ist ähnlich infektiös wie Masern. Ein Erkrankter kann bis zu 17 weitere Menschen anstecken.«

In höherem Alter steigt nicht nur das Erkrankungs-, sondern auch das Komplikationsrisiko. Dazu zählen Sinusitiden, Otitiden, Pneumonien, hustenbedingte Inkontinenz, Hernien oder Rippenfrakturen. Etwa 10 Prozent der Patienten über 65 Jahren müssen laut Frühwein ins Krankenhaus.

Impfen ab zwei Monaten

Angesichts der hohen Krankheitslast und der begrenzten Therapieoptionen warb der Arzt für die Impfung von Säuglingen bis hin zu Erwachsenen. Laut Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollen Säuglinge ab zwei Monaten bis zum 14. Lebensmonat viermal gegen Pertussis geimpft werden (Grundimmunisierung). Für Erwachsene empfiehlt die STIKO die einmalige Impfung mit azellulärem Pertussis-Impfstoff (ap) und zwar kombiniert mit der nächsten fälligen Tetanus- und Diphtherie-Impfung (Tdap).  Ziel ist es, die Erwachsenen selbst und ungeimpfte Personen, vor allem Säuglinge, zu schützen (Kokonstrategie).

Frauen im gebärfähigen Alter, enge Kontaktpersonen zu Neugeborenen sowie Personal im Gesundheitsdienst oder in Gemeinschaftseinrichtungen sollen laut STIKO alle zehn Jahre geimpft werden (Indikationsimpfung). Die Boosterung ist notwendig, da der Immunschutz progredient abnimmt und nach fünf bis sieben Jahren meist nicht mehr vorhanden ist. Auch eine Pertussis-Erkrankung schützt nur zeitlich begrenzt; man kann also mehrmals im Leben erkranken.

Impfen in jeder Schwangerschaft

Um das Erkrankungs- und damit Sterblichkeitsrisiko von Neugeborenen zu senken, werde die Pertussis-Impfung in einigen Ländern auch schwangeren Frauen empfohlen, berichtete Dr. Alfred von Krempelhuber von GSK. Laut WHO-Empfehlung von 2015 sollen sie im zweiten oder dritten Trimenon, aber spätestens 15 Tage vor der Entbindung eine Dosis eines Tdap-Impfstoffs erhalten. Dies schütze effektiv das Neugeborene und sei kosteneffektiver als die Kokonstrategie und die Post-partum-Impfung (Zusammenfassung Positionspapier Pertussis 2015 ) . Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) empfehlen die Tdap-Vakzine in jeder Schwangerschaft von der 27. bis 36. Woche.

Die Empfehlung sei unabhängig vom individuellen Impfschutz der Frau, erklärte Krempelhuber. Es gehe darum, hohe maternale IgG-Titer zu erreichen, da die Immunglobuline ab der 32. Schwangerschaftswoche, aber vorwiegend in den letzten vier Wochen vor der Geburt über die Plazenta zum Fetus transportiert werden. Daher müsse die Impfung in jeder Schwangerschaft wiederholt werden. Da der kindliche Organismus die mütterlichen Antikörper abbaut, ist ein rechtzeitiger Beginn der Grundimmunisierung des Säuglings essenziell.

Die positive Nutzen-Risiko-Bilanz der Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft bestätigte kürzlich eine im Journal »BMC Infectious Diseases« publizierte Datenanalyse (DOI: 10.1186/s12879-020-4824-3). Eine erhöhte Rate von Fieber und Chorioamnionitis (bakterielle Infektion der Eihäute um den Fetus) nach der Impfung hatte keine klinisch relevanten Folgen. Dagegen war die Impfung hoch effektiv zur Verhinderung einer Pertussis, von Krankenhauseinweisung und Tod des Kindes.

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