Das Versprechen der Vernunft
Welcher Mensch steht hinter Hegels abstrakter Systemphilosophie? Welche Erlebnisse und Begegnungen prägten sein Denken? Und wie sahen ihn seine Zeitgenossen? Ein Essay von Sebastian Ostritsch über einen so absonderlichen wie wagemutigen Philosophen.
Wer in den 1820er-Jahren an der Berliner Universität studierte, dürfte allenthalben mit Kreide- und Bleistiftkritzeleien an den Wänden konfrontiert gewesen sein, die von „Aufhebung“, der „Wahrheit des Ganzen“ oder dem „Absoluten“ kündeten. Der Grund für diese philosophischen Graffiti war die enorme Popularität von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der von 1818 bis zu seinem Tod 1831 in Berlin lehrte. Der 1770 in Stuttgart geborene und aufgewachsene Hegel, der eine recht steinige und von Umwegen gekennzeichnete akademische Karriere hinter sich hatte, wurde in der preußischen Hauptstadt zu einem philosophischen Superstar, dessen Ruhm weit über den Hörsaal hinausstrahlte. Gleich ob es sich um Neuigkeiten aus Kunst, Kultur, Wirtschaft oder Wissenschaft handelte: In Berlin wollte man wissen, was Hegel über die Sache denkt. Die Hegel-Manie ging so weit, dass sie schließlich den Neid des Königs provozierte: Als Hegel an seinem 56. Geburtstag ein rauschendes Fest feierte, sorgte die darauffolgende Berichterstattung in der Vossischen Zeitung für großen Unmut bei Friedrich Wilhelm III. Seine eigene Geburtstagsparty wurde im Vergleich dazu kaum gewürdigt! Er beschloss daher, Meldungen über private Feiern von nun an zu verbieten.
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Weitere Artikel
Bücher zum Hegel-Jahr
In diesem Jahr feierten wir den 250. Geburtstag von Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Aus diesem Anlass sind zahlreiche Bücher über den Jahrhundertphilosophen erschienen. Unser Rezensent Josef Früchtl widmet sich den je ganz unterschiedlichen Zugängen von Jürgen Kaube, Sebastian Ostritsch und Patrick Eiden-Offe.
Hegel als Denker des Kolonialismus?
Jüngst entflammte eine Debatte über die Frage, ob die Texte Georg Wilhelm Friedrich Hegels in Teilen kolonialistisches Denken offenbaren. Dabei beziehen sich die Vorwürfe besonders auf Hegels Kritik an mangelhaften Zuständen in puncto Freiheit, Recht und politischer Struktur auf dem afrikanischen Kontinent. Der Philosoph und Hegel-Biograf Klaus Vieweg argumentiert jedoch: Hegel war keineswegs Kolonialist, ganz im Gegenteil.
Klaus Vieweg über die Aktualität Hegels
Warum ist der vor 250 Jahren geborene Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel ein Denker der Freiheit? Was macht sein Schaffen für uns heute noch relevant? Und welches seiner Werke ist das bedeutendste? Auf der diesjährigen phil.cologne sprechen wir im Videointerview mit Klaus Vieweg über die Aktualität des Philosophen. Klaus Vieweg, geboren 1953, ist Professor für klassische deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und einer der international führenden Hegel-Experten. Im Juli erschien sein Buch Hegel. Der Philosoph der Freiheit im C. H. Beck Verlag.
Hegel – Stationen eines Lebens
Ebenso wie heutige Universitätsgelehrte musste schon Hegel seinen Lebensmittelpunkt häufig aus beruflichen Gründen verschieben. Welche Orte, historischen Ereignisse und biografischen Erfahrungen ihn prägten, zeigt unsere Karte.
Sebastian Fitzek - Der Angstmacher
Sebastian Fitzek ist einer der erfolgreichsten Thrillerautoren Deutschlands. Immer wieder stellt er menschliche Urängste gekonnt ins Zentrum seiner Romane, für die er als erster deutscher Autor den Europäischen Preis für Kriminalliteratur erhielt.
Kann man Hegel de-kolonialisieren, Herr James?
In Hegels Werken finden sich rassistische und prokolonialistische Gedanken. Doch in welchem Zusammenhang stehen diese zu seiner Philosophie der Freiheit, der Person und des Eigentums? Ein Interview mit Daniel James zur Frage, ob Hegel noch zu retten ist.
Hegel im Überblick
Trotz aller Systematik fällt es oft schwer, den Überblick über Hegels Philosophie zu behalten. Ein Glück, dass Millay Hyatt, die selbst zu Hegel promovierte, drei seiner großen Werke im Überblick darstellt. Das scheinbar Unmögliche wird so möglich: die Wissenschaft der Logik, die Phänomenologie des Geistes und die Grundlinien der Philosophie des Rechts in ihren Grundzügen auf einer Seite zu erschließen.
Die neue Sonderausgabe: Hegel
Hegel liefert keine leichten Antworten. Anstatt eines Entweder-oder ging es dem Philosophen der Dialektik darum, Widersprüche zusammenzudenken und aufzuheben – freilich ohne jemals alle Spannung einzuebnen. Das Denken bleibt also immer in Bewegung. Gerade in dieser Komplexität und Dynamik liegt der Reiz seiner Philosophie.
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