Enttarnt

Der nordamerikanische Waschbär wurde 1934 auf Anweisung des damaligen Preußischen Landesjagdamtes in unseren Breiten ausge­wildert. Nicht zuletzt aufgrund seines großen Anpassungsvermögens kommt der aufgrund seines typischen Masken­gesichts auffällige Kleinbär mittler­weile in zahlreichen deutschen Revieren mit gewässerreichen Misch­wäldern vor. Dipl.-Biol. Sascha Ljubisavljevic hat die Spur aufgenommen.
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19. November 2008
Die hinterlassenen Abdrücke ähneln kleinen fünf-fingrigen Händen mit Krallen. Die Zehen sind nicht mit­einander verbunden.<br>(Foto: I. Bartussek)
Die hinterlassenen Abdrücke ähneln kleinen fünf-fingrigen Händen mit Krallen. Die Zehen sind nicht mit­einander verbunden.<br>(Foto: I. Bartussek)
Vor Jahren hatte ich während eines spätherbst­lichen Sauansitzes bei Mondschein erstmals einen Waschbären vor. Bis dahin hatte ich mich noch nicht mit diesem Neubürger auseinandergesetzt und wusste auch nicht genau, wie es um die Jagdzeit bestellt war. Ich wollte mir erst einmal Gewissheit verschaffen. Als ich meinem Jagdherrn am kommenden Tag von dieser nächtlichen Begegnung berichtete, hielt er mir zunächst im Scherz vor, dass ich womöglich bei heißem Tee 'mit Schuss' auf der gemütlichen Kanzel eingenickt gewesen sein müsste. Im nördlichen Niedersachsen gebe es solche Tiere gar nicht. Mein 'Waschbär' sei höchstwahrscheinlich irgendeine verwilderte Hauskatze gewesen…

Ausbreitung

Die in den 1930er Jahren in Deutschland ersten erfolgreichen Ansiedlungsversuche von Waschbären erfolgten in der Gegend um den hessischen Edersee. Diese Aussetzaktion führte innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer stabilen Population südwestlich von Kassel. Von dort aus expandierte der Besatz seither stetig in alle Himmelsrichtungen und macht bekanntermaßen auch vor menschlichen Siedlungen nicht halt. Ein zweiter ­Populations-'HotSpot' entstand nach der Zerstörung einer Pelztierfarm im Brandenburgischen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Auch diese Waschbären konnten sich erfolgreich etablieren und bilden eine zweite, sich von Osten her ausbreitende Kolonisa­tionswelle der Kleinbären.
Die in Deutschland nachgewiesenen Populationsschwerpunkte Brandenburg, Hessen und mittlerweile auch Nord­rhein-Westfalen weisen zwar mit Abstand die höchsten jährlichen Abschusszahlen auf, es gibt in der Bundes­republik jedoch kaum noch Länder, die keine Zahlen zur bundesdeutschen Jahresstrecke an Waschbären bei­steuern können (im Jagdjahr 2007/2008 ca. 35 000). Der Waschbär ist also gewaltig auf dem Vormarsch, und das gibt uns Jägern in zunehmendem Maße Gelegenheit, auf diesen heimlichen Gesellen zu waidwerken.

Die hinterlassenen Abdrücke ähneln kleinen fünf-fingrigen Händen mit Krallen. Die Zehen sind nicht mit­einander verbunden.<br>(Foto: I. Bartussek)
Die hinterlassenen Abdrücke ähneln kleinen fünf-fingrigen Händen mit Krallen. Die Zehen sind nicht mit­einander verbunden.
(Foto: I. Bartussek)

'Bären' im Revier

Doch wie erkennen wir, ob in unserem Revier Waschbären vorkommen? Neben den ­unverkennbaren Abdrücken der Branten im weichen ­Untergrund lassen sich beim ­Reviergang weitere Hinweise finden, den 'Maskierten' zu enttarnen: In einem ­optimalen Lebensraum sind neben den Fließgewässern in einer ­abwechslungsreichen Landschaft vor allem geeignete Verstecke (Schlafbäume, Erdbaue, Steinbrüche) notwendig. Beliebt sind alte, knorrige und verwachsene Eichen mit ­Höhlen, wo einst große Äste abgefault sind.
Sind diese ­Behausungen regelmäßig angenommen, zeigt sich das an den diagonalen, V-förmig angeordneten Kratz­spuren in der Borke, die der Waschbär beim Abstieg kopfüber hinterlässt. Mitunter fehlt dort die Borke ganz, wenn der Schlafplatz über mehrere Jahre und von di­­ver­sen Generationen benutzt wurde. Im Winter finden sich unter diesen Bäumen auch Latrinen, da die Tiere keinen richtigen Winterschlaf halten, sondern lediglich eine Winterruhe in Form von verringerter Aktivität. Zum Nässen und Lösen verlassen sie stets den Schlafplatz und 'verraten' sich so durch ihre Hinterlassenschaften.

Bejagung

In den Vereinigten Staaten und Kanada wird die Jagd auf Waschbären üblicherweise mithilfe der eigens hierfür gezüchteten Coonhounds (Waschbär englisch = Raccoon) durchgeführt. Sie jagen spurlaut auf der frischen Fährte und hetzen den Waschbären auf einen nahe gelegenen Baum, wo sie ihn ausdauernd mit Standlaut binden. Der hinzukommende Jäger muss dann nur noch zur Flinte oder zum Kleinkalibergewehr greifen. Diese fragwürdige Jagdmethode ist in den USA sehr verbreitet und wird dort unter anderem auch auf Luchse, Schwarzbären und Pumas angewendet.In unseren Revieren verspricht der Ansitz an reifen Getreide- oder Maisfeldern in den Abend- und frühen Morgenstunden Jagderfolg. In den Sommermonaten sind Waschbären sehr aktiv und können viele Kilometer unterwegs sein. Gibt es im Revier flache Fließgewässer, besteht auch da die reelle Chance, in der Dämmerung einen 'Maskierten' auf Nahrungssuche am Ufer oder im Bachbett abzupassen. Waschbären sind nachtaktiv und daher ist die Ansitzjagd am ehesten an ­regelmäßig beschickten Kirrungen erfolgreich oder sie werden zur Zufallsbeute an der Saukirrung.
Deutlich effektiver kann man mit der Fangjagd Beute machen. Von der Verwendung von Schlagfallen, Eiabzugs­eisen oder ähnlichen Totfangfallen ist allerdings grund­sätzlich abzuraten. Die deutsche Bezeichnung 'Waschbär' rührt nämlich vom arttypi­schen Verhalten der Tiere her, bei der Nahrungssuche vor allem unter Wasser ihre Beute vorsichtig zu ertasten und mithilfe ihrer äußerst sensiblen Branten durch ­Drehen und Wenden nach Fressbarem zu kategorisieren. In einer fängisch gestellten Falle würde der Waschbär also auch zuerst nach dem Köder greifen: Grausame Verletzungen sind vorprogrammiert. Empfehlenswert sind daher ausreichend ge­räumige Kastenfallen mit ­sogenannten 'Köder-Auslösern'. Das sind Vorrichtungen, die es ermöglichen, dass das Tier zunächst in seiner vollen Größe samt Lunte in die Falle einschlieft, bevor es an den Köder und damit an den Auslöser kommt.

Schmackhafte Köder

Zur Beköderung eignen sich beispielsweise Katzentrockenfutter der Geschmacksrichtung 'Fisch' oder auch Frühstückscerealien (Müsli und Co.), welche Honig enthalten. Rosinen, Bananen oder ähnlich säurearmes Obst eignen sich ebenso als Köder. Es wird sogar altes Gebäck angenommen – Hauptsache süß und klebrig. Wenn jedoch im ­Revier Obstbäume stehen, sollte man bedenken, dass man in diesem Fall gegen das zeitweilig reichhaltige und ­begehrte Angebot der Natur 'anstinken' müsste, um den Pelzträger abzulenken. Hier lohnt es sich möglicherweise, zunächst die Obsternte abzuwarten, bevor man mit dem Beködern beginnt.
Die Kastenfalle sollte man jedoch schon zeitig an einem dafür geeigneten Standort ausbringen, damit sie die menschliche Wittrung verliert und den Ködergeruch annimmt. Passende Fallen­standorte finden sich überall an flachen Uferzonen von Gewässern, von Gräben, in der Nähe von charakteristischen Schlafbäumen in strukturreichen Altholzbeständen oder entlang bekannter Wildwechsel im Revier, die auch gern vom bequemen Waschbären genutzt werden. Ideal sind Zwangspässe an Uferböschun­gen oder über Bachläufen liegende Baumstämme.
Man beachte im Übrigen bei der Konstruktion der Falle, dass sie keinesfalls nur aus genageltem Material besteht, sondern dass die Verbindungen der Bretter allesamt verschraubt sein müssen. Ein gefangener Waschbär entwickelt sprichwörtliche 'Bärenkräfte', wenn er versucht, in die Freiheit zu entkommen. Eine schlecht zusammengefügte Kastenfalle bietet dem in Panik geratenen Tier meist genügend Angriffspunkte, um seine Krallen einzusetzen und die Falle letztlich zu zerlegen. Dabei besteht Verletzungsgefahr. Wenn man ausschließlich Waschbären fangen will, so ist es ausreichend, die Falle in der Abenddämmerung zu beködern und fängisch zu stellen und sie am Morgen nach der täglichen Kontrolle wieder zu sichern.
Hat man dann endlich einen 'Maskierten' gefangen, so ist bei dessen Bergung mit äußers­ter Umsicht und Ruhe zu Werke zu gehen. Waschbären sind wehrhaft und vermögen mit ihren Krallen und spitzen Zähnen auch durch einfache Arbeitshandschuhe zu dringen – was beim Jäger zu üblen Verletzungen führen kann. Am besten verwendet man eine trichter­förmige Reuse aus sehr festem Nylon oder einen Abfang­kasten, in welche man den Waschbären aus der Kastenfalle entlässt. Da­rin kann man ihn dann anschließend mit einem gezielten Fangschuss in den Waschbärhimmel schicken…
Ob bei der Bejagung mit Schusswaffe (z. B. .22 Hornet; Schrot 3,5 bis 4 mm) oder Falle – grundsätzlich sind die ­jeweiligen Landesjagdgesetze zu beachten. Mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland haben alle Bundesländer den Waschbären in die Liste der jagbaren Tierarten aufgenommen. Beachte die unterschiedlichen Jagdzeiten. Aufgrund der langen Mutter-Jungtierbindung sind vor Oktober nur Jungtiere zu bejagen. Auch ist erst ab Spätherbst der Balg ausgereift.
Ein gut gegerbter Wasch­bärenbalg ist außerordentlich wasserabweisend, strapazierfähig, isolierend und winddicht zugleich. Vor allem der Winterbalg, mit dem der Waschbär die kältesten Tage des Jahres entspannt in einer Baumhöhle oder unterirdisch verschläft, weist diese Eigenschaften auf.
Der Winterbalg des Waschbären lässt sich zu Rauchwerk verarbeiten.<br>(Foto: I. Bartussek)
Der Winterbalg des Waschbären lässt sich zu Rauchwerk verarbeiten.
(Foto: I. Bartussek)

Der Balg als Lohn

Dieser hochwertige Pelz weckte schon seit jeher Begehrlichkeiten bei den Trappern und Pelzhändlern vergangener Jahrhunderte und war zu jenen Zeiten in Nordamerika zeitweilig sogar ein anerkanntes Zahlungsmittel. Selbst die reichlich schonungslose Bejagung und der zunehmende Straßenverkehr unserer modernen Zeit vermochten bislang nicht, die Waschbärenpopulation in ihrem natürlichen Lebensraum ernst­haft zu gefährden. Doch die Mode änderte sich mit der Zeit und so trägt man heutzutage Pelze eher innen statt außen – beispielsweise als wärmendes Mantelfutter oder schmückenden Besatz für Kragen. Damit hat zwar selbst ein prächtiger Balg seine Bedeutung als wertvoller Rohstoff verloren, als Trophäe im Rahmen einer erfolgreichen Jagd ist er dennoch unübertroffen.

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