Organisation

Mit den Händen denken: Wie Lego-Steine Komplexität reduzieren

17.05.2023
Isabel Gehrer

LEGO® Serious Play® ist eine Methode der Workshop-Begleitung. Dr. Tanja Pohle, Head of Service Unit Organisation & Processes und zertifizierter Facilitator in dieser Arbeitsweise, nutzt sie gern im Rahmen von Transformations- und Veränderungsprozessen. Wir haben mit ihr über mögliche Fragestellungen und Anwendungsbeispiele in der Immobilienwirtschaft gesprochen.

Legosteine waren lange Zeit aus keinem Kinderzimmer wegzudenken. Dann wurde 1989 der Gameboy erfunden und der einstige Spielzeug-Bestseller in den Keller verbannt, wo er in farblosen Kartonkisten über Jahre ein trostloses Dasein fristete. Der Lego-Konzern geriet in finanzielle Schieflage, interne Strategieworkshops zur Verbesserung der Situation verliefen erfolglos. Unter anderem deshalb, weil 20 Prozent der Teilnehmenden angeblich 90 Prozent der Redezeit eingenommen hätten. Klingt vertraut? Wohl nicht von ungefähr.

Schliesslich entwickelte ein Team auf Anregung des damaligen Geschäftsführers Kjeld Kirk Kristiansen 1996 eine Alternative zu bekannten Workshop-Formaten, indem es die Bauklötzchen als Teil der Problemlösung einsetzte – LEGO® Serious Play® war geboren. Heute wird das Open Source Model auf der ganzen Welt verwendet, um die Kommunikation in Meetings zu verbessern, Probleme greifbar zu machen und geschäftliche Herausforderungen im Verbund zu lösen.

Auch pom+ nutzt die Workshop-Methode, um Kundinnen und Kunden bei der Reduktion von Komplexitäten in strategischen und transformativen Fragen zu begleiten. Dr. Tanja Pohle, unsere Expertin, erklärt im Interview, worum es geht.

Tanja, als Organisationsentwicklerin und New-Work-Spezialistin unterstützt du Unternehmen dabei, besser zusammenzuarbeiten und die dafür erforderlichen Prozesse und Arbeitsumgebung produktiv zu gestalten. Also ziemlich weitreichende Themen mit komplexen Fragestellungen. Wie passt da LEGO® Serious Play® mit rein?

Sehr gut, denn genau hier liegen die grossen Vorteile dieser Workshop-Methode. LEGO® Serious Play® hilft uns, die eigenen Werte und Wertvorstellungen preiszugeben. Wenn wir zum Beispiel herausfinden wollen, welche Ansprüche neu einzuführenden Prozesse erfüllen sollen, sind die Meinungen meistens schon gemacht und die Antworten in der Regel vorprogrammiert: effizient, nahtlos, kostengünstig und so weiter.

Mit LEGO® Serious Play® setzen wir eine Ebene tiefer an und lernen so beispielsweise, dass ein Gruppenmitglied Zuverlässigkeit über alles stellt und daher insbesondere darauf achtet, dass die definierten Abläufe in jedem Fall befolgt werden. Derweilen gewichtet seine Kollegin Kreativität viel höher und fordert, dass sie durch die neuen Workflows unterstützt und keinesfalls eingeschränkt werden. Die Antworten auf schwierige Fragen werden mit LEGO® Serious Play® also inhaltlich gehaltvoller, weil die Methodik Einblicke in die individuellen Vorstellungen einer perfekten Welt erlaubt.

Und wie müssen wir uns das plastisch vorstellen? Sitzt die Geschäftsleitung gemeinsam im Kreis und jede:r baut ein Haus?

Plakativ ausgedrückt durchaus. In Tat und Wahrheit ist es aber nicht ganz so simpel. In der Regel nutzen wir die Methode LEGO® Serious Play® als Ergänzung zu Strategiemeetings in Ganz- oder Halbtages-Workshops. Wir legen gemeinsam fest, welchen Fragen wir auf den Grund gehen wollen. Entweder geht es darum, individuelle Wertvorstellungen (z.B. bzgl. der Zusammenarbeit im Team) offen zu legen und zu verstehen, wie jedes Gruppenmitglied tickt. Dann baut in der Tat jede Person ein eigenes Modell mit den LEGO-Steinen, welches die Antwort auf definierte Fragen gibt (z.B. das ideale Team). Das Objekt hängt von der eingangs definierten Fragestellung ab und kann beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen zwei Standorten versinnbildlichen.

Oder aber die Gruppe baut gemeinsam an einem Gesamtmodell, auch Landscape-Modell genannt. Das setzen wir meistens dann ein, wenn es um strategische Fragen geht, wo die gemeinsame Haltung im Zentrum steht oder eine gemeinsame Strategie oder Vision entwickelt werden soll. Dann werden Werte und Haltungen im Team diskutiert und verhandelt, Gemeinsamkeiten festgestellt und Elemente aufgezeigt, die allen wichtig sind. LEGO® Serious Play® ist unter anderem deshalb so erfolgsversprechend, weil es hierarchische Strukturen aufbricht und Stimmführerschaften eliminiert.

Wie das?

Das hat mit den Grundregeln von LEGO® Serious Play® zu tun. Die sind einfach: Dein Modell, deine Story, deine Werte! Keine Geschichte ist wichtiger als die andere, kein Wert besser oder schlechter. Ausserdem werden alle Teilnehmenden gleichwertig eingebunden, weil sie sich auf den Bauprozess konzentrieren und weniger auf das Gegenüber.

Gibt es noch andere Regeln, die es zu beachten gibt?

Ja, einige. Die wichtigste und gleichzeitig ungewohnteste für viele Managementteams ist der Umstand, dass es keinen eigentlichen Moderator, keine Moderatorin gibt. Stattdessen gibt es einen Flowmaster, oder auch Facilitator. Wir begleiten die Teilnehmer:innen in ihrem persönlichen Prozess und stellen sicher, dass alle ihrem Rhythmus folgen und sich dort entfalten können.

Lego Facilitator ist ja eine geschützte Bezeichnung, du wurdest nach der Methode LEGO® Serious Play zertifiziert. Für welche Aufgaben bist du in dieser Rolle verantwortlich und inwiefern unterscheiden sie sich dabei von deinen Tätigkeiten in regulären Workshops?

Meine Aufgaben als Facilitator bei einem LEGO® Serious Play® Workshop bestehen primär darin, den Rahmen vorzugeben und das kreative Schaffen zu ermöglichen. Dies wird unter anderem durch Musik unterstützt. Sie hilft, sich auf die eigene Welt einzulassen und auf den Gestaltungsprozess zu konzentrieren. Ausserdem erhöht sie die Freude und den Spass. Viele Manager:innen sitzen ja regelmässig in strategischen Meetings und Workshops. Für viele ist diese Form der Zusammenarbeit eine willkommene Abwechselung.

Sehr wichtig ist in meiner Rolle auch die Fähigkeit, sich inhaltlich zurückzuhalten. Im Gegensatz zu anderen Workshop-Methoden nehme ich keine thematische Gewichtung oder Steuerung vor. Diese Methode setzt voraus, dass der Auftraggeber, die Auftraggeberin offen sind für alle Ergebnisse. Denn Kreativitätsmethoden bringen eben auch neue Aspekte hervor, welche nicht hervorgesehen wurden.

Und inwiefern kann ohne inhaltliche Priorisierung ein handfestes Ergebnis garantiert werden?

Indem wir die Vorarbeit ernst nehmen. Das heisst, wir legen grossen Wert darauf, die richtigen Fragen korrekt zu stellen. Korrekt bedeutet im Fall der Methode LEGO® Serious Play®, die Fragen offen zu stellen. Wir wollen also nicht herausfinden, ob fixe Arbeitsplätze oder Desksharing sich besser eignen. Stattdessen fragen wir, wie das ideale Arbeitsumfeld aussieht.

Für welche weiteren Fragen eignet sich für LEGO® Serious Play®?

Grundsätzlich eignen sich alle Fragen, die mit Organisationsentwicklung, Transformation und Change Management einhergehen. Also ganz klassisch: Was ist unsere Vision für die Zukunft, wohin wollen wir uns entwickeln und welche Strategie ist dafür geeignet. Immer häufiger behandeln wir in Workshops aber auch explizite Herausforderungen wie den Fachkräftemangel. So wollen viele unserer Kundinnen und Kunden aktuell wissen, wie sie die Rekrutierung anpassen sollen. Dann finden wir dank LEGO® Serious Play® heraus, wie die ideale Firma für jedes Gruppenmitglied aussieht und was die persönlichen Horror-Vorstellungen sind. 

Dazu bauen wir dann Prototypen aus Lego und diskutieren sie. Die Forschung hat bewiesen, dass die Arbeit mit unseren Händen Kreativitätsprozesse fördert. Wir überlegen die Fragen ganz anders, wenn wir nicht nur rein kognitiv darüber brüten.

Spannend. Wenn wir das nun ganz konkret auf die Immobilienwirtschaft eingrenzen - welche Fragen werden da häufig diskutiert?

Da gibt es eine Vielfalt an relevanten Fragestellungen. Die digitale Transformation, sinkende Renditen, der Einzug der Gen Z in die Arbeitswelt, der Fachkräftemangel, die agile Bau- und/oder Arbeitsweise, die steigenden Anforderungen an nachhaltige Gebäude, die zunehmende Komplexität der technischen Systeme…– das Zusammenspiel zwischen Organisation, Immobilien, Daten und IT-Systemen wird immer komplexer. 

Immer mehr Unternehmen suchen nach Antworten auf diese Herausforderungen, immer mehr Führungs- und Fachkräfte beschäftigen sich eingehend mit der strategischen Ausrichtung und suchen nach der passenden Vision in einer vernetzten Zukunft. In diesem Zusammenhang erhalten wir viele Anfragen zur Organisationsentwicklung, zu Geschäftsmodellen oder neuen Arbeitswelten. Wobei die Immobilienwirtschaft gerade bei letzterem natürlich  besonders interessant ist, da hier die räumlichen Komponenten sehr gezielt hinterfragt werden. So ist der Wunsch nach einer Veränderung der Nutzungsflächen häufiger Auslöser für eine Anfrage. Wenn wir die Problematik dann aber weiterspinnen, merken wir, dass es eher um klassische Fragestellungen im Bereich Workplace Solutions und Zusammenarbeit geht.

Darüber hinaus nutzen wir LEGO® Serious Play® in der Immobilienwirtschaft auch immer mehr zur Beantwortung von objekt- oder gar portfoliospezifischen Themen. So sind wir aktuell mit der Immobilienabteilung eines global tätigen Unternehmens daran herauszufinden, wie die perfekte Site Experience aussehen soll. Diese Frage kommt auch häufig bei Campus- oder Arealentwicklungen auf. Ebenso nehmen Anfragen im Bereich der Produkt- und Projektentwicklung im Rahmen der SIA-Phasen 1 und 2 stetig zu.


Über die Expertin

Dr. Tanja Pohle ist ausgewiesene Organisationsentwicklerin und. New-Work-Spezialistin. Sie leitet die Service Unit Organisation & Processes bei der pom+ Consulting AG und unterstützt Firmen darin, ihre unternehmerische DNA in eine identitätsstiftende Arbeitsumgebung zu übersetzen. Als studierte Bauingenieurin und Baubetriebswissenschafterin weiss sie um die Relevanz der räumlichen Umgebung auf die menschliche Produktivität. In ihrer Tätigkeit fokussiert sie auf Workplace Solutions und Change Management in der digitalen Transformation. Sie ist zertifizierter Design-Thinking Coach, LEGO® Serious Play® Facilitator und hat einen MBA in Business Engineering der Universität St. Gallen (HSG).


So unterstützt pom+ mit LEGO® Serious Play®

Es spielt keine Rolle, ob Sie sich schon mitten im Transformationsprozess befinden und spezifische Herausforderungen behandeln wollen oder noch über den Wandel und die damit verbundenen Veränderungen diskutieren – wir begleiten Sie gern mit einem individuellen Angebot in fünf Schritten:

1. Entwicklung der Zielsetzung und Fragestellung
2. Aufbau und Design des Workshops
3. Durchführung des Strategie-Workshops anhand der LEGO® Serious Play® Methodik
4. Dokumentation der Ergebnisse
5. Nachbereitung und Handlungsempfehlungen

 


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