COVID-19-Therapieoptionen
Corona-Pandemie
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Untersuchung zu Training mit ätherischen Ölen nach COVID-19: Riechtraining bei Geruchs­verlust hilft nur bei manchen

Frau mit kurzem Afro riecht an Fläschchen mit ätherischem Öl
Ein Riechtraining bei Geruchsverlust nach einer Corona-Infektion kann vielleicht helfen, den Geruchssinn wiederherzustellen. | Bild: Andrey Popov / AdobeStock

Nicht mehr riechen und schmecken zu können, sind immer wieder berichtete Symptome einer COVID-19-Erkrankung. Meist bleiben diese Beschwerden auch nach der Infektion noch eine Weile bestehen. Laut aktueller Leitlinie kann sich ein Long/Post-COVID-Syndrom in verschiedenen Symptomen äußern: 

  • Fatigue,
  • Dyspnoe (Ruhe-/Belastungs-)Husten,
  • Kopfschmerzen,
  • Riech- und Schmeckstörungen,
  • Schlafstörungen,
  • allgemeine Schmerzen und
  • psychische Beschwerden.

Während die Fatigue viele verschiedene Ursachen haben kann, hat ein plötzlicher Riechverlust bei Patienten ohne nasale Obstruktion eine hohe Spezifität und Sensitivität für COVID-19. Eine sehr deutliche Einschränkung beziehungsweise den Verlust des Riechvermögens nennt man auch Anosmie. Tritt diese neu auf, sollte auf SARS-CoV-2 getestet und einer Weiterverbreitung des Virus vorgebeugt werden.

Riechstörungen verschwinden nach einigen Monaten meist wieder

Die Riech- und Schmeckstörungen verschwinden oder bessern sich innerhalb von ein bis zwei Monaten beim Großteil der Patienten, heißt es in der Long/Post-COVID-Leitlinie. Ist jedoch nach vier bis zwölf Wochen keine Verbesserung zu bemerken, „sollte eine neurologische oder HNO-ärztliche Vorstellung erfolgen, mit Anamnese (v. a. auch mit Blick auf alternative Ursachen)“. 

Nach ärztlicher Abklärung kann dann „eine Therapie mit konsequentem, strukturiertem ‚Riechtraining‘ versucht werden“, heißt es. Die Hoffnung dahinter ist, so die Regeneration olfaktorischer Rezeptorneuronen anzuregen. 

Wie wird das Riechtraining bislang durchgeführt?

Als übliche Düfte werden in der Long/Post-COVID-Leitlinie Rose, Zitrone, Eukalyptus und Gewürznelke genannt. An jedem der vier Düfte soll morgens und abends jeweils 30 Sekunden gerochen werden – über einen Zeitraum von Wochen und Monaten, bis sich das Riechvermögen wieder normalisiert hat. Wie das Riechtraining dabei konkret durchzuführen ist, wird in der Leitlinie nicht beschrieben. 

In einer Pressemitteilung der Apothekerkammer Niedersachsen vom Januar 2022 hieß es, dass während des Trainings die Reihenfolge der Düfte wechseln und durch Pausen getrennt sein sollte. „Die Übung sollte rund 15 Minuten dauern.“ Außerdem wurde empfohlen, während des Riechtrainings zu stehen oder aufrecht zu sitzen. Man solle ruhig und gleichmäßig ein- und ausatmen. Jeder Duft solle für vier bis fünf Sekunden unter ein Nasenloch gehalten werden, während das andere mit dem Zeigefinger von außen durch Drücken verschlossen wird. Nach zwei bis vier Wiederholungen solle auf das andere Nasenloch gewechselt werden. 

Düfte bewusst wahrnehmen und benennen

In einem von Professor Hummel (TU Dresden, Leitung des Arbeitsbereiches „Riechen und Schmecken“) entwickelten Riechtraining wird empfohlen, zweimal täglich (morgens und abends) für je 30 Sekunden an vier Düften zu riechen. Die Düfte sollen

  • frisch/klärend (Eukalyptus oder Pfefferminz),
  • lieblich (Rose),
  • sauer (Limette, Zitrone, Grapefruit) oder
  • bitter (Gewürznelke) sein.

Man könne die Düfte auf Wattestäbchen, Vlies oder Watte auftragen. Es gehe nicht darum, die Düfte wie bei einem Rätsel zu „erriechen“. Vielmehr sollen die vier Düfte bewusst wahrgenommen und sogar die Namen der Düfte aufgesagt werden. Durch die Verknüpfung von Duft und Wort könne sich das Gehirn den Duft besser merken.

Wer zunächst nur wenig oder nichts riecht, sollte durchhalten. Sind die Düfte zu intensiv, kann mit Wasser oder geruchsneutralem Öl verdünnt werden, heißt es.

Fünfarmige Studie untersucht Effekt von Riechtraining

Ob dieses Training tatsächlich helfen kann, untersuchten Forschende aus den USA jüngst in einer fünfarmigen, einfach verblindeten Studie mit 275 erwachsenen Probanden, die im Rahmen einer COVID-19-Infektion ihre Fähigkeit zum Riechen eingebüßt hatten. 

Während die Probanden im Kontrollarm über den dreimonatigen Untersuchungszeitraum kein Riechtraining durchführten, übten die Nichtriechenden in den übrigen vier Gruppen zweimal täglich. Hierbei rochen sie jeweils für 15 Sekunden an vier verschiedenen ätherischen Ölen. Die Hälfte der Teilnehmenden wählte die vier Öle hierfür selbst aus, die andere Hälfte übte mit den vorgegebenen Sorten Rose, Zitrone, Eukalyptus und Nelke.

Zusätzlich wurde das Training in zwei der vier Gruppen (einer Gruppe mit frei gewählten und einer Gruppe mit vorgegebenen Düften) bimodal durchgeführt. Das bedeutet, dass die Teilnehmenden, während sie am Öl rochen, ein zugehöriges Bild anschauten.

Zu Beginn und am Ende der drei Monate führten alle Teilnehmenden einen Riechtest durch. Zusätzlich gaben sie auch an, ob sie eine Verbesserung/Verschlechterung ihres Geruchssinnes über die drei Monate feststellten und inwieweit sie sich durch Geruchsstörungen in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sehen.

Riechtraining: Kaum Besserung, viel Aufwand

Die gute Nachricht: Das Riechvermögen der Probanden verbesserte sich im Laufe der Zeit – jedoch im Schnitt nur wenig und in allen Studienarmen inklusive der Kontrollgruppe ohne signifikante Unterschiede. Es gab allerdings in allen fünf Kohorten sogenannte „Responder“, die eine deutliche Verbesserung ihres Riechvermögens erlebten. 

Den höchsten Responder-Anteil hatte mit 53 Prozent der Studienarm des bimodal mit Lieblingsdüften durchgeführten Geruchstrainings. Zum Vergleich: in der Kontrollgruppe war der Responderanteil mit 24 Prozent deutlich niedriger. Letztere Kohorte schnitt auch in puncto subjektiver Verbesserung des Riechvermögens (19% vs. 46% in der bimodalen Gruppe mit Standarddüften) und Lebensqualität (38% vs. 50% in der bimodalen Gruppe mit Lieblingsdüften) am schlechtesten ab.

Fazit: Individuell entscheiden und Lieblingsdüfte wählen

Ob sich der nicht unerhebliche Aufwand eines Riechtrainings angesichts dieser eher verhaltenen Ergebnisse lohnt, ist fraglich. Berät Apothekenpersonal hinsichtlich eines Riechtrainings, so kann es über die durchwachsene Erfolgsaussicht aufklären und die Entscheidung den jeweiligen Betroffenen überlassen. 

Der Hinweis, dass sich der Geruchssinn in der Regel, wenn auch manchmal nur langsam, erholt, dürfte vielen Betroffenen Mut machen. Das Training bimodal und mit den eigenen Lieblingsdüften durchzuführen kann jedenfalls nicht schaden.

Gut zu wissen: Einschränkungen des Riechtrainings

Bei Asthmatikern wird vor der Anwendung reiner ätherischer Öle gewarnt. Dann soll beispielsweise eher zu aromatisierten Massageölen gegriffen werden. Zudem haben reine ätherische Öle bei Kindern nichts zu suchen. 

Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung erklärt, sind unverdünnte ätherische Öle nicht für Säuglinge und Kleinkinder geeignet. „Schon kleinste Mengen (z. B. wenige Tropfen), die in Mund oder Nase geraten, können bei Säuglingen und Kleinkindern zu lebensbedrohlichen Verkrampfungen des Kehlkopfs und zu Atemstillstand führen.“ Weitere unerwünschte Wirkungen seien Haut- und Schleimhautreizungen, Erbrechen, Bewegungsstörungen oder sogar Krampfanfälle.

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