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Derivatehandel: Wie das FinfraG Organisationen ausserhalb des Finanzsektors beeinflusst


Sebastian di Paola
Partner and Leader Corporate Treasury Solutions

Für Schweizer Firmen, die mit derivativen Finanzinstrumenten handeln, erscheint ein neues Regulierungsinstrument am Horizont. Das anstehende Schweizer Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) wird nicht nur die Finanzdienstleistungsindustrie, sondern auch andere Schweizer Organisationen beeinflussen, die mit Derivaten handeln.

Regulatorische Änderungen sind in der Vorbereitung, da die Schweiz einen Schulterschluss mit der internationalen Gemeinschaft sucht. Am 19. Juni 2015 nahm das Parlament das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) in der Schlussabstimmung an. Es tritt am 1. Januar 2016 in Kraft. Die neue Gesetzgebung sieht Regularien vor, die denen der Europäischen Union (Europäische Marktinfrastrukturregulation für Derivate, EMIR) und der USA (Dodd-Frank Act) ähneln. 2009 veröffentlichten die G20-Staaten Verfahren zur Regulierung des Derivatehandels, um das Risiko der Marktinstabilität zu reduzieren. Die EMIR-Regulation wurde in der Folge im Jahr 2012 von der Europäischen Kommission verabschiedet. Da die meisten derivativen Transaktionen in der Schweiz mit Gegenparteien in der Europäischen Union erfolgen, soll das FinfraG eine Angleichung an die regulatorischen Umgebungen herbeiführen, um systemische Gegenparteirisiken zu reduzieren und die Transparenz des Derivatemarktes sicherzustellen. Die Änderung wird dazu beitragen, dass der Zugang zu den internationalen Märkten transparent bleibt. Auch stellt das Gesetz eine Chance für die betroffenen Firmen dar, die Reife bestehender Risikomanagementsysteme erneut auf den Prüfstand zu stellen. Für die Umsetzung des neuen Standards wurden Übergangszeiträume vorgesehen. Die erste Verpflichtung des FinfraG ist die Ausarbeitung schriftlicher Dokumente, in denen dargelegt ist, wie die Organisationen die Umsetzung des FinfraG bis 1. Januar 2016 planen. Weitere Verpflichtungen treten in den nachfolgenden Phasen in Kraft.

Betroffene Unternehmen

Die neue Gesetzgebung ist breit aufgestellt und gilt für alle Organisationen, die einen registrierten Sitz in der Schweiz haben und mit derivativen Finanzinstrumenten handeln. Firmen werden je nach Art des Geschäfts und dem Umfang und der Art des Derivatehandels einer der vier Gegenparteiklassifizierungen (vgl. Abbildung 1) zugeordnet. Diese Kategorien bestimmen wiederum, welchen Anforderungen des FinfraG das Geschäft entsprechen muss.


Abbildung 1: Kategorien gemäss FinfraG

Im Allgemeinen kann eine Organisation ihre Klassifizierung nach dem Standard in (Abbildung 1) bestimmen. Da dieser Standard jedoch bestimmte Nuancen bei der Bestimmung offen lässt, kann es für Organisationen hilfreich sein, einen Gutachter einzuschalten.

In welche Kategorie gehören Sie?

Definition eines Derivats nach dem FinfraG

Der Standard definiert Derivate allgemein als Finanzverträge, die keine Kassatransaktionen sind und deren Wert von einer anderen Basis (wie einem Zinssatz, Wechselkurs oder Rohstoffpreisindex) abhängt. Derivatkontrakte für Strom und Gas sind unter bestimmten Bedingungen von dieser Definition ausgeschlossen. Das Gesetz schliesst darüber hinaus strukturierte Produkte, Rückkäufe und Wertpapierleihgeschäfte, Optionsscheine sowie Verträge zur physischen Abrechnung von Waren aus. Die letzte Ausnahme ist besonders für Schweizer Organisationen ausserhalb des Finanzdienstleistungssektors von Bedeutung. Zum Beispiel wäre ein Unternehmen, das mit Holz handelt und dies über Holzterminkontrakte abwickelt, von den Bestimmungen des FinfraG für diese Art von Geschäft befreit, vorausgesetzt, dass die Terminkontrakte nur zur physischen Lieferung führen.

Massnahmen der Geschäftsleitung bei kleinen nichtfinanziellen Gegenparteien

Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Organisationen ausserhalb des Finanzdienstleistungssektors wird als kleine nichtfinanzielle Gegenpartei eingestuft werden und wird vergleichsweise wenige Anforderungen des Gesetzes erfüllen müssen, die unten aufgeführt sind. Die Geschäftsleitung einer kleinen nichtfinanziellen Gegenpartei ist verpflichtet, Prozesse und Kontrollen einzurichten, damit die Organisation verschiedene Leistungsanforderungen erfüllen kann.

  • Reporting: Ausser Transaktionen zwischen zwei kleinen nichtfinanziellen Gegenparteien unterliegen alle börsengehandelten und OTC-Derivate-Transaktionen dem Reporting an ein durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) autorisiertes oder anerkanntes Transaktionsregister. Dies gilt ebenso für konzerninterne Derivate. Im Gegensatz zur EMIR-Verordnung ist gemäss dem FinfraG nur eine der Gegenparteien zum Reporting verpflichtet. Im Standard wird eine hierarchische Ordnung vorgeschrieben, die festlegt, welche Gegenpartei bei einem Geschäft dem Reporting unterliegt. In diesem Fall wäre die Partei, die ein Reporting abgibt, normalerweise keine kleine nichtfinanzielle Gegenpartei.
    In einigen Situationen jedoch, z. B. wenn die handelnde Gegenpartei nicht dem FinfaG untersteht, kann eine kleine nichtfinanzielle Gegenpartei zur Partei werden, die das Reporting abgibt.
  • Risikominderung: OTC-Derivate (ausser Währungsswaps und Termingeschäfte), die nicht über eine zentrale Gegenpartei ein Clearing durchführen, müssen Anforderungen zur Risikominderung erfüllen. Die Anforderungen, die für kleine nichtfinanzielle Gegenparteien gelten, umfassen (i) die Bestätigung der vertraglichen Bedingungen der derivativen Transaktionen mit den Gegenparteien, (ii) die Aufstellung von Verfahren zur Anerkennung und Schlichtung von Streitigkeiten mit Gegenparteien zu einem frühen Zeitpunkt und (iii) eine mindestens halbjährliche Portfoliokompression [1], wenn sie mehr als 500 offene OTC-Transaktionen halten, für die kein zentrales Clearing durchgeführt wird. Kleine nichtfinanzielle Gegenparteien sind von der Anforderung, offene Derivatepositionen täglich zu bewerten, sowie von der Verpflichtung zum Austausch von Sicherheiten mit den Gegenparteien befreit.

[1] Die Portfoliokompression ist eine Methode zur Reduzierung der gesamten theoretischen offenen Derivate und somit zur Verminderung des Gegenparteirisikos. Sie wird erreicht, wenn zwei oder mehrere Gegenparteien Derivate in ein Portfolio einbringen, das terminiert und durch einen Surviving Derivativekontrakt ersetzt wird, dessen theoretischer Wert geringer ist als der theoretische Gesamtwert der vorherigen Instrumente.

Abbildung 3: Pflichten aus dem FinfraG

  Finanzielle Gegenparte Kleine finanzielle Gegenpartei
Nichtfinanzielle Gegenpartei
Kleine nichtfinanzielle Gegenpartei
Zentrales Clearing
X   X  
Reporting X X X X
Risikominderung
Betriebsrisiken X X X X
Tägliche Bewertung offener Positionen X   X  
Austausch von Sicherheiten 
X X X  
Plattformtrading  X   X  

Bedeutung für Schweizer Firmen

Ist Ihre Organisation bereit für das FinfraG? Das FinfraG wird für unterschiedliche Organisationen eine unterschiedliche Bedeutung haben. Wie wir beim Inkrafttreten der EMIR-Verordnung in der Europäischen Union gesehen haben, werden Firmen in grossem Masse davon profitieren, dass sie ihre Folgenabschätzungen und die Umsetzung von Lösungen frühzeitig vornehmen.
Kleine nichtfinanzielle Gegenparteien werden erkennen, dass die Reportingverpflichtungen für den Derivatehandel in den meisten Fällen durch die Gegenpartei getragen werden. Diese Organisationen werden nichtsdestotrotz alle potenziellen Reporting-Verpflichtungen identifizieren und die Standards für das Betriebsrisikomanagement einhalten müssen, einschliesslich Bestätigung der vertraglichen Bedingungen; sie werden Verfahren für das Risikomanagement und die Streitschlichtung aufstellen und bei grösseren Portfolios eine Portfoliokompression durchführen müssen. Kleinere Organisationen werden vielleicht sehen, dass ein Gesundheitscheck ihrer bestehenden Politik und ihrer Praktiken eine hinreichend pragmatische Antwort ist. Auditoren kleiner nichtfinanzieller Gegenparteien müssen nun zusätzlich die Compliance einer Organisation mit dem FinfraG auditieren und ihre Ergebnisse dem Verwaltungsrat präsentieren. Wir ermutigen Unternehmen dazu, ihre Auditoren in ihre Lösungen miteinzubeziehen und ihre Bedürfnisse in Bezug auf die Compliance zu diskutieren.

Fazit

Wirtschaftsprüfer können wertvolle Einblicke in die Roadmap eines Unternehmens auf dem Weg zur Compliance bieten, denn sie werden am Ende berichten müssen, ob die Compliance mit dem Standard bei jedem Unternehmen erreicht ist. Ist Ihre Organisation bereit für das FinfraG?

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Sebastian di Paola

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Chairman, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 96 03

Michiel Mannaerts

Michiel Mannaerts

Partner Treasury and Commodity Management, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 92 10

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