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Das Anna und ihr Hund. Weibliche Hundenamen im Neutrum?
Linguistik online, vol. 107, núm. 2, pp. 99-124, 2021
Universität Bern

Artikel/Articles


DOI: https://doi.org/10.13092/lo.107.7689

Abstract: In numerous German dialects and in Luxembourgish women or girls are referred to in the neuter. This raises the question whether this is also the case for female animals. Based on data from the research project “Das Anna und ihr Hund – Weibliche Rufnamen im Neutrum”, the present article examines the gender of names and pronouns referring to dogs. Dogs today are no longer kept primarily to perform functions (guard dog, herding dog) but rather as pets and companions. This is also reflected in the fact that dogs are given names. In general, these clearly mark the sex of the dog.

In the dialects we investigated pronouns, which refer to female dogs, are predominantly masculine, not feminine or neuter. Sex-specific appellatives are not used either. In addition, the assignment of the neuter gender to dogs’ names (e.g. s Frida) occurs much less frequently than to first names of women (e.g. s Anna). The functions of the socio-pragmatic neuter when referring to women, such as marking age, status, or gender roles, rarely appear to play a role when referring to dogs. Only in Luxembourgish, where the neuter primarily marks female sex, are female animals referred to more often with neuter forms.

1 Einleitung

In vielen deutschen Dialekten und im Luxemburgischen stehen Kongruenzformen (nicht-diminuierter) weiblicher Rufnamen nicht wie im Standarddeutschen (nur) im Femininum, sondern im Neutrum. Neutrales Genus kann dabei am Definitartikel (s Annette, et Miriam), aber auch am Personalpronomen ((e)s, (e)t, hatt) und Possessivartikel (em Alina sei Stoffdier, menger Schwëster säi Buch) auftreten. Dieses überregionale Phänomen betrifft v. a. westmitteldeutsche Dialekte und das Luxemburgische, aber auch das Alemannische inkl. Elsass und Schweiz (cf. Baumgartner et al. 2020).1

Femininum und Neutrum fungierten historisch als Statusmarker (Busley/Fritzinger 2018; Busley/Fritzinger 2020): Das Neutrum referierte auf sozial niedriggestellte und abhängige unverheiratete Frauen, das Femininum auf sozial höhergestellte und verheiratete Frauen. Es versteht sich von selbst, dass sich solch ein sozial klassifizierendes System auf die menschliche Referenz beschränkt. Das System hat sich insofern gewandelt, als gegenwärtig nicht nur Alter und Status, sondern besonders die persönliche Beziehung zwischen sprechender Person und Referentin genusbestimmend sind. In westmitteldeutschen Dialekten und im Luxemburgischen ist das Neutrum darüber hinaus grammatikalisiert: Weibliche Rufnamen sind immer neutral und werden in aller Regel auch neutral pronominalisiert.

Dieser Beitrag beleuchtet die Genuszuweisung bei der dialektalen Referenz auf weibliche Tiere. Dabei fokussieren wir uns auf das Haustier Hund, zu dem uns Sprachdaten aus dem Forschungsprojekt vorliegen. Während es erste Studien zur onymischen Sexusmarkierung bei Tieren gibt (zu Hundenamen cf. Schaab 2012; zu appellativen Tierbezeichnungen cf. SchmidtJüngst/Späth in Vorb.), sind Namenund Pronominalgenus auch für das Standarddeutsche bislang gänzlich unerforscht. Hier setzt der vorliegende Beitrag mit seiner Dialektstudie an. Es interessiert dabei nicht nur, ob sich das soziopragmatische Neutrum über den Humanbereich ausgedehnt hat. Dialektale Belege, in denen weibliche Hundenamen weder im Femininum noch Neutrum stehen, sondern sogar – dem Genus-Sexus-Prinzip widersprechend – maskulin pronominalisiert werden, sprechen dagegen, dass Hunde überhaupt als sexuierte Individuen konzeptualisiert werden, cf. Beispiel (1):

(1) Zack wor Luzzi fott över Hegge. Nah en halv Stund kohm e widde. […] Der wor hee aafjehoue, jenau.

‚Zack war Lucy fort über die Hecken. Nach einer halben Stunde kam er wieder. [...] Der war hier abgehauen, genau.‘

(Interview, Merken, Ripuarisch, männl., 79 J.)

Selbst weibliche Hundenamen im Maskulinum sind belegt, z. B. der Bessy. Besonders aber für Varietäten mit grammatikalisiertem Neutrum, in denen Rufnamen für Frauen immer neutral sind, ist es denkbar, dass dies auch für Tierweibchen gilt. Für das Luxemburgische bestätigt dies Döhmer (2016: 20), und auch luxemburgische Internetbelege sprechen dafür, cf. Beispiel (2):

(2) Um Wandhaff ass an der Sylvesternuecht e grousse wäissen Hond fortgelaf, e Berger des Pyrénées. Et ass eng Mudder déi op den Numm Lili lauschtert, et ass awer ganz schei a leeft eventuell fort wa friem Leit op et duer kommen. Wien et fënnt sollt also am beschten direkt op dës Nummer uruffen [...].

‚In Windhof ist an der Silvesternacht ein großer weißer Hund fortgelaufen, ein PyrenäenSchäferhund. Es ist eine Hündin, die auf dem Namen Lili hört, es ist aber ganz scheu und läuft eventuell fort, wenn fremde Menschen auf es zukommen. Wer es findet, sollte also am besten direkt auf dieser Nummer anrufen [...].‘

Radio RTL Luxembourg (2019)

Neutrale, auf Tiere referierende Pronomen finden sich auch im Walserdeutschen der Sprachinseln Issime und Gressoney (cf. Zürrer in diesem Band).

Im Fokus steht also nicht nur die Frage, ob Sexuskongruenz mit dem Neutrum oder dem Femininum hergestellt wird, sondern ob Sexus überhaupt markiert wird. Damit leistet die vorliegende Untersuchung sowohl einen Beitrag dazu, den Referenzbereich des soziopragmatischen Neutrums abzustecken als auch referentielle Mensch-Tier-Differenzen aufzudecken. In Abschnitt 2 geben wir zunächst einen Abriss über die dialektale Genussteuerung bei menschlichen Referentinnen. In Abschnitt 3 rückt die Namengebung bei Hunden in den Fokus, die u. a. in der Studie von Schaab (2012) untersucht worden ist, und die sich anhand von Hundenamen-Belegen aus Dialektwörterbüchern historisch zurückverfolgen lässt. Dabei wird auch das Genus weiblicher Hundenamen thematisiert. Aktuell ist ein Wandel vom Hund als Nutzzum Haustier bzw. Familienmitglied zu beobachten, der auch auf die Namengebung einwirkt: Sexusmarkierung, Individualisierung und Anthroponymisierung nehmen bei Hundenamen zu.2 Dies sehen wir als notwendige Bedingung dafür, dass das neutrumauslösende Konzept ‚Vertrautheit‘ auch die Mensch-Hund-Beziehung umfassen kann. Abschnitt 4 gibt einen kurzen Überblick über (dialektale) appellative Hundebezeichnungen und thematisiert deren Sexusmarkierung ebenfalls. Abschnitt 5 untersucht die dialektale Referenz (Namen, Lexik, Pronomen) auf Hunde anhand der im Projekt gewonnenen Sprachdaten. Zugrunde liegen Online-Erhebungen (OnlineFragebögen, luxemburgische Spracherhebungs-App Schnëssen) und direkte Informantenbefragungen. Es zeigt sich, dass Sexusmarkierung mittels Genus, Morphologie und Lexik bei Hunden tatsächlich nur marginal ist und damit auch das soziopragmatische Neutrum selten auf Hündinnen referiert. Varietätenspezifische Unterschiede werden bei den Auswertungen berücksichtigt. Abschnitt 6 zieht ein Fazit und diskutiert diese starken Abweichungen von der menschlichen Referenz.

2 Das Neutrum für Frauen

Das soziopragmatische Neutrum erstreckt sich weit über den deutschen Sprachraum (cf. Baumgartner et al. 2020). Das Hauptareal mit hoher Gebrauchsfrequenz liegt gegenwärtig im Westmitteldeutschen (Luxemburgisch, Moselfränkisch, Ripuarisch) und ragt von dort ins Niederfränkische (inkl. Niederlande) und Westfälische hinein. Nach Osten setzt sich die Verbreitung über das nördliche Zentralhessische und Nordhessische bis ins Westthüringische fort, nach Süden über das Westrheinfränkische und das Niederalemannische (inkl. Elsass) bis in die alemannischen Dialekte der Schweiz. Eine Auswertung älterer Mundartbeschreibungen zeigt jedoch, dass die Verbreitung historisch ausgedehnter war und beispielsweise auch das Ostthüringische, Ostfälische und Schwäbische umfasste (cf. Busley 2019). Der Abbau ist besonders im Norden dem allgemeinen Rückgang der Dialekte geschuldet, im Süden verschwinden die Neutra zunehmend aus dem Dialekt jüngerer Sprechergenerationen.

Nicht nur die Verbreitung der Neutra, sondern auch ihre Soziopragmatik weist diachrone Veränderungen auf. Wie Untersuchungen des älteren Genuszuweisungssystems zeigen, dienten Neutrum und Femininum ursprünglich als Statusanzeiger (Busley/Fritzinger 2018; Busley/Fritzinger 2020; Busley 2019). Historischer Prototyp des Neutrums war die unverheiratete Bauerntochter, womit das Neutrum auf den kindlichen Status sozial niedriggestellter, lediger Frauen Bezug nahm. Das Femininum referierte auf den weiblichen Hausvorstand, d. h. die Ehefrau und Mutter, aber auch auf Frauen höheren Geburtsstandes.

Diachron wurde der Familienstand als sozial differenzierendes und damit genusbestimmendes Merkmal abgebaut und die Genera haben sich zu Beziehungsanzeigern gewandelt: Das Neutrum gilt vertrauten, das Femininum wenig vertrauten bzw. fremden Frauen und Mädchen. Besonders bei unbekannten Referentinnen ist das Alter genusbestimmend, indem das Neutrum auch auf fremde Mädchen referieren kann. Dem alten und neuen System bleibt gemein, dass es ausschließlich weiblichen Personen gilt.3 Es haben sich jedoch dialektale Unterschiede herausgebildet, die insbesondere die Frequenz des Neutrumgebrauchs sowie die Reichweite der soziopragmatischen Steuerungsfaktoren betreffen (siehe Baumgartner et al. 2020; Busley/Fritzinger 2020; Busley/Fritzinger in diesem Band). Zwar zeigt das Neutrum überall ein Näheverhältnis zur Referentin an, seine Gebrauchsdomäne kann jedoch unterschiedlich extendiert sein. Im oben beschriebenen Kernareal ist der Definitartikel weiblicher Rufnamen stets neutral. Starke Inflationierung hat hier zu einer Grammatikalisierung geführt, der Rufname reicht als Neutrumauslöser. Soziopragmatische Nuancen wie ein bestimmter, für das Neutrum erforderlicher Vertrautheitsgrad sind abgebaut. Anaphorische Proformen weiblicher Rufnamen sind im Kerngebiet ebenfalls in der Regel neutral. Besonders im Luxemburgischen hat sich das Neutrum zum sexuskongruenten Normalwert entwickelt, das Femininum ist dem Ausdruck besonderen Respekts vorbehalten (cf. Martin 2019).

Im südlicheren Rheinfränkischen und Niederalemannischen ist das Neutrum weniger frequent. Hier ist bei weiblichen Rufnamen, je nach Dialekt, paradigmatische und/oder syntagmatische Genusvariabilität zu beobachten (die.das Anna . es.sie). Dass es die Beziehung zur Referentin erlaubt, auf sie mit dem Rufnamen referieren zu dürfen, ist notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Neutrum. Vielmehr ist ein bestimmter Vertrautheitsgrad erforderlich, sodass im Neutrum möglicherweise auf die Schwester und enge Freundinnen, nicht aber auf geduzte Arbeitskolleginnen Bezug genommen werden kann. Femininum und Neutrum sind also beide sexuskongruent, die Zuweisung wird durch weitere soziale Faktoren entschieden.

In schweizerdeutschen Dialekten (Hochund Höchstalemannisch) beschränkt sich das Neutrum in der Funktion eines ‚Kosegenus‘ aktuell v. a. noch auf die intimste Beziehungsdomäne (cf. Baumgartner 2020). Als Ergebnis öffentlicher Sprachkritik wird es außerhalb von intim-familiären Beziehungen zunehmend als herabsetzend abgelehnt. Das Defaultgenus bei weiblicher Referenz ist das Femininum. Neutrale Artikel und Proformen sind seltener primär sozioprag matisch gesteuert (ds Lena, s Anna, exophorisches äs), sondern treten bloß noch als Kongruenzformen zu Hypokoristika mit Suffix -. auf, z. B. ds Leni, s Anni . äs. Wie Christen/Baumgartner (in diesem Band) zeigen, sind diese Hypokoristika insofern geschlechtstypisch, als sie zum einen wesentlich häufiger auf Frauen als auf Männer referieren, zum anderen in der Regel nur bei weiblicher Referenz neutral sind.4

Trotz dieser regionalen Unterschiede ist in allen Dialekten die eigene Familie eine Domäne, in der Genus früher wie heute soziale Hierarchien kodiert. Das Neutrum kann hier nur auf die gleichaltrige und jüngere weibliche Generation referieren. Für Mütter und Großmütter verbietet sich das Neutrum aus Respekt. Nur in schweizerdeutschen Dialekten sind neutrale Pronomen auch bei der Referenz auf ältere Verwandte wie die (Paten-)Tante oder die (Groß-)Mutter möglich, was mit den neutrumauslösenden Hypokoristika auf -. (Grosi, Mami) erklärt werden kann. Auch auf andere weibliche Respektspersonen wie die Lehrerin oder die Vorgesetzte muss im Femininum referiert werden. Der Faktor ‚Status‘ ist bei der Genuszuweisung also auch heute nicht abwesend, auch wenn die persönliche Beziehungsebene (vertraut vs. fremd) im Vordergrund steht. Damit ist auch das Femininum nicht nur reiner Sexusmarker, sondern wird ebenfalls soziopragmatisch zugewiesen.

3 Hundenamen früher und heute: Qualität und Genus

Der Hund ist das älteste Haustier des Menschen: Mensch und Hund leben seit ca. 12’000 Jahren zusammen (cf. Schaab 2012: 133). Diese Beziehung zählt zu den intensivsten Mensch-TierBeziehungen überhaupt und hat sich in den letzten zweihundert Jahren noch verstärkt. Der Hund ist im mitteleuropäischen und nordamerikanischen Kulturraum allmählich vom Nutztier (z. B. Wach-, Hüteoder Jagdhund) zum sozialen Gefährten des Menschen geworden (cf. ibd.).

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Hundenamengebung wider. Dobnig-Jülch (1996) stellt fest, dass neben einer hohen Kontaktfrequenz und einem allfälligen Nutzeffekt auch die emotionale Bindung zwischen Mensch und Tier das Bedürfnis stärkt, ein Tier mit Namen zu individualisieren (cf. auch Schaab 2012: 137). So erklärt sich auch, dass individuell betreute Tiere wie Katzen oder Hunde eher benannt werden als kollektiv gehaltene Tiere wie Hühner oder Schafe (cf. ibd.). Dass die Benennung von Hunden erst selbstverständlich ist (DobnigJülch 1996 spricht von „Namenverpflichtung“), seit sie nicht mehr primär Nutztier, sondern Familienmitglied des Menschen sind, impliziert Beispiel (3) aus einem im Rahmen des Projekts durchgeführten Interview.5 Eine Person aus dem ripuarischen Dialektgebiet (das Namenneutrum ist hier grammatikalisiert, cf. Abschnitt 2) antwortet auf die Frage, wann das Neutrum für Frauen gebraucht wird:

(3) Ich würd immer die Verbindung zum Namen herstellen. De Honk, der hat natürlisch kene Naam. [...] Bei ons hat de Hund oder de Katz kene Naam. Hück die Kinger han onsre Katz ene Naam jejowwe. [...] Dat joow fröher nit, dat die Diere ne Name hotte. Die hatte jo en Funktion. Die Katz un de Hund hatte en Funktion im Haus.

‚Ich würde immer die Verbindung zum Namen herstellen. Der Hund, der hat natürlich keinen Namen. [...] Bei uns hat der Hund oder die Katze keinen Namen. Heute die Kinder haben unserer Katze einen Namen gegeben. [...] Das gab es früher nicht, dass die Tiere einen Namen hatten. Die hatten ja eine Funktion. Die Katze und der Hund hatten eine Funktion im Haus.‘

(Interview, Merken, Ripuarisch, männl., 68 J.)

Der veränderte Stellenwert des Hundes affiziert auch die Namenqualität. Schaab (2012), die Hundenamensammlungen des frühen 20. Jahrhunderts untersucht hat, stellt für das Hundenameninventar in einer Sammlung von Branky (1907)6 fest, dass es sich nur zu 30,4% (311) aus anderen Namen speist, der Anteil an Anthroponymen (z. B. Käthe, Heinz) liegt dabei nur bei 58,8% (183). Eine kursorische Prüfung deanthroponymischer Hundenamen in älteren Dialektwörterbüchern (RhWB, PfWB) ergibt, dass diese gleichzeitig für Menschen gerade selten gebraucht wurden. So weist das PfWB etwa Bruno (Bd 1: Sp. 1294) und Moritz (Bd 4: Sp. 1428) als seltene Namen für Menschen aus, die als Hundenamen aber verbreitet waren. Ähnliches vermerkt das RhWB (Bd 5: Sp. 1017) für Max. Die Namen Hektor (RhWB, Bd 3: Sp. 484), Hella (ibd.: Sp. 495) und Freia (PfWB, Bd 2: Sp. 1580) beispielsweise, besonders aber auch Kurzformen wie Theo (PfWB, Bd 2: Sp. 249), Alf (ibd., Bd 1: Sp. 161) und Axel (ibd.; Bd 1: Sp. 495) werden ausschließlich als Hundenamen aufgeführt. Daher ist zu fragen, ob die genannten Namen nicht vielmehr Zoonymstatt Anthroponymstatus haben. Nur Frequenzanalysen können jedoch aufzeigen, wie menschlich assoziiert ein deanthroponymischer (Tier-)Name tatsächlich ist bzw. war. Eine Zunahme an deanthroponymischen (Tier-)Namen ist seit Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur im Deutschen, sondern auch im Schwedischen belegt, wobei sich das aktuelle Babynamenund das Hundenameninventar – insbesondere bei Referentinnen – erheblich überlappen (cf. Leibring 2015: 60).

Viele ältere Hundenamen dissoziierten jedoch kaum von der Appellativik. Beliebt waren Schaabs Analysen zufolge Namen, die auf Eigenschaften des Hundes Bezug nehmen (cf. Schaab 2012: 140). Sie referierten als Ableitungen aus Substantiven (z. B. Schwarzkopf, Wildfang) oder Adjektiven (z. B. Lustig, Charmante) auf die Merkmale des Tieres. Darüber hinaus wurde über Bezeichnungen artfremder Tiere metaphorisch auf ein herausstechendes Merkmal des Hundes verwiesen (z. B. Wiesel für einen flinken Hund). Auch Schimpfnamen wie Grobian oder Nichtsnutzfinden sich: Hier wird das Versagen des Hundes in seiner Funktion direkt benannt. Satznamen wie Greifan! oder Putzenweg! kategorisieren den Hund durch ihre imperativische Struktur und Funktion eindeutig nach seiner Aufgabe (hier: Wachhund). Nicht selten galten Hundenamen funktionsund/oder rassespezifisch. Darüber hinaus machen intransparente Namen (z. B. Ruwi, Asu) in Brankys Sammlung einen Anteil von ca. 39% aus (cf. ibd.).

Insgesamt erweist sich das historische Hundenameninventar im Deutschen damit als vom menschlichen Inventar maximal distinkt.

Auch die Sexusspezifik und die damit verbundene Genuszuweisung älterer Hundenamen ist für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse. Aufschluss bietet hier das RhWB, wenn man das Genus von Hundeund Frauennamen in rheinischen Dialekten (Niederfränkisch, Ripuarisch, Moselfränkisch) vergleicht. Neben der allgemeinen Anmerkung, dass weibliche Rufnamen im Gültigkeitsareal des Wörterbuches neutral seien (RhWB, Bd 2: Sp. 175), ist i. d. R. das Neutrum (nur selten das Femininum) zusätzlich in den Lemmaeinträgen weiblicher Rufnamen vermerkt. Bemerkenswerterweise wurde bei den Namen für Hündinnen ausschließlich das Femininum notiert. Beispiel (4) zeigt exemplarisch den Eintrag zu Nelli (RhWB, Bd 6: Sp. 146):

(4) Nelli nęli, -lī

1. n. Kurzform für Kornelie Verbr. in den Städten.

2. f. Rufn. für einen weibl. Hund Verbr. [...]

Bei Namen, die lediglich als Hundenamen eingetragen sind (z. B. Mira, Missi, Linda, Lissi), ist ebenfalls nur das Femininum angegeben. Dieses distanzindizierende Genus entspricht hier zwar dem Geschlecht des Tieres, kodiert aber auch den biologischen Abstand zum Menschen: In den entsprechenden Dialekten ist das Neutrum das sexuskongruente Genus bei Bezug auf eine mit Rufnamen benannte Frau (cf. Abschnitt 2). In Dialekten mit grammatikalisiertem Rufnamenneutrum ist die Salienz und damit der distanzierende Effekt des femininen Artikels umso größer als in Dialekten mit variablem Rufnamengenus.

Darüber hinaus berichten TeilnehmerInnen einer Online-Umfrage7 zum Neutrum für Frauen, dass Namen weiblicher Hunde früher sogar auch maskulin genusklassifiziert wurden, cf. die Beispiele (5) und (6):

(5) [...] manchmal haben Tiere das ‚falsche‘ Geschlecht. Der Hund in der Familie meiner Mutter (Siegen) als sie Kind war, war eine Hündin mit Namen Nöck8, wurde aber immer der Hund/der Nöck/der genannt.

(Online-Fragebogen, 26180 Rastede, weibl., 20-29 J.)

(6) [...] Wobei unsere Hündin vor 50 Jahren als de also der Bessy bezeichnet wurde. Vielleicht, weil man allgemein von dem Hund sprach, heute legen die Leute mehr Wert darauf, ob es sich um eine Hündin oder einen Rüden handelt.

(Online-Fragebogen, 56567 Neuwied-Altwied, weibl., 50-59 J.)

Hier wird das Genus-Sexus-Prinzip durch das „Hundegenus“ Maskulinum überschrieben. Genus leistet in diesen Fällen keinen Geschlechtsbezug bzw. weckt darüber hinaus sogar Assoziationen an das falsche Geschlecht. In Kombination mit einem für Menschen untypischen Rufnamen markiert es die fremde Artzugehörigkeit maximal. Wahrscheinlich spielen männliche Genderisierungen des Hundes per se, d. h. Vorstellungen vom Hund als männlichem Tier, der maskulinen Genusklassifizierung zu. Leibring (2015: 59) zufolge spiegelt sich diese männliche Prototypikalität auch in der Populärkultur: „Most dogs in literature and popular culture are male, and more male dog names have been transferred from earlier times.“ In den vorliegenden Daten spricht dafür auch, dass Hündinnen sogar genuin männliche Hundenamen erhalten haben, wie Beispiel (7) aus der Online-Erhebung belegt:

(7) [...] der Hund war immer männlich, auch wenn es eine Hündin war, und hieß z. B. Pluto9.

(Online-Fragebogen, 66763 Dillingen-Diefflen, weibl., 60-69 J.)

Der weibliche Hund entspricht also konzeptuell eher einem maskulin klassifizierten Konzept

‚Hund‘ als einem Konzept ‚weiblicher Mensch‘, das mit Neutrum bzw. Femininum assoziiert ist.

Wie Schaab (2012) zeigen kann, affiziert der Funktionsverlust des Hundes und seine Entwicklung zum Haustier auch die Namengebung. Durch die emotionale Bindung zwischen Hundebesitzer und Hund, die einer Eltern-Kind-, einer Liebesoder Freundschaftsbeziehung gleichen kann (cf. Dotson/Hyatt 2008: 458), wird der Hund nicht selten vermenschlicht, er wird zum Individuum. Damit wird auch sein Geschlecht als individuierendes Merkmal onymisch exponiert. So stellt Schaab (2012: 147) anhand einer Fragebogenstudie zu aktuellen Hundenamen fest, dass jeder zweite Hund mittlerweile einen menschlichen Namen bekommt, d. h. neben Familiennamen (Einstein, Lagerfeld) überwiegend Rufnamen: 120 der von Schaab ermittelten deanthroponymischen Hundenamentypes finden sich in den Top 200 der häufigsten Jungenund Mädchennamen des Jahres 2010, wobei Hündinnen sogar etwas häufiger mit einem Anthroponym benannt werden. Dieselbe Tendenz stellt auch Leibring (2015: 52–58) im Schwedischen fest. Nicht nur durch die Geschlechtsdefinitheit der menschlichen Rufnamen nimmt die Sexusmarkierung bei Hundenamen zu. Auch bei intransparenten Namen, die nicht dem menschlichen Inventar entnommen sind, wird die Sexusmarkierung insbesondere über den Auslaut vorgenommen: Die Namen von Hündinnen enden oft auf -. oder -i, die von Rüden auf -o oder Konsonant. Tequila etwa ist eine Hündin, Lark ein Rüde.

4 Sexusspezifische Hundebezeichnungen

Eine korpusbasierte Untersuchung zum Gebrauch sexusdefiniter Tierbezeichnungen im Standarddeutschen, die auch das Lexem Hundinkludiert, findet sich bei Schmidt-Jüngst/Späth (in Vorb.). Diese zeigt, dass Hundvon allen belegten Tierlexemen in weiblichen Kontexten (es wurde nach Lexemen wie säugen und trächtig gesucht) am häufigsten mit -in moviert wurde. Schmidt-Jüngst/Späth begründen dies mit dem höheren Belebtheitsgrad des Hundes im Vergleich zu den anderen Tierarten.

Kommentar (5) in Abschnitt 3 deutet jedoch bereits darauf hin, dass geschlechtsdefinites Referieren auf Hunde in den Dialekten, z. B. mit der Movierung Hündin oder einem anderen sexusdefiniten Lexem, früher ungebräuchlich war. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Sexus selbst am weiblichen Hundenamen nicht markiert wurde.

Das SHW (Bd 3: Sp. 783) etwa bemerkt, Hund werde im südhessischen Dialekt gebraucht „wie nhd., wobei im allgemeinen zwischen den natürlichen Geschlechtern nicht unterschieden wird; soll das Geschlecht hervorgehoben werden, spricht man von Rüde und Zaupe“.

Auch dem RhWB (Bd 3: Sp. 944) zufolge ist der Satz Usen H[und] hät Jongen ‚Unser Hund hat Junge‘ bei der Referenz auf eine Hündin vollkommen angemessen. Wie im SHW werden geschlechtsspezifische Lexeme für den Fall angegeben, dass „die Geschlechter bes[sonders] betont werden sollen“ (ibd.).

Darüber hinaus lässt auch die Lexik die Vermutung zu, dass Hunde männlich genderisiert sind (cf. Abschnitt 3), wozu das maskuline Genus der Tierbezeichnung wahrscheinlich erheblich beiträgt (cf. Schmidt-Jüngst/Späth in Vorb.). Dafür spricht außerdem, dass Hund umgangssprachlich und in manchen Dialekten für die sexusdefinite Referenz auf einen männlichen Hund verwendet wird, zu dem Hündin oder auch ein anderes Lexem für den weiblichen Hund kontrastiert wird (Beispiel: Ist das ein Hund oder eine Hündin?, Duden online: s. v. Hund [18.07.2020]). Außerdem gelten, so zeigt es Karte 532 im Sprachatlas des Deutschen Reichs (Wenker 1888–1932), dialektübergreifend Varianten von Hund zur geschlechtsindefiniten Referenz, in einem großen westfälischen Areal aber wurde gerade Rüe ‚Rüde‘ für die Referenz auf beide Geschlechter generalisiert.10

Schmidt-Jüngst/Späth (in Vorb.) diskutieren, dass sich insbesondere für Nutztiere neben einem Oberbegriff geschlechtsspezifische Lexeme ausprägen, insbesondere dann, wenn das Geschlecht für die Nahrungsversorgung des Menschen relevant ist (z. B. Huhn.Hahn.Henne). Leppla (2015: 135) zeigt außerdem, dass gerade die Zuchtnamen von Hunden „ausnahmslos sexusmarkiert“ sind. Dieses „overdoing gender“ (ibd.: 120) schwächt sich in der Haustiernamengebung ab, wo eine Zunahme von sexusambigen Rufnamen – häufig Kurzbzw. Koseformen, die auf hypokoristisches -.enden – zu beobachten ist (cf. ibd.: 138).

Im Luxemburgischen zeichnet sich darüber hinaus in Daten aus der Spracherhebungs-App Schnëssen11 ein lexikalischer Wandel bei der Referenz auf Hunde ab: Hier scheint sich das luxemburgische Hond gegenüber dem auch im Moselfränkischen und Ripuarischen (dort Möpp) verbreiteten Mupp12 (m.) durchzusetzen. Abbildung 1 illustriert, dass Mupp mit Hund konkurriert und in jüngeren Sprechergenerationen an Frequenz zunimmt.


Abbildung 1
Verteilung der Bezeichnungen für Hunde im Luxemburgischen nach Alter der Gewährspersonen, n = 828 (Methode: Schnëssen-App)

Es ist im Luxemburgischen zwar möglich, mit dem Femininum Mudder geschlechtsdefinit auf eine Hündin zu referieren (cf. Beispiel (1) und Abschnitt 1), allerdings gilt das Lexem für das Tierweibchen allgemein. Da im Luxemburgischen auch Diminutive das Genus ihrer Basis beibehalten (z. B. de Mippchen ‚das (wörtl. der) Hündchen‘), ist die appellativische Referenz auf einen Hund im Luxemburgischen somit i. d. R. maskulin.

Maskulin sind – wohl durch das Hyperonym Hund motiviert – im Deutschen außerdem alle Hunderassenbezeichnungen wie der Dackel, der Chihuahua, der Whippet. Das Maskulinum ist produktiv und überträgt sich auch auf neue Rassenbezeichnungen, in Fällen wie Deutsch Drahthaar (m.) setzt es sich gegen das Letztgliedprinzip durch. Ausnahmen sind die alten Hunderassenbezeichnungen Dogge (f.) und der Schwankungsfall Bracke (m./f.). Diese Rassenbezeichnungen können ebenfalls zur Referenz auf Hunde verwendet werden (cf. Abschnitt 5.2), geschlechtsspezifische Referenz kann dabei kompositionell (z. B. das Dackelweibchen, Labradorhündin), syntaktisch (z. B. weiblicher Chihuahua) oder durch Movierung (z. B. Labradorin, Dackelin) hergestellt werden.13

5 Empirische Untersuchung: Sexusund Beziehungsmarkierung bei Hunden

Die vorherigen Abschnitte haben insbesondere einen älteren Stand zur Referenz auf Hunde (Hundenamen und -bezeichnungen, Genus) dokumentiert, dessen Aktualität es empirisch zu prüfen gilt. In einer Online-Erhebung (5.1) wurden metasprachliche Daten zur Genuszuweisung bei Tiernamen im Allgemeinen gesammelt, unter denen sich auch Hinweise zur Referenz auf Hunde finden. Mit einem Videoexperiment (5.2.) wurde die spontansprachliche, dialektale Referenz (Gebrauch von Rufname, Hundebezeichnungen, Genus) auf einen fremden Hund erho-

5.1 Online-Erhebung

In der Online-Erhebung wurde u. a. nach dem Neutrum für weibliche Tiere gefragt. Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus. Neben dialektalen und artspezifischen Unterschieden sind auch individuelle, die persönliche Beziehung zum Tier betreffende Einflüsse auf die Genuswahl zu verzeichnen. Für einige TeilnehmerInnen etwa schließt sich das Neutrum auch gegenwärtig für alle weiblichen Tiere aus, cf. Beispiel (8):

(8) [...] das/es/s kenne ich nicht von weiblichen Tieren, eher kenne ich die männliche Bezeichnung bei z. B. Hunden, obwohl es Hündinnen sind, wie ‚de Dusky‘, bei Katzen und Kühen kenne ich eher die Bezeichnung ‚die Muschi‘ oder ‚die Liese‘, das/es/s kenne ich höchstens in Verbindung mit Verkleinerungsformen wie z. B. ‚es Peterche‘ [...].

(Online-Fragebogen, 66578 Schiffweiler, weibl., 50–59 J.)

In diesem Beispiel deutet sich nicht nur beim Hund, sondern auch bei anderen Tierarten (z. B. Katze) eine artspezifische onymische Genuszuweisung an, die sich nach dem Genus des Hyperonyms richtet. Auf die Genuszuweisung bei Katzen werden wir in Abschnitt 5.4 kurz zurückkommen.

Dass eine Anthropomorphisierung des Tieres für eine Geschlechtsund Beziehungsmarkierung mittels Genus notwendig ist, indiziert auch Beispiel (9):

(9) [...] um ein Tier als ‚Es‘ zu bezeichnen, muss ich das Tier erst einmal ‚vermenschlichen‘. Bei Hunden oder Katzen ist das oft der Fall. Andere Tiere wie bspw Vögel oder Kanninchen behandelt man selten wie ein kleines Baby. Von meiner Hündin spreche ich mit ‚Es‘, da ich auch eine persönliche Verbindung zu ihr habe.

(Online-Fragebogen, 66271 Kleinbittersdorf, weibl., 20–29 J.)

Hier werden artspezifische Unterschiede bei der Genuszuweisung mit der Empathie begründet, die dem Tier zukommt. Zusätzlich zur Tierart, die dem Menschen konzeptionell näher oder ferner stehen kann, ist die persönliche, emotionale Bindung zum Tier für die befragte Person entscheidend. Einige Fragebogen-TeilnehmerInnen ziehen dabei eine klare Grenze zwischen Hausund Nutztieren, cf. Beispiel (10):

(10) nur et [...] bei Haustieren, nicht bei Nutztieren, also zu denen man einen persönlichen Bezug hat.

(Online-Fragebogen, 56865 Moritzheim, weibl., 30–39 J.)

Für andere TeilnehmerInnen reicht allein die Benamung eines weiblichen Tieres (die natürlich selbst eine gewisse Bindung zum Tier voraussetzt) für das Neutrum aus, cf. Beispiel (11):

(11) Wenn ein Tier einen Namen hat, spielt die Tierart keine Rolle.

(Online-Fragebogen, 33100 Paderborn, weibl., 50–59 J.)

Notwendige (aber nicht hinreichende, cf. Abschnitt 5.2) Bedingung dafür ist, dass das Neutrum auch bei menschlich-weiblicher Referenz das unmarkierte, sexuskongruente Genus ist.

5.2 Videoexperiment

Größere Datenmengen zur Referenz auf einen weiblichen Hund liegen aus der Erhebungsmethode ‚Videoexperiment‘ vor. Den Gewährspersonen wurden kurze Videosequenzen (ohne Ton) vorgespielt, in denen weibliche Personen unterschiedlichen Alters verschiedene Tätigkeiten ausüben. Sie sollten das Geschehen simultan in ihrer Ortsvarietät beschreiben. Vor bzw. bei ihrem ersten Auftreten wurden die Rufnamen der Protagonistinnen, die den Gewährspersonen allesamt unbekannt waren, eingeblendet. In einer der Videosequenzen interagiert eine junge Frau (Miriam) in verschiedenen Szenen mit ihrer Hündin Frida, cf. Abbildung 2.


Abbildung 2
Szene aus dem Videoexperiment (Hündin Frida und ihr Frauchen Miriam)

Frida ist eine sehr kleine Mischlingshündin. Mögliche Einflüsse der Rasse und Körpergröße auf die Genuszuweisung wurden bei der Konzeption der Methode nicht ausgeschlossen. Zur eindeutigen Geschlechtsmarkierung wurde ein sexusdefiniter Name für die Hündin gewählt. Geschlechterassoziationen wurden zusätzlich durch gegenderte Farbwahl (pink) bei Geschirr und Leine unterstützt.

Es liegen Daten aus insgesamt 214 Videobeschreibungen vor. Sie verteilen sich auf SchweizerInnen und Deutsche aus 37 verschiedenen Orten sowie 10 ortsunabhängig befragte LuxemburgerInnen (cf. Baumgartner et al. 2020.).

Für die folgende Analyse hierarchisieren wir die für die Referenz auf Hund und Mensch zur Verfügung stehenden Wortarten hinsichtlich ihrer Belebtheit (cf. Silverstein 1976: 176):




Während sich der Belebtheitsgrad für auf Mensch und Tier referierende Pronomen und Rufnamen nicht unterscheidet, sind Appellative auf diese Weise untergliedert, dass für humanexklusive Appellative ein höherer Belebtheitsgrad angesetzt wird als für andere belebt referierende Appellative. Entscheidend ist die konkrete Wahl der referierenden Wortart, die entschlüsselt, als wie belebt die Referentin konzeptualisiert wird. Beobachtungen von Fraurud (1996) zu Unterschieden bei der Referenz auf Mensch und Tier legen mit Blick auf die obige Belebtheitsskala nahe, dass Tiere konzeptuell weniger belebt sind als Menschen. Ausgehend von dieser Grundannahme bemerkt Fraurud einen vermenschlichenden und damit statuserhöhenden Effekt bei der Benennung von Tieren insbesondere in solchen Fällen, in denen dies optional ist (cf. ibd.: 81f.). Sie führt weiterhin aus, dass auf Tiere auch dann mit einem Appellativ referiert werden könne, wenn sie bereits mit ihrem Namen in den Diskurs eingeführt wurden, während dies bei Menschen einen pejorativen Effekt habe (ibd.: 83). Zudem werden menschliche ReferentInnen häufiger pronominalisiert als nicht-menschliche. Der folgende Vergleich zur Referenz auf Hündin Frida und ihr Frauchen Miriam zeigt, dass die Wahl des Referenzmittels belebtheitsgesteuert ist.

Insgesamt sind 1’870 Bezugnahmen auf Frida zu verzeichnen, die sich wie folgt anteilig auf die Referenzformen Rufname, Appellativ und Pronomen verteilen (Tabelle 1):

Tabelle 1
Gesamtanteile der Referenzformen für Hündin Frida (Methode: Videoexperiment)

Tabelle 2 zeigt zum Vergleich Daten zur Referenz auf Fridas Frauchen Miriam aus ausgewählten Ortspunkten14 (cf. Busley in Vorb.):

Tabelle 2
Anteile an Referenzformen für Hundebesitzerin Miriam in ausgewählten Ortspunkten (Methode: Videoexperiment)

Der Unterschied zur Referenz auf Frida ist gravierend. Während auf Frida am häufigsten mit den unbelebteren Appellativen referiert wird (43,5%), ist der Anteil an Bezugnahmen auf Miriam mit hochbelebten Pronomen (85,6%) am größten. Für die Referenz mit Appellativen beträgt die Quote bei Miriam sogar nur 2,9%.

Beispiel (12) veranschaulicht die referenzdeterminierte Wahl der Wortart: In dieser Videobeschreibung aus dem Erhebungsort Rheinbach (ripuarischer Dialekt) wird Miriam zunächst mit ihrem Rufnamen eingeführt und anschließend durchgängig pronominalisiert (Referenzen einfach unterstrichen). Bei Hündin Frida hingegen wird nicht nur auf die Referenz mit dem vorgegebenen Rufnamen verzichtet, sondern ausschließlich mit Appellativen auf sie Bezug genommen (Referenzen doppelt unterstrichen).15

(12) G1: jetz jehd et öm et miriam. un dat merream ös im bad un deet sisch grad de hängk waische. mäht de kran zo. deet sich jetz de hängk am handtooch afbotze. un deet dat handtoch zesammeläje. un, un dann fängd et aa sisch de oore inzeschmeere. ((lacht)) isch weeß nit, wie mer dat nennt.

G2: möht sich schönn.

G1: ja. mäht sich schönn. aha. un dann deed et no ne lippestif nemme un däät sich, däät sich de lippe notrecke. un jetz is et drusse. im freie. un häd ene kleene hongk. e janz klee hüngksche. on, äh, deet der hongk streichele. un dann jidd et dem höngksche och jet, äh, ze fresse. hädd et grad us de taisch kreesche. deet dem hongk jet ze fresse. jetz deed et met dem höngksche spelle. un wirp jet weg. un der, dat höngksche, kleene hungk soll dat holle. un jetz küdd et met dem hongk widde no huus. jeht dorsch de strooß. un jetz küdd et mit dem hongk in de dür erin. in de wonnong. un mäht, äh, die ling vom hungk af. kann der hongk alleen loofe. die ling deed et an der, äh, an der dür. hönge de dür is en hoke. deed et, äh, die ling ophange. un dann deed et de mantel us. deet der mantel och an de hoke hange. un singe schal deed et och an de hoke hange. dann deed et, äh, de schohn us. un stellt die do vür en bloom. engk.

(Videoexperiment, Rheinbach, Ripuarisch)16

Abbildung 3 zeigt die im Videoexperiment verwendeten Appellativefür Frida mit Angaben zum Genus, das Einfluss auf die Genuszuweisung anaphorischer Pronomen nehmen kann (s. u.). Die Appellative sind in der Darstellung so gruppiert, dass die Bezeichnung Hund und diminuiertes Hündchen (inkl. seltener Komposita wie Taschenhund, Fährtehund) jeweils von anderen Hundebezeichnungen wie Mupp.Möpp (cf. Abschnitt 4) oder Köter, Hunderassenbezeichnungen wie Pudel, Terrier, West Highland oder Dackel und sonstigen Bezeichnungen getrennt wurden.


Abbildung 3
Appellative für Hündin Frida nach Genus, n = 815 (Methode: Videoexperiment, alle Erhebungsorte)

Das Maskulinum Hund macht mit insgesamt 70,1% (571) der appellativischen Referenzen den größten Anteil aus. Schmidt-Jüngst/Späth (in Vorb.) konnten zeigen, dass Geschlechtsdefinitheit dann umso häufiger hergestellt wird, wenn das Genus der geschlechtsindefiniten Tierbezeichnung das Genus-Sexus-Prinzip verletzt, allerdings wurden spezielle geschlechtsspezifische Kontexte abgefragt. Aus der hier vorliegenden Studie gibt es keine Belege für die Movierung Hündin, auch andere geschlechtsdefinite Bezeichnungen fehlen. An zweiter Stelle steht das Diminutiv Hündchen (inkl. dialektaler Varianten wie Hündli: 22,6%; 184). Damit wird Fridas Körpergröße häufiger morphologisch markiert als ihr Geschlecht. Die drei maskulinen Hündchen-Belege stammen aus dem Luxemburgischen, in dem das Diminutiv das Maskulinum seiner Basis behält. Andere Hundebezeichnungen und Hunderassenbezeichnungen treten mit jeweils 2,2% (18) sehr selten auf und sind bis auf wenige neutrale Ausnahmen ebenfalls maskulin. Unter den sonstigen Bezeichnungen (2,9%; 24) finden sich neben Tier und Kerlchen Metaphern wie Wollknäuel, Wuschel sowie die Feminina halbe Portion und Fußhupe, womit auch Inanimata auf Frida Bezug nehmen. Bei der Referenz auf erwachsene menschliche Referentinnen kam dies im Videoexperiment nicht vor.

Untersuchungen zum Genus decken weitere Mensch-Tier-Differenzen auf. Zunächst zum Rufnamengenus. Für die folgende Auswertung wurden alle Frida-Belege mit genusdistinktem Artikel berücksichtigt. Damit wurden Belege aus Luxemburg ausgeschlossen.17 Maskuline Artikel, wie sie in Abschnitt 3 beschrieben wurden, kamen nicht vor, sodass mit dem Femininum oder Neutrum immer ein geschlechtsdefinites Genus gewählt wurde. Tabelle 3 gliedert die insgesamt 265 Artikelbelege nach zugehörigem Dialektgebiet und Genus. Fett markiert sind diejenigen Dialekte, in denen das Neutrum bei menschlich-weiblichen Rufnamen grammatikalisiert ist.

Tabelle 3
Rufnamengenus bei Referenz auf Hündin Frida nach Dialektgebiet (Gebiete mit grammatikalisiertem Neutrum fett), n = 265 (Methode: Videoexperiment, Erhebungsorte in Deutschland und in der Schweiz)

In den Dialekten mit grammatikalisiertem Rufnamenneutrum wird mit Ausnahme des Ripuarischen dem Hundenamen nicht mit der gleichen Frequenz das Neutrum zugewiesen wie bei Frauennamen. Diese Ergebnisse offenbaren, dass das Merkmal [+ menschlich] eine hinreichende Bedingung für die feste Verbindung von [+ weiblich] und Neutrum ist. Damit überwiegt in diesen Ortsvarietäten bei der Referenz auf Frida das Femininum, das bei menschlich-weiblicher Referenz das sehr selten gebrauchte und markierte Distanzgenus ist. Distanz ergibt sich hier jedoch nicht aus Statusdifferenzen oder Unvertrautheit, sondern fremder Artzugehörigkeit. In den anderen Dialekten handelt es sich bei den neutralen Hundenamenartikeln um Einzelbelege.18

Für die folgenden Analysen zum Pronominalgenus bei der Referenz auf Frida gibt Tabelle 4 zunächst einen Überblick. Die Ergebnisse wurden nach Land (Deutschland, Schweiz, Luxemburg) zusammengefasst, da die Daten keine Dialektspezifik zeigen.

Tabelle 4
Pronominalgenus für Hündin Frida nach länderspezifischer Erhebung, n = 708 (Methode: Videoexperiment)

Die maskulinen Pronomen überwiegen mit 63,7%. Die Daten der Schweizer Erhebungen weichen insofern von den deutschen Daten ab, als feminine Pronomen etwas häufiger sind als neutrale. Damit wurde – wenn auch ebenfalls insgesamt selten (18,4%) – in den Schweizer Erhebungen am häufigsten eindeutig auf Fridas Geschlecht Bezug genommen. In den luxemburgischen Erhebungen wurde pronominal i. d. R. maskulin auf Frida referiert. Hier zeigt sich, dass Namenfähigkeit die Voraussetzung für das geschlechtskongruente Neutrum ist: Auf Frida wurde in den luxemburgischen Erhebungen nie mit ihrem Rufnamen referiert. Wird eine Hündin mit dem Rufnamen benannt, ist das weibliche Neutrum im Luxemburgischen aber möglich, cf. Beispiel (1) und Absatz 5.4. Da auch der neutrale Artikel für Frida insgesamt selten vorkam, ist davon auszugehe

n, dass die neutralen Pronomen ebenfalls nicht näheindizierend sind, sondern mit neutralen Appellativen kongruieren. Daten zur anaphorischen Kongruenz aus dem oben genannten, auch zur Veranschaulichung der Referenz auf Miriam genutzten Sample (cf. Busley in Vorb.) bieten weiteren Aufschluss, cf. Abbildung 4. Die Daten stammen aus dem nördlichsten Teil des Neutrumgebiets, in dem das Neutrum für Frauen hochfrequent ist.


Abbildung 4
Genus anaphorischer Pronomen zu Rufnamen und Appellativen für Hündin Frida, n = 169 (Methode: Videoexperiment, ausgewählte Ortspunkte)

Der Auswertung liegen insgesamt 143 (84,6%) maskuline, 17 (10,1%) neutrale und 9 (5,3%) feminine Pronomen zugrunde. Als Antezedens wurde jeweils das letzte Bezugsnomen für Frida vor dem Pronomen bestimmt. Da die Anzahl anaphorischer Pronomen zu Rufnamen insgesamt gering ist (18 Belege), wurde das Rufnamengenus20 bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Anaphorische Pronomen zu femininen Appellativen liegen nicht vor.

Es deutet sich an, dass das Femininum wahrscheinlicher wird, wenn das Pronomen einem Rufnamen folgt. Anthropomorphisierung und Sexuskongruenz sind eng assoziiert. Es liegen nur drei neutrale Pronomen vor, die sich auf einen neutralen Rufnamen rückbeziehen (et Frida . et).21 Maskuline Pronomen überwiegen hingegen nicht nur bei Rückbezug auf ein maskulines Appellativ (i. d. R. Hund), sondern auch auf neutrale Appellative (i. d. R. Hündchen) und Rufnamen. Bei den neutralen Pronomen, die auf neutrale Appellative folgen, handelt es sich höchstwahrscheinlich um rein formale Kongruenzen, da sie bei Bezug auf maskuline Appellative nicht auftreten. Bei menschlich-weiblicher Referenz ist den hier untersuchten Dialekten gemein, dass die Soziopragmatik auch grammatische Kongruenzregeln brechen und z. B. nicht nur feminin klassifizierte Rufnamen (die Miriam . es), sondern auch feminine Appellative (die junge Frau . es) neutral pronominalisiert werden können (cf. Busley/Fritzinger in diesem Band). In diesen Kontexten ist das nominale Femininum das ‚falsche‘ Genus, das am Pronomen korrigiert wird. Bei der Referenz auf die Hündin bricht das Genus allerdings Richtung Maskulinum, das Neutrum bzw. Femininum wird korrigiert, cf. Beispiel (13):

(13) jetz hölld et wahrscheinlisch jet ze fresse russ. ja. un jidd et dem höndche (n.) ze fresse. strisch et (n.) imme noch. und jetz hädd ed em (m./n.) am lingksche. un lött en (m.) sprönge. un lött en (m.) männsche maache. un jetz hät e (m.) widde jet jefange. un brengt dat dann zeröck.

‚Jetzt holt es wahrscheinlich etwas zu fressen heraus. Ja. Und gibt es dem Hündchen zu fressen. Streichelt es immer noch. Und jetzt hat es ihm am Leinchen. Und lässt ihn springen. Und lässt ihn Männchen machen. Und jetzt hat er wieder etwas gefangen. Und bringt das dann zurück.‘

(Videoexperiment, Rheinbach, Ripuarisch, männl., 82 J.)

5.3 Schweiz: Wimmelbild

Die Schweizer Erhebungen wurden für spezielle Fragestellungen (Genuszuweisung bei fremden Rufnamen und bei Referenz auf eine Hündin) mit einer Wimmelbild-Aufgabe ergänzt. Den Gewährspersonen wurde dazu eine Zeichnung mit verschiedenen Frauen und einer Hündin vorgelegt, die im Dialekt zu beschreiben waren. Insgesamt liegen 32 Wimmelbild-Gespräche mit Rufnamennennungen für die Hündin vor.


Abbildung 5
Wimmelbild zur Untersuchung der Genuszuweisung bei Referenz auf eine Hündin (Daisy)

Der Name der Figuren war in die Abbildung eingetragen, cf. Abbildung 5. Die Hündin wurde Daisy genannt, womit sie einen für Frauen eher untypischen, aber weiblich gegenderten Namen trägt.22 Bei Referenz auf die Hündin wurden insgesamt 35 genusdistinkte Rufamenartikel produziert, cf. Tabelle 5.

Tabelle 5
Artikelbelege nach Genus für Hündin Daisy, n = 35 (Methode: Wimmelbild)

Die Anteile an femininen und neutralen Belegen sind beinahe ausgeglichen. In den Schweizer Videoexperimenten wurde Frida zu 90,9% (70) feminin und nur zu 9,1% (7) neutral genusklassifiziert (cf. Abschnitt 5.2). Der Methodenvergleich stützt die Annahme, dass der Rufname selbst Einfluss auf die Genuswahl nimmt: Wie in Abschnitt 2 beschrieben, tritt das Neutrum in der Schweiz insbesondere an Artikeln von weiblichen Hypokoristika auf -. auf. Die phonologische Struktur von Daisy scheint die Neutrumzuweisung dementsprechend zu begünstigen. Es finden sich außerdem drei maskuline Artikelbelege, die nicht das Geschlecht kodieren (dies tut der Name), sondern die Tierart (cf. Abschnitt 3). Die dialektale Aussprache (14) und die Aussprachekorrektur (15) könnten darauf hindeuten, dass gerade bei Unvertrautheit des Rufnamens und dem damit einhergehenden fehlenden Sexushinweis das maskuline Hundegenus als Defaultgenus gewählt wird (16):

(14) Und der Däisi isch der Hund, wo tuet bbälle.

‚Und der Daisy ist der Hund, der bellen tut.‘

(Wimmelbild, Hospental, Höchstalemannisch, weibl., 79 J.)

(15) Dasch dr Deisi, Deisi, dr Hund.

‚Das ist der Daisy, Daisy, der Hund.‘

(Wimmelbild, Visperterminen, Höchstalemannisch, männl., 80 J.)

(16) Und dene chäm noch dr Deisi, dasch dängg der Hund.

‚Und dann würde noch der Daisy kommen, das ist wahrscheinlich der Hund.‘

(Wimmelbild, Elm, Höchstalemannisch, männl., 56 J.) Zum Pronominalgenus gibt Tabelle 6 einen Überblick:

Tabelle 6
Pronominalbelege nach Genus für Hündin Daisy, n = 28 (Methode: Wimmelbild)

Wie die Daten zeigen, verhält sich das Pronominalgenus hinsichtlich des Maskulinumanteils diametral zum Artikelgenus: Das Maskulinum überwiegt, während Femininum und Neutrum etwa gleich selten vorkommen. Damit wird auch hier das Femininum des Rufnamens pronominal nicht wieder aufgenommen und ebenso das formal zugewiesene Neutrum nicht zugunsten des sexuskongruenten Femininums, sondern des auf das Konzept ‚Hund‘ referierenden Maskulinums korrigiert.

5.4 Luxemburg: Lückentextaufgabe

Für das Luxemburgische liegen zudem Daten von 2’242 Luxemburgisch-MuttersprachlerInnen aus einer Lückentextaufgabe (Online-Umfrage) für die Referenz auf die Hündin Kira vor. Der konkrete Abfragekontext, mithilfe dessen die Genuszuweisung an drei Personalpronomen untersucht wurde, ist (17) zu entnehmen:

(17) D’ Famill Weber krut viru Kuerzem en Hond aus dem Déierenasyl. E Frënd vun der Famill ass op Besuch, fir e kennenzeléieren. Den Här Weber zielt: „ heescht Kira. Mir hunn aus dem Déierenasyl. D’ Kira spillt immens gären, mee bei Friemen ass nach e bësse schei.“ ‚Die Familie Weber hat vor Kurzem einen Hund aus dem Tierheim bekommen. Ein Freund von der Familie ist zu Besuch, um ihn kennenzulernen. Der Herr Weber erzählt: „ heißt Kira. Wir haben aus dem Tierheim. Das/Die Kira spielt sehr gerne, aber bei Fremden ist noch ein bisschen scheu.“‘

Die Pronomenwahl bei der ersten Lücke zeigt, dass das Neutrum (74,7%) deutlich präferiert wird; maskuline Personalpronomen sind zu 22,5% belegt, cf. Tabelle 7. Zum Teil wurden von den Gewährspersonen auch maskuline und neutrale Formen angegeben (2,3%), das Femininum ist hingegen nur in Einzelfällen belegt und ist somit bei der Referenz auf eine Hündin bei bekanntem Rufnamen nahezu ausgeschlossen. Besonders hervorzuheben ist jedoch der hohe Neutrumanteil trotz vorangehendem maskulinem Hond ‚Hund‘ und entsprechend vorgegebenem maskulinem Pronomen.

Tabelle 7
Pronominalbelege nach Genus für Hündin Kira – 1. Lücke, n = 2’242 (Methode: Lückentext, Online-Erhebung)

Aus den Daten geht unter Berücksichtigung des Alters der Gewährspersonen darüber hinaus hervor, dass der Gebrauch neutraler Personalpronomen in den jüngeren Generationen zunimmt: Während der Anteil neutraler Formen in der ältesten Altersgruppe bei etwa 50% liegt, beträgt er bei den Jüngsten über 90%, cf. Abbildung 6. Im Gegenzug nimmt das Maskulinum von den ältesten hin zu den jüngsten Gewährspersonen stetig ab. Diese Tendenz stimmt auch mit der allgemeinen Feststellung überein, dass das Maskulinum bei der Referenz auf Hündinnen früher frequenter war (cf. Abschnitt 3).


Abbildung 6
Pronominalbelege nach Genus für Hündin Kira – 1. Lücke nach Alter der Gewährspersonen, n = 2’242 (Methode: Lückentext, Online-Erhebung)

Da mit der Aufgabe die Genuszuweisung an insgesamt drei Personalpronomen abgefragt werden konnte, ist auch die Analyse der gewählten Formen in einer längeren Referenzkette möglich. Dabei ist festzustellen, dass die Pronomen mehrheitlich bei allen Lücken das gleiche Genus aufzeigen, sodass zu 74,0% durchgehend neutrale (N + N + N) und zu 12,0% durchgehend maskuline (M + M + M) Pronominalformen gewählt wurden (cf. Tabelle 8). Damit zeigt sich auch ein großer Unterschied zur Genuswahl bei der Hündin Frida aus dem Videoexperiment (cf. Abschnitt 5.2), bei dem das Neutrum für das Luxemburgische kaum belegt ist, was allerdings auch auf die ausbleibende Nennung des Rufnamens zurückzuführen ist. Wird der Rufname hingegen (wie in dieser Aufgabe) genannt, ist das Neutrum durchaus das unmarkierte Genus bei weiblichen Hunden.

Tabelle 8
Kombinationen der Pronominalbelege nach Genus für Hündin Kira – 3 Lücken, n = 2’234 (Methode: Lückentext, Online-Erhebung)

Auf den ersten Blick auffällig ist die Kombination von zwei maskulinen und einem neutralen Pronomen bei der Referentin Kira (M + M + N mit 9,4%, cf. Tabelle 8). Betrachtet man jedoch erneut den konkreten Abfragekontext (cf. (17)), wird deutlich, dass der Genuswechsel (bei der dritten Lücke) genau dort erfolgt, wo der Rufname Kira in der Subjektposition steht und das vorangegangene maskuline Appellativ Hond (inkl. maskulinem Personalpronomen) somit als Einflussfaktor für ein maskulines Pronomen in der dritten Lücke in den Hintergrund rückt. Auch unter Berücksichtigung des Alters der Gewährspersonen zeichnet sich die Tendenz ab, dass – entsprechend zu den Ergebnissen aus Abbildung 6 – jüngere Generationen häufiger durchgehend neutrales Genus wählen als ältere und es im Umkehrschluss vermehrt ältere Gewährspersonen sind, die Maskulinum an allen Targets zuweisen (cf. Abbildung 7). Hinzu kommt die Feststellung, dass sich Belege für den Genuswechsel vom Maskulinum zum Neutrum in allen Altersgruppen finden.


Abbildung 7
Kombinationen der Pronominalbelege nach Genus für Hündin Kira – 3 Lücken nach Alter der Gewährspersonen, n = 2’234 (Methode: Lückentext, Online-Erhebung)

Im Gegensatz zu den vorgestellten Daten zum Hund geht aus vergleichbaren Daten aus der Spracherhebungs-App Schnëssen (cf. (18)) hervor, dass die Referenz auf eine weibliche Katze im Luxemburgischen grundlegend anders erfolgt, indem bei diesem Referenzkontext das Femininum (97,9%) das deutlich präferierte Genus zuungunsten des Neutrums (2,1%) ist, cf. Tabelle 9.

(18) D’ Famill Weber huet säit Kuerzem eng Kaz aus dem Déierenasyl. heescht Luna.23

‚Die Familie Weber hat seit Kurzem eine Katze aus dem Tierheim. heißt Luna.‘

Tabelle 9
Pronominalbelege nach Genus für die weibliche Katze Luna, n = 243 (Methode: SchnëssenApp)

Während demnach das Femininum bei Bezugnahme auf eine Hündin mit weiblichem Rufnamen ausgeschlossen ist, ist es bei der Referenz auf die Katze Luna der unmarkierte Normalfall. Dieser Unterschied wurde mitunter auch von Gewährspersonen in Kommentaren in der OnlineErhebung hervorgehoben, cf. (19) und (20).

(19) Komescherweis ass een weiblechen Hond een ‚hat‘, mee wann ech vu menger Katz schwaetzen, ass et eng ‚si‘?!?

‚Komischerweise ist ein weiblicher Hund ein ‚Hatt‘ [= Es], aber wenn ich von meiner Katze spreche, ist es eine ‚Si‘ [= Sie]?!?‘

(Online-Erhebung, Luxemburgisch, weiblich, 40-49 J.)

(20) vun enger Kaz schwätzen ech ëmmer mat ‚si‘, ausser et ass erwisenerweis e Kueder, dann ass et ‚hien‘. Vun engem Hond, ëmmer vun ‚hien‘ ausser et ass secher eng Mudder, mee da soen ech ‚hatt‘ (ganz sechjer net ‚si‘) -keng Ahnung firwat!

‚von einer Katze spreche ich immer mit ‚si‘ [= sie], außer es ist erwiesenerweise ein Kater, dann ist es ‚hien‘ [= er]. Von einem Hund immer von ‚hien‘ [= er] außer es ist sicher ein weiblicher, aber dann sage ich ‚hatt‘ [= es] (ganz sicher nicht ‚sie‘ [= sie]) – keine Ahnung, warum!‘

(Online-Erhebung, Luxemburgisch, weiblich, 40-49 J.)

Sexuskongruenz wird bei der Referenz auf eine weibliche Katze somit mit dem Femininum (und nicht wie bei dem Hund im Neutrum) hergestellt, was zusätzlich durch das feminine „Katzengenus“ begünstigt wird. Kommentar (20) deutet darauf hin, dass auf Kater hingegen im Maskulinum referiert wird.24 Hierzu liegen allerdings bisher keine Daten vor, sodass diese Annahme in einer weiteren Untersuchung überprüft werden muss.

6 Fazit

Die vorliegende Untersuchung hat aufgedeckt, dass die sexuskongruente Genuszuweisung bei der Referenz auf weibliche Hunde stark mit einem semantisch motivierten Maskulinum konkurriert. Dieses hat sich von seinem ursprünglichen Genusspender Hund entkoppelt und überwiegt auch bei Pronomen, die sich nicht auf eine maskuline Hundebezeichnung, sondern auf neutrale und feminine Antezedenzien (Appellative, Namen) rückbeziehen. Dies überrascht umso mehr vor der Tatsache, als die Sexusmarkierung am Hundenamen im 20. Jahrhundert stark zugenommen hat. Allerdings sind maskulin klassifizierte Namen für Hündinnen, die historisch wohl durchaus üblich waren, in den erhobenen Daten nicht mehr belegt (bis auf drei Ausnahmen, cf. 5.3).

Damit scheint die Praxis, mit einem maskulinen, prototypischen Rüdennamen auf eine Hündin zu referieren, obsolet zu sein. Die zunehmende Anthropomorphisierung des Hundes manifestiert sich zunächst am Namen, indem zunehmend Anthroponyme mit sexuskongruentem Genus gewählt werden. Diese betrifft insgesamt wahrscheinlich insbesondere das eigene Haustier, denn die Quote an Rufnamenreferenzen war für die den Gewährspersonen fremde Hündin Frida im Videoexperiment vergleichsweise gering. Wurde der Rufname verwendet, dann im Femininum – erstaunlicherweise häufig auch in solchen Dialekten, in denen das Neutrum bei weiblichen Rufnamen eigentlich grammatikalisiert ist. D. h. es wird zwar nicht mehr zum Maskulinum, aber zum Distanzgenus Femininum gegriffen.

Die Untersuchung hat damit die Grenzen des weiblichen Neutrums – und im Pronominalbereich auch des Femininums – in den deutschen Dialekten als überwiegend auf den Humanbereich eingeschränkt ausgelotet. Damit zeigt sich, dass Geschlecht ein primär dem Menschen zugeschriebenes Konzept ist und bei Tieren nur in relevanten Kontexten aktiviert wird (z. B. Fortpflanzung, starke Individualisierung). Gestützt wird diese These durch die Tatsache, dass appellative Referenzen auf Hündin Frida nie sexusdefinit sind. Darüber hinaus transportiert das soziopragmatische Genuszuweisungssystem sozial differenzierende Merkmale wie Alter und Status, die für die Referenz auf Tiere nicht nur keine Rolle spielen, sondern ihnen gar nicht zukommen können. Es muss an dieser Stelle offen bleiben, ob das Maskulinum in Varietäten (andere Dialekte, standardnahe Varietäten), die das soziopragmatische Genussystem nicht kennen, bei der Referenz auf Hündinnen ebenfalls sehr frequent ist, oder ob es sich hier primär um eine Ausweichstrategie handelt, die soziopragmatisch aufgeladenen Genera bei der reinen Referenz auf Sexus zu meiden. Da männliche Genderisierungen des Hundes ebenfalls Einfluss ausüben können, wären Untersuchungen zur Referenz auf Tiere anderer Arten aufschlussreich. Diesbezüglich hat sich der diatopische Vergleich mit dem Luxemburgischen als erhellend erwiesen: Hier ist bei Verwendung des Rufnamens – und nur dann – auch bei der Referenz auf Hündinnen das neutrale Pronomen die Regel, was bestätigt, dass im Luxemburgischen die reine Sexusinformation bei nicht-distanzierender Referenz nur noch mit dem Neutrum kodiert werden kann.

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Schaab, Eva (2012): „Von ‚Bello‘ zu ‚Paul‘. Zum Wandel und zur Struktur von Hunderufnamen“. Beiträge zur Namenforschung 47 (2): 131–161.

Schmidt-Jüngst, Miriam/Späth, Lena (in Vorb.): „Von säugenden Äffinnen und trächtigen Elefantenkühen – Zum Geltungsbereich der Genus-Sexus-Korrelation“. Erscheint in: Diewald, Gabriele/Nübling, Damaris (eds.): Genus, Sexus, Gender – Neue Forschungen und empirische Studien zu Geschlecht im Deutschen. Themenband zur Arbeitsgruppe Kontraste und Oppositionen bei Genus und Geschlecht im Deutschen der 41. Jahrestagung der DGfS 2019. Berlin/Boston: De Gruyter. (= Linguistik – Impulse und Tendenzen).

SHW (1965–2010) = Südhessisches Wörterbuch. Begr. von Friedrich Maurer. Nach den Vorarbeiten v. Friedrich Maurer, Friedrich Stroh u. Rudolf Mulch bearb. v. Roland Mulch. 6 Bände. Marburg: Elwert.

Silverstein, Michael (1976): „Hierarchy of features and ergativity“. In: Dixon, Robert M. W. (ed.): Grammatical categories in Australian languages. Canberra, Australian Institute of Aboriginal Studies: 112–171.

Wenker, Georg (1888–1923): Sprachatlas des Deutschen Reichs. Handgezeichnetes Originalvon Emil Maurmann, Georg Wenker und Ferdinand Wrede. Publiziert als Digitaler Wenker Atlas (DiWA). Marburg. regionalsprache.de.

Zürrer, Peter (in diesem Band): „Genus-Zuweisung bei der Pronominalisierung von Personen in den Südwalser Dialekten“.

Notes

1 Seiner Untersuchung hat sich das trinationale Projekt „Das Anna und ihr Hund – Weibliche Rufnamen im Neutrum. Soziopragmatische vs. semantische Genuszuweisung in Dialekten des Deutschen und des Luxemburgischen“ gewidmet (2015-2020). Es handelte sich um ein D-A-CH-Verfahren mit Deutschland, der Schweiz und Luxemburg, finanziell unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und den Fonds National de la Recherche Luxembourg (FNR), unter der Leitung von Prof. Dr. Helen Christen (Universität Freiburg i. Ü.), Prof. Dr. Peter Gilles (Universität Luxemburg) und Prof. Dr. Damaris Nübling (Johannes Gutenberg-Universität Mainz).
2 Cf. ausführlich zu historischen Entwicklungen und aktuellen Tendenzen in der Namengebung bei Hund und anderen Haustieren die Beiträge im Sammelband von Dammel/Nübling/Schmuck (2015).
3 In höchstalemannischen Dialekten im Süden der Deutschschweiz sowie im Walser Dialekt deutschsprachiger Exklaven in Oberitalien ist das Neutrum auch bei Referenz auf erwachsene Männer belegt. Während der neutrale Rufnamenartikel in den Dialekten des Oberwallis, des Urserentals sowie des Berner Oberlands (v. a. Saanenland) ausschließlich bei modifizierten Rufnamen auf -. auftritt (z. B. ds Hänsi zu Hans), sind neutrale Vollformen (z. B. ds Edmond) im Aostatal vorhanden (cf. Zürrer in diesem Band). Das neutrale Pronomen ääs kann im Wallis exophorisch auf männliche Personen verweisen, in Südwalser Dialekten ist das Neutrum sogar obligatorisch geworden.
4 Dies zeigt sich auch im Bereich der Verwandtschaftsnamen, wo die hypokoristischen i-Formen für weibliche Verwandte (Mueti/Mami, Gotti, Tanti) in allen Dialekten das neutrale Genus führen, während entsprechende Formen für männliche Verwandte (Vati/Papi, Götti) fast ausnahmslos im Maskulinum stehen. Ausnahmen sind wiederum im Höchstalemannischen zu finden, wo analog zu den Rufnamenneutra auch ds Vati n. belegt ist (cf. Christen/Baumgartner in diesem Band).
5 Indizien hierfür liefern z. B. auch die Studien von Deffler et al. (2016), wonach Eltern nicht nur Kindernamen miteinander verwechseln, sondern auch Namen von Kindern und Haushunden vertauscht werden. Dass bisweilen ein falscher Name abgerufen wird, mag daran liegen, dass die Individualnamen der Beziehungskategorie ‚Familienmitglied‘ gemeinsam abgespeichert sind.
6 Schaab hat 1024 Hundenamen aus Brankys Sammlung untersucht, die allerdings reale und literarische Hundenamen nicht trennt.
7 Ein Online-Fragebogen in sprachlich angepassten Versionen (Luxemburg: Standardsprache; Deutschland und Schweiz: Substandard) diente einem ersten Überblick über die Variation neutraler und femininer Genuszuweisung und die areale Verbreitung der Neutra. Mittels verschiedener Aufgabentypen (Multiple-Choice-Fragen, Übersetzungsaufgaben, Lückentexte, Aufgaben mit freier Antwortmöglichkeit) wurde das Genus der Targets (Definitartikel, Pronomen, Possessiva) zu den betreffenden Referenzformen (Rufnamen, Verwandtschaftsbezeichnungen) abgefragt. Außerdem enthielt der Online-Fragebogen metasprachliche Fragen zum Gebrauch der Neutra inkl. einer Frage zur Genuszuweisung bei Referenz auf weibliche (Haus-)Tiere.
8 Der Name Nöck ist intransparent und geht evtl. auf einen Lockruf für Tiere zurück (cf. RhWB Bd 6: Sp. 261).
9 Laut RhWB (Bd 6: Sp. 1001) war der Name Plutofrüher besonders für männliche Jagdund Hühnerhunde verbreitet.
10 In einem angrenzenden, wesentlich kleineren Areal herrscht allerdings die ursprünglich weibliche Bezeichnung Tiewe vor.
11 Die Hundebezeichnungen wurden mithilfe eines GIFs, auf dem zwei (kleine bis mittelgroße) Hunde zu sehen waren, abgefragt. Zu den Methoden der Schnëssen-App cf. Entringer et al. (im Druck).
12 Mupp/Möpp sind Varianten zu der Hunderassenbezeichnung Mops, die in den Dialekten zum Oberbegriff für alle Hunderassen generalisiert ist. Die Hunderasse Mops stammt wie deren Bezeichnungen ursprünglich aus den Niederlanden (cf. Pfeifer et al. 1993: s. v. Mops).
13 Für letzteren Bildungstyp finden sich über Google illustrative Belege. Beispielsweise heißt es in der Überschrift zu einem Zwischenfall in Oberbayern: „Feuerwehr lockt Dackelin aus Dachsbau“ (Oberbayerisches Volksblatt 2014). ben, die durch Daten aus einer in der Schweiz durchgeführten Wimmelbild-Methode (5.3) ergänzt wird. Für das Luxemburgische liegen außerdem zahlreiche Pronominalbelege aus einer in der Online-Umfrage durchgeführten Lückentext-Methode vor (5.4). Sie bieten Aufschluss zur Genuswahl bei der Referenz auf einen fiktiven Nachbarshund.
14 Es handelt sich um die Orte Kerkrade (NL), Aachen, Merken und Rheinbach (Ripuarisch), Linz am Rhein und Gebhardshain (ripuarisch-moselfränkisches Übergangsgebiet), Mardorf (Zentralhessisch), Haine (Nordhessisch), Ehringen (Westfälisch) und Lutter (Thüringisch).
15 G1 ist männlich und zum Zeitpunkt der Erhebung (2016) 73 Jahre alt, G2 männlich und 72 Jahre alt.
16 Übersetzung: G1: Jetzt geht es um das Miriam. Und das Miriam ist im Bad und wäscht sich gerade die Hände. Macht den Kran zu. Putzt sich jetzt die Hände am Handtuch ab. Und legt das Handtuch zusammen. Und dann fängt es an, sich die Augen einzuschmieren. ((lacht)) Ich weiß nicht, wie man das nennt. G2: Macht sich schön. G1: Ja. Macht sich schön. Aha. Und dann nimmt es noch einen Lippenstift und zieht sich die Lippen nach. Und jetzt ist es draußen. Im Freien. Und hat einen kleinen Hund. Einen ganz kleinen Hund. Und streichelt den Hund. Und dann gibt es dem Hündchen auch etwas zu fressen. Hat es gerade aus der Tasche geholt. Gibt dem Hund etwas zu fressen. Jetzt spielt es mit dem Hündchen. Und wirft etwas weg. Und das Hündchen, der kleine Hund soll das holen. Und jetzt kommt es mit dem Hund wieder nach Hause. Geht durch die Straße. Und jetzt kommt es mit dem Hund zur Tür herein. In die Wohnung. Und macht die Leine vom Hund ab. Kann der Hund alleine laufen. Die Leine hängt es an die Tür. Hinter der Tür ist ein Haken. Hängt es die Leine auf. Und dann zieht es den Mantel aus. Hängt den Mantel auch an den Haken. Und seinen Schal hängt es auch an den Haken. Dann zieht es die Schuhe aus. Und stellt die vor eine Blume. Ende.
17 Der schwache Definitartikel ist im Luxemburgischen in allen (belegten) Fällen genusindistinkt: Im Nominativ und Akkusativ besteht Synkretismus zwischen dem Femininum und dem Neutrum (d’Frida ‚das/die Frida‘), im Dativ hingegen sind das Neutrum und das Maskulinum nicht an der Oberfläche zu unterscheiden (dem Frida ‚dem [N/M] Frida‘).
18 Die Daten zum Zentralhessischen stammen aus Mardorf, hier ist der Artikel weiblicher Rufnamen ausnahmslos neutral. Genus kann hier nur am Pronomen variieren (cf. Busley in Vorb.). Die Neutrumbelege aus dem Hochalemannischen stammen von drei Probandinnen, von denen zwei auch bei Referenz auf die weiblichen Protagonistinnen in der Videobeschreibung das Neutrum häufig gebrauchen.
19 Hier handelt es sich um Pronomen im Dativ (dem, em), die keine formale Unterscheidung zwischen Maskulinum und Neutrum aufweisen.
20 In einigen Fällen wurde der Rufname ohne Artikel gebraucht und war somit nicht genusovert.
21 Zum Vergleich: Im gleichen Sample liegt für Fridas Frauchen Miriam der pronominale Neutrumanteil bei 84% (274).
22 Dennoch kam es oft zu einem Missverständnis bzgl. des Referenzobjekts. In 14 weiteren Wimmelbild-Gesprächen verweist der Rufname Daisy eindeutig auf eine Frau, so bspw. bei Gewährsperson LUw70: D Deisi goot mit em Hund go spaziere.
23 Der vorgegebene Satz sollte von den Gewährspersonen vorgelesen und die Lücke gleichzeitig spontan ergänzt werden.
24 Ein weiterer Unterschied zwischen der Referenz auf Hunde bzw. Katzen besteht darin, dass Lexeme für Kater in den Dialekten – anders (bzw. umgekehrt) als es für den Hund der Fall ist und für den Bezeichnungen für weibliche Tiere selten sind – kaum vorkommen. Hierauf wird etwa im RhWB (Bd 4: Sp. 254) verwiesen, sodass sowohl männliche als auch weibliche Tiere mit Katzebezeichnet werden.


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