Speyer Von oben bis unten gemustert

Musterung: Die ersten Speyerer Rekruten wurden 1957 untersucht.
Musterung: Die ersten Speyerer Rekruten wurden 1957 untersucht.

Vor 60 Jahren wurde es ernst für 76 Speyerer und 68 aus dem damaligen Landkreis Speyer. Sie hatten sich zur Musterung für die Bundeswehr im heutigen alten Stadtsaal einzufinden. Sie wurden dazu wie alle zwischen Juni und September 1937 geborenen Männer vom Kreiswehrersatzamt in Neustadt aufgefordert. Angeschrieben wurden sie vom jeweiligen Einwohnermeldeamt.

Gemustert zu werden war ohne Aufforderung schon früher möglich gewesen. So konnte Bundesverteidigungsminister Theodor Blank am 12. November 1955 101 westdeutschen Freiwilligen die „Ernennungsurkunden“ für die neu geschaffene Bundeswehr überreichen. Jemand aus Speyer und dem Landkreis war nicht darunter. Bis zum Spätjahr 1956. Dann trat ein Jüngling, von dem nur der Vorname Karl-Hermann überliefert ist, als erster Speyerer durch die Tür des Zimmers mit der Nummer neun. Über der stand „Wehrerfassung“, und der stellten sich binnen einer halben Stunde drei weitere Speyerer, zwei davon waren Schüler. Angeschrieben worden war auch das ehemalige Landeserziehungsheim in der Speyerer Ludwigstraße und ein junger Mann, der gerade eine Gefängnisstrafe verbüßte. Ob auch er in die Wehrstammrolle eingetragen wurde, ist nicht überliefert. Den Anderen stand Ende Januar 1957 die Musterung bevor, der ein mindestens einjähriges Soldatendasein folgen könnte. Im Musterungslokal, dem heutigen alten Stadtsaal, klärte ein Regierungsoberinspektor namens Brechlin die künftigen Soldatenkameraden über die Bundeswehr als solche auf. Drei von einem Dr. Lang geführte Beamte und fünf Schreibkräfte des Kreiswehrersatzamts glichen die Personalien ab. Danach hatten sich die bis auf die Badehose Nackten vor zwei Ärzten und zwei Helfern der Rot-Kreuz-Ortsgruppe Haßloch zum Ganz-Körper-Check zu präsentieren. Darüber schrieb die RHEINPFALZ: „Überraschend war zu hören, dass die körperliche Verfassung bei den 1937ern aus der Stadt Speyer im Allgemeinen besser war als die bei den jungen Männern aus Schifferstadt und den übrigen Gemeinden des Landkreises. Gleichermaßen zustimmend aber war bei Stadt und Land die Einstellung gegenüber dem Wehrdienst überhaupt.“ Der Landkreis Speyer bestand damals aus den Dörfern Schifferstadt, Waldsee, Otterstadt, Dudenhofen, Hanhofen, Harthausen, Berghausen, Heiligenstein und Mechtersheim. Die medizinische Untersuchung ergab: 110 der 128 19-Jährigen kamen in die Gruppe eins, zwei und drei. Sie waren damit wehrdienstfähig. Elf erwiesen sich als beschränkt wehrtauglich (Gruppe vier), vier als zeitlich untauglich (Gruppe fünf), drei als dauernd untauglich (Gruppe sechs). Nach der ärztlichen Untersuchung nahm sich eine mit „Vertretern der Bürgerschaft durchsetzte Musterungskommission“, wie es in dem Zeitungsartikel damals hieß, der künftigen Rekruten an. Die Speyerer in diesem Ausschuss waren der Beigeordnete Erdmann sowie der Fotomeister und RHEINPFALZ-Fotograf Fritz Hermann. Den Kreis Speyer vertraten Landrat Emil Mölter und ein Mechtersheimer. Vor diesem Gremium konnte der Mann angeben, ob er zum nächstmöglichen Termin zum Dienst einberufen werde oder zunächst zurück gestellt werden wollte. Eine weitere Alternative: Er konnte angeben, ob er den Dienst mit der Waffe verweigerte. Das beabsichtigten zwei. In dem Artikel über die erste Speyerer Musterung schrieb die RHEINPFALZ-Redaktion: „Als sie sich die Dinge aus der Nähe besehen hatten, erkundigte sich der eine nach den Möglichkeiten, freiwillig in die Luftwaffe einzutreten. Der Andere wollte Berufssoldat werden.“

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