Heime für gewalttätige Männer in Frankreich: „Schwere ihrer Taten begreiflich machen“

Die damalige Staatssekretärin für die Gleichheit zwischen Frauen und Männern, Marlène Schiappa, beim Besuch des Home des Rosati im Jahr 2019. (Archivfoto)

Die damalige Staatssekretärin für die Gleichheit zwischen Frauen und Männern, Marlène Schiappa, beim Besuch des Home des Rosati im Jahr 2019. (Archivfoto)

Paris. „Guten Tag, Ihnen wird vorgeworfen, in der Nacht von 8. auf 9. Mai in Arras mit Absicht Gewalt gegen Ihre Frau angewendet zu haben, indem Sie ihr Fußtritte ins Gesicht verpassten und sie an den Haaren zogen.“ In sachlichem Ton verliest die Richterin die Vorwürfe gegen den 36-jährigen Kevin. „Wenn du die Polizei rufst, breche ich dir das Genick“, habe er gedroht. Die Kamera filmt den leicht bärtigen Mann im Gerichtssaal nur von schräg unten, so dass er nicht erkennbar ist. Eine Stimme im Off sagt, fünf Wochen vor seinem Prozess wegen Gewalttätigkeit gegen seine Frau, mit der er zwei Kinder hat, habe er einem Aufenthalt im Home des Rosati zugestimmt, um einer Untersuchungshaft zu entgehen. Für den Dokumentarfilm „Das Haus der gewalttätigen Männer“ begleitete die Regisseurin Marie Christine Gambart seine Zeit in der Einrichtung in der nordfranzösischen Stadt Arras.

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Seit 2008 hat das Heim, gegründet vom ehemaligen Staatsanwalt Jean-Pierre Valensi, mehr als 700 Männer vorübergehend aufgenommen, die gewalttätig gegenüber ihren Frauen geworden waren und dort psychologische Betreuung erhielten. „Das erlaubt den Frauen, zu Hause zu bleiben und verhindert, dass die Kinder den Ort wechseln müssen“, sagt Marie-Françoise Montel, die bei der Stadt Arras zuständig für das Home des Rosati ist. Mit rund 13 Prozent sei die Rückfallquote deutlich geringer als im nationalen Durchschnitt, wo sie bei etwa 40 Prozent liegt. Jeder der Insassen kommt freiwillig, bleibt mindestens drei Wochen und hat Gruppen- sowie Einzelsitzungen zu absolvieren sowie Haushaltstätigkeiten zu übernehmen.

Viele Männer spielten ihre eigene Gewalttätigkeit zunächst herunter, sagt Montel. Es gehe darum, „ihnen die Schwere ihrer Taten begreiflich zu machen“. Sie sollten „verstehen, was ihre Gewalt ausgelöst hat und daran arbeiten, dass es sich nicht wiederholt“.

30 weitere Heime für gewalttätige Männer

Als erste Anstalt dieser Art in Frankreich diente das Home des Rosati inzwischen als Vorbild für insgesamt 30 weitere Heime für gewalttätige Männer, die seit November 2019 nach und nach entstehen. Das war eine von 46 Maßnahmen, die damals bei einem Gipfel zwischen Regierungsmitgliedern, Hilfsvereinigungen und Feministinnengruppen beschlossen wurden. Im Jahr 2018 starben in Frankreich 121 Frauen durch die Hand ihres Partners, 2019 waren es 146, im vergangenen Jahr sank die Zahl auf 90. Darüber hinaus werden jährlich schätzungsweise 210.000 Frauen in Frankreich Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt.

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Zu den Maßnahmen gehörten außerdem die Anschaffung von 1000 elektronischen Fußfesseln, um via Standortbestimmung zu überwachen, ob Männer das Annäherungsverbot einhalten, die Möglichkeit der Aussetzung des ärztlichen Berufsgeheimnisses in Ausnahmen und mehr Plätze in Frauenhäusern. Die Regierung organisiere zwar große Kampagnen zur Prävention von Gewalt gegen Frauen, aber das Budget sei stets zu gering, kritisiert dennoch die Filmemacherin Gambart. Zwar sei es nachvollziehbar, dass zunächst Geld für die Hilfe der Opfer bereitgestellt werde. „Aber dieses Heim ist effizient gegen Rückfälle. Es ist bemerkenswert, was für eine Entwicklung diese Männer innerhalb von wenigen Wochen machen.“ Viele behaupten zunächst, Opfer zu sein. Erst allmählich begreifen sie, dass sie die Peiniger sind.

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