Gewehrschüsse auf das „Auge der Welt“

Auf Beobachtungsmission in der Ostukraine: Eine Drohne der OSZE hebt ab.

Auf Beobachtungsmission in der Ostukraine: Eine Drohne der OSZE hebt ab.

Es war am Abend des 6. April. Im kleinen Ort Stepanivka in der Ukraine, umgeben von weiten Feldern, schoben Mitarbeiter der OSZE ihre drei Meter lange und 110 Kilo schwere weiße Drohne nach draußen.

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Es war mal wieder Zeit für einen Beobachtungsflug.

Stepanivka liegt weit im Osten der Ukraine, aber noch in dem von der Zentralregierung in Kiew kontrollierten Gebiet. Erst 25 Kilometer weiter südlich stößt man auf Stacheldraht und Straßensperren. Dahinter beginnt die Region rund um die Großstadt Donezk, dort führen prorussische Rebellen Regie.

Die neutrale Beobachtung von Konfliktzonen ist die Kernaufgabe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ihr gehören 57 Staaten an, darunter alle EU-Staaten, alle Teilstaaten der früheren Sowjetunion sowie die USA und Kanada.

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Ukraine: Merkel und Biden mahnen Russland
ARCHIV - 01.02.2013, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empf��ngt im Kanzleramt den damaligen US-Vizepr��sidenten Joe Biden. (zu dpa ��Ukraine-Konflikt: Merkel und Biden unterst��tzen Forderungen an Putin��) Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Von Russland sei der Abbau der jüngsten Truppenverstärkungen im Osten der Ukraine zu erwarten, so Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwochabend.

Eine elektronische Störung, die von außen kam

In der Ukraine nutzt das OSZE-Team den Camcopter S-100 der österreichischen Firma Schiebel. Die Hightech-Drohne hat sich bewährt. Sie steigt auch bei starkem Wind auf, kann sechs Stunden in der Luft bleiben und liefert automatisch ihre Bilder, bei Bedarf mit Nachtsicht- und Wärmebildtechnik, bevor sie dann autonom zurückkehrt zum Standort Stepanivka.

Am 6. April allerdings weigerte sich das Wunderwerk, vom Boden abzuheben.

Die elektronische Anzeige wies, während der Rotor schon lärmte, auf eine technische Störung hin, die von außen kam: „GPS jamming“. Störsender, von wo auch immer, verhinderten die für Start, Flug und Landung unverzichtbare Verbindung zur satellitengestützten globalen Positionsbestimmung.

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„Zum ersten Mal“, heißt es im digitalen Tagebuch der OSZE, „hat an diesem Tag eine solche Störung schon den Start verhindert.“

An vorübergehende GPS-Störungen während des Flugs hat sich das OSZE-Team schon gewöhnt, sie finden fast jedes Mal statt. „In den vergangenen zwei Monaten sind 82 Prozent unserer Drohnenflüge mit GPS-Jamming gestört worden“, klagt OSZE-Sprecherin Dragana Nikolic-Solomon gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Dragana Nikolic-Solomon, Absolventin der London School of Economics, arbeitete für EU-Projekte im Kosovo, bevor sie Sprecherin der OSZE-Mission in der Ukraine wurde.

Dragana Nikolic-Solomon, Absolventin der London School of Economics, arbeitete für EU-Projekte im Kosovo, bevor sie Sprecherin der OSZE-Mission in der Ukraine wurde.

Damit nicht genug: Es wurde auch scharf geschossen. „Allein zwischen dem 5. und dem 18. April sind in 13 Fällen Schüsse auf die Drohne abgegeben worden“, sagt Nikolic-Solomon. In zehn Fällen seien die Schüsse aus dem Rebellengebiet gekommen.

Eine weiße Drohne mit OSZE-Aufschrift lässt in der Region wirklich nur die OSZE fliegen. Truppen, die trotzdem ihre Gewehre zücken, wissen also: Ihre Schüsse zielen auf das „Auge der Welt“.

Auch am Boden wird den OSZE-Beobachtern das Beobachten immer mehr erschwert: Mal werden Patrouillenfahrten aufgehalten, mal wird ihnen der Zugang zu Krankenhäusern verwehrt, neuerdings unter Verweis auf die Corona-Pandemie. Seit Jahresbeginn habe man 150 Fälle von Bewegungsbeschränkungen für OSZE-Beobachter protokolliert, 89 Prozent davon im Rebellengebiet.

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„Obwohl unsere Bewegungsfreiheit sowohl in unserem Mandat als auch in den einschlägigen Minsker Abkommen verankert ist, wird sie fast täglich weiter eingeschränkt“, sagt Nikolic-Solomon.

Das Rätselraten über Russland geht weiter

Die Behinderung der Beobachter kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn gerade jetzt, da Russland das Ende von Großmanövern in der Nähe der Ukraine angekündigt hat, gibt es weltweit ein gewachsenes Interesse an einer neutralen Einschätzung der Lage im Osten der Ukraine.

Die amtierende OSZE-Vorsitzende, Schwedens Außenministerin Ann Linde, forderte, endlich das Minsker Abkommen ernster zu nehmen und umzusetzen. Punkt eins des schon im Jahr 2014 unterzeichneten Vertrages sind eine Waffenruhe und deren Überprüfung durch die OSZE.

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Der Westen übt bereits in diesem Sinne Druck auf Kiew aus. Offen ist aber, ob auch Russlands Präsident Wladimir Putin durch Druck auf die moskautreuen Rebellen zu einer Beruhigung beitragen will. Westliche Diplomaten unterstellen ihm, er halte den Konflikt am Laufen und wolle für dessen Beruhigung, wenn er ihr denn zustimme, „etwas verlangen“.

Auch nach dem Ende des Großmanövers geht also das Rätselraten über Russland weiter. Zu einer weiteren Verdüsterung des Bildes trugen jüngste OSZE-Befunde bei: Im April tauchten in Drohnenaufnahmen aus dem Rebellengebiet Waffen mit der Bezeichnung MON-100 und PMN-2 auf, die zu einer international geächteten Kategorie gehören: Antipersonenminen.

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