Kommentar zum Nato-Ukraine-Rat

Putins Kriegskalkül droht aufzugehen – nun muss der Westen reagieren

Der russische Staatschef setzt in der Ukraine auf eine Stumpf-ist-Trumpf-Taktik: Wladimir Putin in einer Aufnahme, die ihn nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur bei einem Besuch in der fernöstlichen russischen Region Chukotka zeigt.

Der russische Staatschef setzt in der Ukraine auf eine Stumpf-ist-Trumpf-Taktik: Wladimir Putin in einer Aufnahme, die ihn nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur bei einem Besuch in der fernöstlichen russischen Region Chukotka zeigt.

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In den Nächten nach dem Jahreswechsel nahm Russland die Ukraine unter Beschuss wie selten zuvor. Russische Raketen und Drohnen diverser Typen flogen gleichzeitig westwärts, die ukrainischen Flugabwehrstellungen feuerten und knatterten an ihren Belastungsgrenzen.

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Anfangs verkündete Kiew eine stolze Bilanz: Man habe fast alles vom Himmel geholt. Doch die Attacken gingen in den folgenden Nächten weiter. Und so musste der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Oberst Jurij Ihnat, zu Beginn dieser Woche zerknirscht vor die Presse treten und eine Bilanz ganz anderer Art ziehen: Es fehle mittlerweile an Flugabwehrraketen, man habe inzwischen die Vorräte strikt rationieren müssen.

Für den Kriegsherrn Wladimir Putin ist das zum Kichern. Das Beispiel zeigt, wie er den Krieg, in dem Russland über lange Strecken militärisch oft nicht gut aussah, am Ende doch noch gewinnen könnte: mit Masse statt Klasse. Die Ukraine verfügt zwar inzwischen, vor allem rund um Kiew und einige andere Großstädte, über hoch effektive Flugabwehr. Doch die besten westlichen Systeme, ob Patriot oder Iris-T, nützen nichts, wenn ihnen die Munition ausgegangen ist.

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Putin zeigt jetzt, dass er das kleine Einmaleins der Kriegsführung beherrscht. Er weiß, dass man aus einer anfangs nur zahlenmäßigen Überlegenheit mit Geduld und Beharrlichkeit früher oder später auch eine militärische Überlegenheit machen kann. Für Moskau ist das übrigens historisch gesehen alles andere als ein neuer Ansatz.

Nicht alle russischen Raketen konnten abgefangen werden; Straßenzug in Kiew nach den massiven Luftangriffen vom 2. Januar 2024.

Nicht alle russischen Raketen konnten abgefangen werden; Straßenzug in Kiew nach den massiven Luftangriffen vom 2. Januar 2024.

Eine Stumpf-ist-Trumpf-Taktik

Wie soll die Nato auf Putins Stumpf-ist-Trumpf-Taktik reagieren? Die Frage dominierte am Mittwoch auch die Debatten im neu geschaffenen Nato-Ukraine-Rat. Das Bündnis muss manche Dinge neu gewichten. Die Ukraine braucht jetzt vor allem Liefersicherheit bei Munition – keine großen neuen Strategiedebatten.

Auch die deutsche Diskussion über den Taurus ist, so sehr sich Kiew diesen Marschflugkörper wünscht, militärisch vorläufig sekundär. Als drängendes Problem entpuppt sich dagegen mit Blick auf schon gelieferte Panzer und Geschütze die schlichte Frage der Instandsetzung: Im Augenblick sind Reparatureinrichtungen allzu weit von der Front entfernt.

Noch ist die Ukraine nicht verloren. Auch Kiew hat das kleine Einmaleins der Kriegsführung im Blick. Die ukrainische Armee hat beispielsweise dafür gesorgt, dass Putin seine geringen Geländegewinne im Osten der Ukraine nur mit unfassbar großen Opfern an russischen Soldaten erkaufen konnte. Zudem gelangen der Ukraine Schläge auf wichtige Ziele weit hinter der Front, etwa auf der Krim. Mal wurden dort russische Schiffe getroffen, mal Kommandozentralen.

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Doch der Westen muss einsehen, dass es nicht um Sprints geht, sondern um einen Langstreckenlauf. Das Risiko einer Niederlage der Nato auf lange Sicht steigt mit jeder Woche, in der Russland etwa bei Artilleriegeschossen weiterhin ein Vielfaches dessen produzieren lässt, was der Westen zu Stande bringt. EU und USA bleiben in historischer Weise herausgefordert. Sie sollten westliche Festigkeit nicht mehr nur verbal bekunden, sondern daraus endlich etwas – auch im engeren Sinne – Berechenbares machen.

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