Kehrtwende des Republikaner-Chefs

Haushaltsstreit in den USA: Eine Atempause im Shutdown-Krimi

Überraschende Kehrtwende: Kevin McCarthy, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, gab den Versuch auf, Stimmen vom ultrarechten Teil seiner Fraktion einzusammeln. Stattdessen suchte er die Hilfe der Demokraten.

Überraschende Kehrtwende: Kevin McCarthy, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, gab den Versuch auf, Stimmen vom ultrarechten Teil seiner Fraktion einzusammeln. Stattdessen suchte er die Hilfe der Demokraten.

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Washington. An Chaos und Drama mangelte es nicht. Erst legte Kevin McCarthy, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, eine atemberaubende Kehrtwende hin, dann löste ein Abgeordneter einen falschen Feueralarm aus und schließlich mussten Protokollbeamte eilig abwesende Senatoren heranschaffen. Doch am Ende, keine drei Stunden vor Ablauf der mitternächtlichen Frist in der Nacht zu Sonntag, war die unausweichlich scheinende Haushaltssperre in den USA abgewendet – jedenfalls bis Mitte November.

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Übergangshaushalt beschlossen: Regierungsstillstand in den USA vorerst abgewendet

Der Repräsentantenhauschef Kevin McCarthy muss um seinen Job fürchten und die Ukraine-Hilfen bleiben in der Schwebe.

Die Spitzen von Republikanern und Demokraten zeigten sich zufrieden. „Ich möchte Teil der konservativen Gruppe sein, die etwas erreichen will“, sagte ein strahlender McCarthy mit einem Seitenhieb auf die radikalen Trump-Anhängerinnen und ‑Anhängern in seinen Reihen. „Das amerikanische Volk hat gewonnen, die extremen Maga-Republikaner haben verloren“, erklärte Hakeem Jeffries, der Fraktionschef der Demokraten. Bei einem Shutdown hätten zwei Millionen Soldaten und 1,5 Millionen zivile Bundesbedienstete kein Gehalt mehr bekommen und zahlreiche staatliche Leistungen wären auf Eis gelegt worden.

Extreme Trump-Anhänger ließen McCarthy auflaufen

Ein solcher Stillstand der Regierungsgeschäfte, wie es ihn zuletzt zum Jahreswechsel 2018/2019 gab, ist nun fürs Erste abgewendet. Möglich wurde das durch eine parteiübergreifende Einigung auf einen 45-tägigen Übergangshaushalt im Repräsentantenhaus. Dort verfügen die Republikaner über eine hauchdünne Mehrheit. Doch McCarthy hatte mehrfach vergeblich versucht, ein Budget mit den Stimmen seiner Fraktion zu verabschieden. Am Freitag hatten 21 ultrarechte Hardliner selbst gegen eine Vorlage gestimmt, die brutale Sozialkürzungen von bis zu 30 Prozent vorsah.

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Überraschend wandte sich McCarthy in dieser Lage am Samstag den Demokraten zu und brachte einen 70-seitigen Übergangshaushalt ohne Einschnitte ein. Allerdings fehlen in dem Budget die von Präsident Joe Biden versprochenen 24 Milliarden Dollar neue Ukraine-Hilfen. Der New Yorker Demokraten-Abgeordnete Jamaal Bowman war offenbar so perplex, dass er den Feueralarm im Kapitol auslöste – mutmaßlich, um die Abstimmung in die Länge zu ziehen. Ihm droht ein Strafverfahren.

Auch der Senat stimmt zu

Nach kurzer Bedenkzeit stimmten die Demokraten dann geschlossen zu. Sie fürchteten den Vorwurf, die amerikanische Bevölkerung für die Ukraine-Unterstützung den Entbehrungen eines Regierungsstillstands auszusetzen. Von den anwesenden 217 Republikanern stimmten 91 mit Nein. Anschließend musste noch der mehrheitlich demokratische Senat zustimmen, was sich wegen prozeduraler Hürden und der Abwesenheit einiger Politiker zu einer stundenlangen Zitterpartie entwickelte. Zugleich verzichtete die zweite Kammer auf ihren eigenen Gesetzesvorschlag, der 6 Milliarden Dollar Ukraine-Hilfen vorgesehen hätte.

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Was der Haushaltskompromiss nun für die von Russland überfallene Ukraine bedeutet, war zunächst unklar. Das Weiße Haus zeigte sich optimistisch, dass es zu Nachbesserungen kommen werde. Mehrere Senatoren erklärten, noch am Montag werde ein Zusatzartikel eingebracht, der die Hilfen enthalten soll. Auch Jeffries versicherte, diese Zusagen würden schnell nachgereicht: „Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben in den nächsten Tagen die Wahl: Entweder stimmen sie für die Freiheit und das ukrainische Volk, oder sie gehen vor der Pro-Putin-Gruppe in ihrer Fraktion in die Knie“, antwortete er auf eine Frage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND).

Allerdings dürfte sich an dem Grunddilemma der Republikaner nichts ändern: Ihr Vormann McCarthy hat keine eigene Mehrheit, weil mehr als ein Dutzend ultrarechte Fraktionsmitglieder eine reine Obstruktionspolitik betreiben, deren einziges Ziel die Profilierung vor der radikalen Basis im Kampf gegen den verhassten Staat ist. Diese Extremistentruppe droht ihm nun mit dem Sturz. Die Macht dazu hat sie, weil McCarthy für seine Wahl in 15 Wahlgängen weitreichende Zugeständnisse machen musste: Ein einzelner Abgeordneter kann jederzeit eine Vertrauensabstimmung über den Speaker erzwingen.

„Wenn jemand diesen Antrag einbringen will, soll er es machen“, gab sich McCarthy am Samstag kämpferisch und lobte seine eigene Rolle: „Es muss einen Erwachsenen im Raum geben.“ Angesichts der Zahl der parteiinternen Abweichler könnte McCarthy ein solches Votum wohl nur überstehen, wenn zumindest einige Demokraten für ihn stimmen. Bisher schien das unwahrscheinlich. Doch in Washington wird jetzt geunkt, dass die Demokraten die Aussicht auf Unterstützung in den Verhandlungen einsetzen könnten, um erhebliche Zugeständnisse – etwa für die Ukraine – durchzusetzen.

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