Neues Gutachten in Arbeit

Weshalb der Verfassungsschutz die AfD bald als „gesichert extremistisch“ einstufen könnte

Eine AfD-Demo unter dem Motto „Unser Land zuerst“ am 8. Oktover 2022 in Berlin.

Eine AfD-Demo unter dem Motto „Unser Land zuerst“ am 8. Oktover 2022 in Berlin.

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Berlin. Das Bundesamt für Verfassungs­­schutz (BfV) arbeitet an der Erstellung eines neuen Gutachtens zur AfD und will die Partei künftig als „gesichert extremistische Bestrebung“ einstufen. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) unter Berufung auf interne E-Mails und Vermerke des Verfassungs­schutzes. Auch dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) liegen Informationen vor, nach denen das Bundesamt die Hochstufung der AfD bereits in den kommenden Monaten plant.

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Bislang stuft das BfV die AfD als Rechts­extremismus-Verdachts­fall ein. 2019 hatte der Verfassungs­schutz die Partei bundesweit zunächst als „Prüffall“ klassifiziert. Schon 2021 war das Bundesamt sich aber sicher, genug Material zusammen­getragen zu haben, um die Partei zum „Verdachts­fall“ hochzustufen. Dagegen klagte die AfD bislang erfolglos. Das zuständige Verwaltungs­gericht Köln bestätigte die Entscheidung des Verfassungs­schutzes im März 2022. In zwei Wochen will das Ober­verwaltungs­gericht Münster über die Berufung der AfD gegen dieses Urteil verhandeln.

Eine Fahne mit dem Parteilogo der AfD weht während einer Kundgebung der AfD Sachsen-Anhalt auf dem Marktplatz .

Sinkende AfD-Umfragewerte: Kein Grund, sich auszuruhen

Dass die AfD-Umfrage­werte nun erneut gesunken sind, ist ein positives Signal. Bei der Interpretation dieser Wahl­umfragen ist aber Vorsicht geboten. Auf keinen Fall dürfen sich demokratische Parteien und Zivil­gesellschaft jetzt darauf ausruhen, kommentiert Felix Huesmann.

Verfassungsschutz wartet Gerichtsverfahren ab

Dieser noch nicht abgeschlossene Gerichts­prozess über die Einstufung als „Verdachts­fall“ ist wohl auch der Grund, weshalb das Bundesamt für Verfassungs­schutz die gesamte AfD nicht bereits zur „gesichert rechts­extremen Bestrebung“ hochgestuft hat. Schon seit Monaten sitze ein Team des BfV daran, ein neues Gutachten über die AfD zu erstellen, berichtete die „SZ“. Die Beamten hätten jedoch aus Rücksicht auf die Verhandlung in Münster mit den nächsten Schritten gewartet.

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Spätestens seit März 2023 sei in internen E-Mails des Bundes­amtes von einem Folge­gutachten die Rede gewesen, das das bislang gültige von 2021 ersetzen solle. Im April 2023 sei bereits ein erster Entwurf einer Gliederung kursiert. Das Dokument liste die schon bekannte Kritik des Verfassungs­schutzes an Rassismus und Autoritarismus in der AfD auf, enthalte aber auch einen neuen Punkt über das Verhältnis der Partei zu Russland. Die zu erwartenden Erwägungen des Ober­verwaltungs­gerichts Münster sollten in dem Gutachten nun möglichst noch berücksichtigt werden, hieß es laut „SZ“ in internen E-Mails des Verfassungs­schutzes. Das Bundesamt wollte diese Recherche auf Anfrage der „SZ“ nicht bestätigen. „Zu behörden­internen Arbeits­abläufen nimmt das BfV grundsätzlich keine Stellung“, zitiert die Zeitung das BfV.

Verfassungsschutz bereitet neue Einschätzung zur AfD vor

Bislang wird die AfD nur als sogenannter Verdachtsfall des Rechts­extremismus geführt.

Was eine Hochstufung bedeuten würde

Schon als „Verdachtsfall“ darf der Verfassungs­schutz die AfD auch mit nachrichten­dienstlichen Mitteln beobachten, in bestimmten Fällen auch Telefonate von AfD-Funktionären abhören, verdeckte Mitarbeiter einsetzen und V-Leute in der Partei anwerben. Solche Maßnahmen, die stark in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen, gelten bei einem „gesichert rechts­extremen“ Beobachtungs­objekt allerdings eher als verhältnis­mäßig, könnten künftig also häufiger zum Einsatz kommen. Doch der gesetzliche Auftrag des Verfassungs­schutzes ist es nicht nur, Verfassungs­feinde zu beobachten – er soll auch die Öffentlichkeit über sie unterrichten. Eine Einstufung der AfD als „gesichert rechts­extrem“ wäre dabei ein gewichtiges öffentliches Signal. Eine solche Einstufung gilt auch als wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem möglichen AfD-Verbots­verfahren vor dem Bundes­verfassungs­gericht.

Bislang wird die AfD lediglich in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen als gesichert rechts­extrem eingestuft. Bundesweit gilt diese Einstufung außerdem für die AfD-Jugend­organisation Junge Alternative (JA). Eine dagegen gerichtete Klage der JA wies das Verwaltungs­gericht Köln Anfang Februar ab.

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Völkische Rechtsextreme geben längst den Ton an

Um die gesamte Partei als „gesichert rechts­extrem“ einstufen zu können, müsste das Bundesamt für Verfassungs­­schutz in seinem Gutachten nachweisen, dass sich die Anhalts­punkte für Bestrebungen der Partei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung seit der Einstufung als Verdachts­fall weiter verdichtet haben. Das dürfte den Verfassungs­schützern nicht schwerfallen. Der völkische und klar rechts­extreme Teil der AfD hat seinen Einfluss auf die gesamte Partei in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut. Im vergangenen Sommer wählten die Delegierten des Europa­parteitags der AfD in Magdeburg mit Maximilian Krah jemanden zu ihrem Spitzen­kandidaten für das EU-Parlament, der regelmäßig durch seine Nähe zu Rechts­extremen auch außerhalb der Partei auffällt.

In Nordrhein-Westfalen wählte der Landes­parteitag der AfD am vergangenen Wochenende zwar den als vergleichsweise gemäßigt geltenden Landeschef Martin Vincentz wieder, die Delegierten wählten aber auch den rechts­extremen Dortmunder Bundestags­abgeordneten Matthias Helferich in den Landes­vorstand. Helferich war 2021 in den Bundestag eingezogen – jedoch sogar der AfD-Bundestags­fraktion zu radikal, weshalb er als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament sitzt.

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