Verhandlungen laufen

Sanierungspflicht in der EU? Was auf Hausbesitzer zukommen könnte

Blick am Abend auf Hochhäuser und Mehrfamilienwohnhäuser im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf.

Blick am Abend auf Hochhäuser und Mehrfamilienwohnhäuser im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf.

Berlin. Während das neue Heizungsgesetz hitzig diskutiert wird, gibt es auch auf europäischer Ebene Pläne zur Sanierung von Gebäuden, die bei Hausbesitzerinnen und ‑besitzern für Unruhe sorgen. Geht es nach dem EU‑Parlament, sollen bis 2050 Gebäude von Lissabon bis Helsinki klimaneutral sein. Das Parlament folgte im März mehrheitlich einem Vorschlag der EU‑Kommission, neue Standards für die Energieeffizenz von Gebäuden einzuführen. Beschlossen ist das allerdings noch nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Worum geht es?

Die Europäische Union möchte klimaneutral werden. Dabei nimmt sie nicht nur Verkehr oder Landwirtschaft, sondern auch den Gebäudesektor ins Visier. Nach Angaben der EU‑Kommission sind Gebäude für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in den 28 Mitgliedsstaaten verantwortlich. Dass Gebäude bis 2050 klimaneutral sind, soll schrittweise passieren. So sollen Neubauten ab 2028 so gebaut werden, dass sie bezüglich des CO₂-Ausstoßes als emissionsfrei gelten und mit Solaranlagen ausgestattet sind. Sind größere Renovierungen dafür nötig, bliebe bis 2032 Zeit. Außerdem müssten bereits bestehende Gebäude bis 2027 beziehungsweise bis 2033 bestimmte Effizienzklassen erreichen.

Was ist mit der Sanierung?

Genau da liegt für viele der Knackpunkt. Denn die Pläne des EU‑Parlaments sehen vor, dass Millionen Gebäude eine höhere Energieffizienz­klasse erreichen. Dazu soll es eine Skala von A bis G geben. Bis 2030 müssten Wohngebäude mindestens die Klassen E und bis 2033 die Klasse D erreichen. Nötig wären dafür Sanierungen. Die EU‑Länder hätten dabei allerdings Gestaltungsspielraum.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Welche Ausnahmen könnte es geben?

Die Mitgliedstaaten können in bestimmten Fällen Sozialwohnungen ausnehmen. Außerdem sollen die Vorschriften nicht für Denkmäler gelten. Denkbar sind nach den derzeitigen Plänen auch Ausnahmen für Gebäude, die unter wegen ihres historischen oder architektonischen Wertes unter Schutz stehen, oder technische Gebäude.

Wie geht es jetzt weiter?

Zwar hat das EU‑Parlament sich für die Richtlinie ausgesprochen, doch beschlossen ist das Ganze noch nicht. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen dem Parlament und den EU‑Staaten. Einigen sich Parlament und Rat – also die Regierungschefs der Staaten – braucht es noch einen formellen Beschluss. Aus den Ländern gibt es jedoch bereits viele kritische Stimmen, beispielsweise aus Italien oder Polen. Auch aus Deutschland gibt es Bedenken.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Klima-Check

Erhalten Sie den Newsletter mit den wichtigsten News und Hintergründen rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Was ist die deutsche Position?

Nahezu alle Ministerien beteiligen sich an der deutschen Position, das Wirtschaftsministerium übermittelt die Stellungnahmen dann an Brüssel. Noch handele es sich um Entwürfe, weswegen man das nicht kommentiere, heißt es aus Habecks Haus. Ziel in den anstehenden Trilogverhandlungen seien jedoch „lebensnahe Regelungen, die niemanden überfordern und gleichzeitig die Klimaneutralität sicherstellen“.

Auch aus dem Bauministerium kommen ähnliche Töne. Ministerin Klara Geywitz habe ein besonderes Interesse an „praktikablen und sozialverträglichen Anforderungen an die Sanierung und wird diese Position auch einbringen“, sagte ein Sprecher auf RND-Anfrage. Die SPD-Politikerin hatte allerdings schon vorab Bedenken geäußert. „Ich werde als Bauministerin keinen Vorschlag unterstützen, der einen technischen Sanierungszwang für einzelne Gebäude vorsieht“, sagte sie im März der „Bild am Sonntag“. Bisher setze die Gebäuderichtlinie auf Anforderungen an Einzelgebäude, so ein Sprecher. Das Bauministerium präferiere hingegen einen Quartiersansatz. So würde nicht jedes Gebäude einzeln betrachtet, sondern ein Quartier, ein Stadtteil oder ein Dorf.

Was sagen Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer?

„Grundsätzlich ist der Vorstoß aus der EU sinnvoll, neue Wege zu gehen mit Vorgaben an die Energieeffizienz der energetisch schlechtesten Gebäude“, sagt Patrick Biegon, Referent für Energie und Bauen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. „Hier liegen die größten Energie- und CO₂‑Einsparpotenziale“, so Biegon. Dadurch könnten Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig auch Geld sparen. Allerdings sei die soziale Flankierung zentral.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Wer ein Gebäude ganz oder teilweise sanieren will, kann unter Umständen 2021 von mehr Förderung profitieren.

Haussanierung.

Mit Blick auf die deutsche Position sei wichtig, dass die Bundesregierung nun Kurs halte. „Sie muss bei ihrer im Koalitionsvertrag vereinbarten Zustimmung zum Kommissionsvorschlag zur Gebäuderichtlinie bleiben“, fordert Biegon. „Ohne eine ambitionierte Position der Bundesregierung droht die Richtlinie stark abgeschwächt zu werden“, sagt er. Das wäre nicht im Verbraucherinteresse, weil es ohne eindeutige Vorgaben keine Planungssicherheit für alle Beteiligten gebe.

Ausschlaggebend sei, dass die staatliche finanzielle Unterstützung ausreichend hoch und sozial gerecht ausgestaltet sei, so der Verbraucherschützer. Zentral sei auch, dass die Kosten für den Klimaschutz im Gebäudesektor nicht einseitig auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt werden dürfte. Die Modernisierungsumlage müsse im nationalen Mietrecht deshalb dringend reformiert werden.

… und Umweltschützerinnen und Umweltschützer?

Die Deutsche Umwelthilfe begrüßt den Vorstoß für eine verbindliche Verankerung der Mindest­effizienz­standards (MEPS) für Bestandsgebäude. „Mit diesem Instrument sollen gezielt die sogenannten worst performing buildings, also die energetisch schlechtesten Gebäude mit dem höchsten CO₂‑Ausstoß adressiert werden“, sagt Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Das sei ein wichtiger Ansatz, um sowohl beim Klimaschutz im Gebäudesektor voranzukommen, als auch gezielt Bewohnerinnen und Bewohner vor hohen Energiepreisen und Energiearmut zu schützen. Sie begrüßte, dass besonders öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude mit vorgezogenen Fristen im Fokus stünden, die häufig besonders schlechte Energiekernwerte aufwiesen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Bisher habe die DUH positiv zur Kenntnis genommen, wie sich Deutschland auf Regierungsseite in die Verhandlungen eingebracht habe. Einziger Ausreißer sei an vielen Stellen die FDP, die versuche, zentrale Elemente der Mindeststandards zu blockieren, kritisiert Metz. „Wir hoffen, dass Deutschland auch in den Trilogverhandlungen seine Vorbildrolle weiter ausfüllt und für eine verbindliche Regelung einsteht, die mit ambitionierten Vorgaben dazu geeignet ist, zur Erreichung der europäischen und nationalen Klimaziele beizutragen“, so Metz. Die „bereits sehr weitreichenden“ Ausnahmeregelungen dürften auf keinen Fall erweitert werden. Außerdem warne die DUH davor, beispielsweise mit Quartiersansätzen von der Kernidee der MEPS abzukommen – nämlich zielgenau die schlechtesten Gebäude zu erfassen und sie zu verbessern.

Welche Kritik gibt es aus der Politik?

Die FDP-Fraktion äußert deutliche Kritik. „Die Zwangssanierung von Gebäuden ist der falsche Weg“, sagte der bau- und wohnungspolitische Sprecher Daniel Föst dem RND. „Es ist unmöglich, innerhalb von zehn Jahren knapp die Hälfte aller europäischen Gebäude zu sanieren. Das überfordert die Menschen finanziell.“ Zudem fehle es an Handwerksleuten und entsprechendem Material. „Einen Green Deal am Reißbrett zu entwerfen bringt nichts, wenn er in der Praxis nicht funktioniert“, kritisiert der FDP-Politiker. „Es ist für den Weg in die Klimaneutralität ausschlaggebend, dass wir die Menschen nicht verlieren.“

Die Bundesregierung sollte sich für möglichst unterschiedliche Technologien, Fristen und Regelungen starkmachen, damit jede Hausbesitzerin und jeder Hausbesitzer individuell entscheiden könne, wie er oder sie sein oder ihr Haus saniere. „Zudem müssen wir den Kommunen mehr Zeit geben, kommunale Wärmeplanungen anzugehen“, fordert Föst. „Das alles wird in Griechenland anders funktionieren als in Finnland.“ Wichtig für den Prozess wäre es, den CO₂‑Verbrauch in den Fokus zu stellen, und nicht, wie sehr etwa ein Haus gedämmt ist sei. „Es gilt deshalb, alles zu fördern, was CO₂ verhindert. Technologieoffen, innovationsgetrieben, ideologiefrei.“ All diese Punkte seien noch nicht ausreichend geklärt und müssten dringend überarbeitet werden.

Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
Anzeige
Anzeige