Die Fehler des Herrn Habeck
Der Wirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch in Berlin.
Quelle: IMAGO/Eibner Europa
Berlin. Wenn die Härte des Boulevards ein Gradmesser für politischen Gegenwind sind, hat Robert Habeck das Schlimmste überstanden. Die „Bild“-Zeitung, die seit Wochen aus allen Rohren gegen das Heizungsgesetz des grünen Wirtschaftsministers feuert, begnügte sich am Donnerstag mit dem Diminutiv: „Heiz-Hämmerchen“ statt „Heizhammer“ – das klang schon fast ein wenig versöhnlich.
Hinter Habeck liegen schlimme Wochen, vermutlich die schlimmsten seiner politischen Karriere. Er hat einen Staatssekretär verloren, kübelweise Häme abbekommen und eine Kampagne gegen sich erlebt wie nur wenige Spitzenpolitiker vor ihm. Bisweilen wirkte der frühere Hoffnungsträger und „Kanzler der Herzen“ wie eine Schießbudenfigur: Jeder durfte mal draufhalten.
Manches war unanständig, einiges übertrieben, aber einen guten Teil der Kritik hat Habeck sich selbst eingebrockt. Durch immer neue Fehler hat er dazu beigetragen, die Debatte um seine Person, sein Umfeld und seine Politik am Kochen zu halten.
Sein größter Missgriff war eine Personalie
Dabei liegt sein vielleicht größter Missgriff bereits eineinhalb Jahre zurück: Mit Patrick Graichen hatte Habeck einen Mann zum Energiestaatssekretär berufen, dessen fachliche Kompetenz unbestritten ist, dem es aber erkennbar an politischem Fingerspitzengefühl mangelte. Graichen hatte einen Plan für die Energie- und Wärmewende, und er wollte ihn durchsetzen – ohne Rücksicht auf Verluste. Habeck hat ihn viel zu lange gewähren lassen und damit nicht nur Lobbyisten fossiler Energiekonzerne gegen sich aufgebracht, sondern große Teile der Bevölkerung.
Es ist kein Zufall, dass der Minister nun, nach Graichens Rauswurf, wieder pragmatischer agiert. So gesehen könnte sich die „Trauzeugenaffäre“ des ehemaligen Spitzenbeamten in der Rückschau für Habeck als glückliche Fügung erweisen, auch wenn sie kurz- und mittelfristig eine Menge Reputation und Glaubwürdigkeit gekostet hat.
Der Ärger der vergangenen Wochen hat bei Habeck Spuren hinterlassen. Müde sah er aus, als er am Donnerstag sein Gebäudeenergiegesetz in das Parlament einbringen durfte. Habeck weiß, dass längst noch nicht alle Schlachten um die Wärmewende geschlagen sind. Er räumt ein, dass manche Punkte in dem jüngsten Kompromisspapier bewusst schwammig formuliert worden sind – eben weil es noch keine Einigung gibt.
So ist zum Beispiel nicht geklärt, ob künftig die Wärmeplanung jeder einzelnen Kommune darüber entscheidet, ab wann die Regeln zum Heizungstausch scharf gestellt werden, oder ob das Enddatum 2028 für alle Städte und Gemeinden das Tempo vorgibt. Der Unterschied kann vier Jahre Sanierungszeit mehr oder weniger bedeuten. Auch bei den Fördersätzen und Ausnahmeregeln ist sich die Ampel noch uneins. Angesichts der ungezählten Stunden, die die Koalitionäre bereits über das Gesetz verhandelt haben, ist das ein Armutszeugnis.
Habeck ist ehrlicher als Scholz
Für Habeck spricht, dass er all die Probleme innerhalb der Koalition nicht beschönigt, sondern sie offen einräumt. Er fährt damit eine andere kommunikative Strategie als etwa Bundeskanzler Olaf Scholz, der lediglich „ein Ruckeln“ beim Heizgesetz vernommen haben will und inzwischen verkündet hat, dass es sich schon wieder „zu Ende geruckelt“ habe.
Habeck inszeniert sich gern als Mann der unbequemen Wahrheiten. In der Energiekrise kam er damit gut an. In der Klimapolitik ist die Sache ungleich schwerer, da viele nicht hören wollen, dass es so wie in der Vergangenheit nicht mehr weitergehen kann.
Politiker hätten die Aufgabe, „den Leuten keinen Scheiß zu erzählen“, hat Habeck einmal gesagt. Seine weitere Karriere dürfte davon abhängen, wie viel Wahrheit die Menschen ertragen – und wie viele Fehler er sich noch leistet.