SZ +
Merken

Im Obdachlosenheim herrscht Flaute

Im Moment ist die Einrichtung kaum belegt. Das lässt aber keinen Rückschluss auf die Zahl der Wohnungslosen in Löbau zu. Und die Situation kann sich schnell ändern.

Von Constanze Junghanß
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Holger Köpp zeigt eines der Zimmer für Obdachlose auf der James-von-Moltke-Straße in Löbau.
Holger Köpp zeigt eines der Zimmer für Obdachlose auf der James-von-Moltke-Straße in Löbau. © Rafael Sampedro

Holger Köpp hat jede Menge freie Zimmer anzubieten. Beim Leiter vom Obdachlosenheim „Haus Regenbogen“ auf der James-von-Moltke-Straße ist es im Moment ruhig. Aktuell leben nur einige wenige Menschen hier. Die Zimmer sind einfach ausgestattet: Bett, Schrank, Tisch, Stuhl und Kühlschrank. Niemand schaut im Gemeinschaftsraum Fernsehen.

Gibt es also ausgerechnet im Winter überhaupt keine Wohnungslosen mehr in Löbau? Holger Köpp schüttelt den Kopf. Das sei nicht so. Nur nutzen Betroffene nicht zwingend dieses Angebot. Für manche sei der Aufwand einfach zu groß, ist seine Erfahrung. „Um als wohnungslos zu gelten, müssen Betroffene ihre Wohnadresse austragen lassen“, sagt er. Das heißt: Steht im Ausweis die alte Adresse drin, ist eine Aufnahme nicht möglich. Doch wer beispielsweise schwere Alkoholprobleme, drogenabhängig oder auch krank ist, für den sei der Gang zum Einwohnermeldeamt und Behörden manchmal eine unüberwindbare Hürde. Der Aufenthalt in der Einrichtung kostet pro Tag 9,57 Euro. Damit die Kosten übernommen werden, müssten das Betroffene mit den Ämtern klären. „Nicht jeder schafft das oder will das“, ist die Erfahrung des 56-Jährigen. Obwohl er und seine Mitarbeiter Hilfe bei diesen Schritten anbieten, mag diese Wege nicht jeder gehen. Köpp weiß, was dann folgt: „Die Leute suchen Unterschlupf bei Bekannten oder ziehen weiter. Auch in andere Bundesländer“, sagt er. 

Gelöst ist damit das Problem ihrer Wohnungslosigkeit nicht. Nicht alle Betroffenen möchten sich zudem mit der geltenden Hausordnung anfreunden. Die besagt ein striktes Alkohol- und Drogenverbot. 2017 mussten deshalb zwei Personen die Unterkunft wieder verlassen. Und manchmal verschwinden Menschen nach ein paar Tagen wieder. So, wie die Rentnerin, die um ein Dach über dem Kopf bat und erzählte, sie käme aus den Altbundesländern, um in Görlitz Fuß zu fassen. Als es allerdings nach einer Weile um die Unterkunftskosten und deren Beantragung ging, sei die 70-Jährige untergetaucht. „Im Nachhinein kam raus: Die betagte Dame zieht mit dieser Masche von Bundesland zu Bundesland“, erzählt Holger Köpp. Fragen kann er die Seniorin also nicht mehr, wie so ein Leben aushaltbar ist.

Allerdings sieht man im Löbauer Stadtbild keine Obdachlosen unter Brücken oder in Parks. Insofern sei es auch schwierig, tatsächliche Zahlen zu nennen. Es gibt weder für den Landkreis noch für den Freistaat eine Statistik. Die Diakonie Sachsen kam in ihrem Vorjahresbericht zur „Wohnungsnotfallhilfe“ zu dem Schluss, dass die Armutslebenslage, Wohnungslosigkeit und drohende Wohnungslosigkeit immer mehr zunimmt. „Angesichts der steigenden Zahl wohnungsloser Menschen muss daher die Bekämpfung und Verhinderung von Wohnungslosigkeit ein Schwerpunkt der politischen Arbeit der nächsten Jahre werden“, heißt es da.

Doch es gibt auch noch einen anderen und für Herrn Köpp und seine – wie er betont, sehr engagierten - Mitarbeiter freudigen Grund, weshalb im Heim gerade Flaute herrscht. Von den zwölf Wohnungslosen in diesem Jahr konnten sieben in eigene Wohnungen in der Stadt und in Dürrhennersdorf umziehen. Einer davon fand sogar schon einen Job. „Ziel ist ja nicht, dass die Leute immer bei uns bleiben“, sagt Holger Köpp. Sondern es geht darum, dass die Betroffenen wieder Fuß im Leben fassen. Eine eigene Wohnung ist da der erste Schritt – das Obdachlosenheim eine Übergangsstation. Die muss Plätze für die Notfälle in Löbau und Umgebung vorhalten. Zwei Zwangsräumungen sind dem Heimleiter in kommender Zeit bereits gemeldet worden. Noch steht nicht fest, ob dadurch neue Bewohner einziehen. Falls es aber hart auf hart kommt, finden die Betroffenen auf der James-von-Moltke-Straße erst einmal eine Bleibe und menschliche Zuwendung. „Meine Mitarbeiter und ich sind dafür da, den Leuten zur Seite zu stehen“, sagt der Heimleiter. Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter und der Wohnungsverwaltung. 

Weitere Beiträge zum Thema:

- Kaum Obdachlose im Heim
Problematik ist nicht verschwunden (SZ Plus)