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Physik

Masse des Higgs-Bosons eingegrenzt

Messungen am LHC liefern bisher genauesten Wert für Higgs-Teilchenmasse

Diphoton-Zerfall des Higgs-Bosons
Das Higgs-Boson kann in zwei Photonen zerfallen – hier ein solcher Diphoton-Zerfall im ATLAS-Detektor des LHC. Die Energie dieser Photonen erlaubt Rückschlüsse auf die Masse des Higgs-Bosons. © CERN

Grundbaustein des Universums vermessen: Physiker am Forschungszentrum CERN haben die Masse des Higgs-Bosons so genau gemessen wie nie zuvor – und präzisieren damit auch unser physikalisches Standardmodell. Denn die Masse des Higgs-Bosons prägt seine Wechselwirkungen mit anderen Teilchen und damit auch den Prozess, durch den alle anderen ihre Masse erhalten. Den neuen Messungen zufolge ist das Higgs-Boson 125,22 Gigaelektronenvolt schwer mit einer Messunsicherheit von nur noch 0,09 Prozent.

Mit dem Nachweis des Higgs-Bosons im Juli 2012 haben Physiker eine wichtige Lücke im Standardmodell geschlossen. Erst dieses Teilchen und das mit ihm assoziierte Feld verleiht allen anderen Teilchen ihre Masse. Gleichzeitig sind das Higgs-Boson und seine Wechselwirkungen wichtige Indikatoren dafür, ob es im Kosmos noch unentdeckte Kräfte und Teilchen gibt – die „neue Physik“ jenseits des Standardmodells. Sollte es diese geben, könnte sie winzige Abweichungen in den Zerfallsprozessen oder der Masse des Higgs-Bosons verursachen.

Außerdem ist die Masse des Higgs-Bosons eng mit den Eigenschaften des Higgs-Potentials verknüpft, dem Feld, das auch die Stabilität des kosmischen Vakuums und damit letztlich unseres ganzen Universums prägt.

Massemessung über zwei Zerfallswege

Umso wichtiger ist es, die Masse des Higgs-Bosons möglichst genau zu bestimmen. Physiker am Forschungszentrum CERN bei Genf nutzen für diese Messungen die großen Detektoren am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC). Wenn dort bei den energiereichen Protonenkollisionen Higgs-Bosonen entstehen, erlauben die verschiedenen Zerfallswege dieses Teilchens auch Rückschlüsse auf seine Masse.

Jetzt ist den Physikern der ATLAS-Kollaboration am LHC die bisher genaueste Messung der Higgs-Masse gelungen. Sie werteten dafür Daten des ATLAS-Detektors aus den ersten beiden Laufzeiten des Teilchenbeschleunigers aus und kombinierten dabei Messungen von zwei verschiedenen Zerfällen des Higgs-Bosons. Im sogenannten Diphoton-Kanal (H→γγ ) zerfällt das Teilchen in zwei Photonen, beim Vier-Lepton-Zerfall (H→4l) in vier Leptonen – Elektronen, Myonen oder Tauonen.

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Massemessungen
Vergleich der Messwerte für die Higgs-Boson-Masse über die Diphoton- und Vier-Lepton-Zerfälle im ATLAS-Experiment während der ersten und weiten Laufzeit des LHC. © ATLAS Collaboration/ CERN

Messungenauigkeit bei 0,09 Prozent

Die Analysen der ATLAS-Daten für den Diphoton-Zerfall ergaben für das Higgs-Boson eine Masse von 125,22 Gigaelektronenvolt, wie die ATLAS-Kollaboration berichtet. Der Unsicherheitsfaktor für diese Messung liegt bei ± 0,14 Gigaelektronenvolt. „Dies entspricht einer Präzision von 0,11 Prozent und damit ist dieser Diphoton-Kanal-Wert die bisher genaueste Messung der Higgs-Boson-Masse auf Basis eines Zerfallskanals“, so die Physiker. Verglichen mit früheren Messungen dieses Kanals verringert dies die Messunsicherheit um das Vierfache.

Kombiniert mit dem zweiten Messwert für den Zerfall des Higgs in vier Leptonen konnte das Team die Masse noch etwas stärker eingrenzen. Beide Messungen zusammen ergeben eine Masse von 125,22 ± 0,11 Gigaelektronenvolt. Damit liegt die Messunsicherheit nur noch bei 0,09 Prozent. Damit ist dies die mit Abstand genaueste Messung dieses wichtigen physikalischen Parameters, so die ATLAS-Kollaboration.

Präzisierung durch technische Fortschritte an den Detektoren

„Diese neue Messung der Higgs-Boson-Masse trägt dazu bei, diesen entscheidenden neuen Sektor der Teilchenphysiker genauer auszuloten“, sagt ATLAS-Sprecher Andreas Hoecker. Möglich wurden die genaueren Analysen durch die nach der ersten Laufzeit des LHC erweiterten und optimierten Detektoren für Photonen und Elektronen. Dadurch waren die Messwerte aus der zweiten Laufzeit erheblich präziser als die der ersten.

Aber auch neue Kalibrierungstechniken bei der Photonenmessung im ATLAS-Experiment trugen zu den Verbesserungen bei. „Die fortgeschrittenen und strengen Kalibrierungstechniken, die wir in diesen Analysen verwendet haben, waren entscheidend, um die Präzision auf dieses zuvor unerreichte Niveau zu bringen“, erklärt Stefano Manzoni von der Elektronen-Photon-Arbeitsgruppe der ATLAS-Kollaboration. (Lepton-Photon Conference 2023, Melbourne)

Quelle: CERN/ ATLAS Collaboration

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