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"Ein Lehrling bleibt nicht ewig Lehrling"

Wie finden junge Leute heute Sinn in ihrem Beruf? Wie behaupten sie sich in einer dynamischen Arbeitswelt? Ein Austausch.

zukunft.lehre.österreich.-Geschäftsführerin Monika Sandberger hat ihre Karriere als Lehrling gestartet.
zukunft.lehre.österreich.-Geschäftsführerin Monika Sandberger hat ihre Karriere als Lehrling gestartet.

Monika Sandberger hat ihre Karriere mit einer Lehre zur Bürokauffrau gestartet. Heute setzt sie sich als Geschäftsführerin des Vereins zukunft.lehre.österreich. für das Image der Lehre ein.

Alexander Ferstl absolviert bei Stiegl seine zweite Lehre. Beruflich hat der 21-jährige Thalgauer noch viel vor.
Alexander Ferstl absolviert bei Stiegl seine zweite Lehre. Beruflich hat der 21-jährige Thalgauer noch viel vor.

Alexander Ferstl hängt an seine Maurerlehre aktuell eine Ausbildung in der IT an. Im Gespräch philosophieren die beiden über den Wert der Lehre und warum es sinnvoll ist, frühzeitig an Karrierestufen zu bauen.

Was spricht für eine Lehre? Alexander Ferstl: Für mich waren mehrere Punkte ausschlaggebend: In der Lehre erlangt man unmittelbar Berufserfahrung, verdient schon in jungen Jahren sein eigenes Geld und kann nebenbei die Matura machen. So kann ich an den Lehrabschluss gleich ein Studium anhängen.

Monika Sandberger: Wer mit 15 eine Lehre beginnt, hat gegenüber jemandem, der mit 25 ein Studium abschließt, zehn Jahre Vorsprung, was den Verdienst betrifft. Das hilft auch, sich von zu Hause abzukoppeln, früh eine eigene Perspektive und Verantwortung zu entwickeln. Eine Lehre ist außerdem eine Aufgabe, die Sinn gibt und damit dem Selbstbewusstsein guttut.

Musst du dich manchmal rechtfertigen, dass du "nur" eine Lehre machst? Ferstl: Das kommt so gut wie nie vor. Die meisten sind beeindruckt von meinem beruflichen Werdegang und der Tatsache, dass ich einen zweiten Lehrberuf absolviere.

Sind die Imageprobleme der Lehre Vergangenheit? Sandberger: Falls wir Imageprobleme haben, dann aus Unwissenheit. Viele haben noch im Kopf: Als Lehrling machst du niedrige Tätigkeiten, kehrst zusammen, holst Wurstsemmeln. Aber inzwischen ist die Konkurrenz so groß, dass Firmen, die nicht zeitgemäß ausbilden, keinen Nachwuchs finden werden. Dementsprechend viel haben Unternehmen investiert: Gearbeitet wird nicht in dreckigen, verstaubten Hallen, sondern in einer modernen Umgebung. Neben die Vermittlung des Fachwissens sind pädagogische und psychologische Angebote getreten. Für Junge ist das sehr, sehr wertvoll. So erhalten sie ein Rüstzeug fürs Leben. Das versuchen wir auch Eltern zu vermitteln, indem wir sie einladen, sich Lehrbetriebe anzuschauen.

Warum hast du dich für die Lehre zum Informationstechnologen entschieden? Ferstl: Computer haben mich seit jeher interessiert. Bei IT-Problemen im privaten Umfeld war ich immer die erste Ansprechperson. Es macht mir Freude, Menschen bei technischen Problemen zu unterstützen, und genau das ist meine Hauptaufgabe im Servicedesk. Ich finde es auch super, dass ich über die Stiegl-Lehrlingsakademie zusätzlich Soft Skills erwerben und mich persönlich weiterentwickeln kann. Das war für mich ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Wahl des Lehrbetriebs.

Was hast du dir vom Berufsleben erwartet? Fühlst du dich durch die Schule gut vorbereitet? Ferstl: Bevor ich meine Lehre als Maurer begonnen habe, wusste ich nicht, wie der Arbeitsalltag aussieht. Aber ich hatte die Vorstellung, dass ich etwas leisten werde, das einen Mehrwert schafft. Das hat sich in meiner Karriere als Maurer genauso bewahrheitet wie in meiner Lehre zum IT-Techniker. Einen kleinen Einblick in die verschiedenen Berufe habe ich bereits über Schnuppertage bekommen, die meine Schule organisiert hatte.

Junge Menschen seien nicht mehr so leistungsbereit, heißt es oft. Was ist Ihr Eindruck? Sandberger: Das ist wohl etwas, das jede Generation über die nachfolgenden sagt. Wenn man sieht, wie sich junge Menschen in Betrieben einbringen, dann kann das nur ein Vorurteil sein, das man in die Schranken weisen muss. Jugendliche haben vielleicht andere Werte und Ansprüche. Sie sind aber auch nicht einfach so vom Himmel gefallen, sondern ein Produkt der Erziehung durch Erwachsene. Wichtig ist zu verstehen, dass sie aus einer komplett digitalen Welt kommen. Jene der Ausbildner ist noch eine andere. Für diese Unterschiede muss man beide Seiten sensibilisieren.

"Ich merke, dass meine Arbeit einen Zweck erfüllt."
Alexander Ferstl
IT-Lehrling

Was brauchst du, um motiviert zu arbeiten? Ferstl: Für mich ist Wertschätzung sehr wichtig. Darüber hinaus muss das Zwischenmenschliche im Team passen. Beides ist bei Stiegl gegeben, ich fühle mich hier richtig wohl und merke, dass meine Arbeit geschätzt wird und auch einen Zweck erfüllt.

"Von Anfang an Aufstiegsmöglichkeiten klar aufzeigen."
Monika Sandberger
z.l.ö.

Inwiefern haben sich die Ansprüche von Lehrlingen an die Arbeitswelt verändert? Sandberger: Junge Menschen suchen heute vermehrt nach Sinn in ihrer Arbeit, machen sich viel mehr Gedanken über Umwelt und Nachhaltigkeit. Die Frage ist auch: Wird Unternehmenskultur gelebt oder findet sie nur am Papier statt? Jungen Menschen ist wichtig, dass der Generaldirektor oder die Geschäftsführerin sie genauso kennt und behandelt wie alle anderen im Unternehmen. Wichtig ist auch, von Anfang an Karrierewege und Aufstiegsmöglichkeiten klar aufzuzeigen. Ein Lehrling bleibt nicht ewig Lehrling. Ein Drittel der Führungspositionen besetzen Menschen, die mit einer Lehre gestartet haben.

Welche Türen stehen Lehrlingen heute offen? Sandberger: Man kann Meister werden, je nach Beruf Abteilungs- oder Marktleiter, die Lehre mit Matura machen. Und für wen mit 15 die Schule gerade nichts ist, der kann sie immer noch nachmachen und bekommt dafür dann, falls er mindestens vier Jahre gearbeitet hat, sogar ein Stipendium.

Viele Unternehmen haben erkannt, dass junge Menschen Perspektiven brauchen. Die Karriereplanung geht man mit den Jugendlichen am besten schon in jungen Jahren an, lässt sie alle drei bis sechs Monate in eine andere Abteilung hineinschnuppern, damit sie sehen, wie das Unternehmen funktioniert und wo es ihnen am besten gefällt.

Wie unterstützt zukunft.lehre.österreich. Lehrlinge konkret? Sandberger: Die Initiative entwickelt seit 2018 eine Gegenstrategie zum drohenden Fachkräftemangel. Inzwischen hat der Verein 250 Mitgliedsbetriebe - vom Weltkonzern bis zum Friseur ums Eck. Zu den Säulen gehört die Imagearbeit genauso wie die Vernetzung oder der Austausch mit der Politik, wenn es etwa darum geht, Lehrpläne zu überarbeiten. Wir bieten auch Workshops und Seminare für Ausbildende und Lehrlinge, nicht nur in ihrem jeweiligen Beruf, sondern auch im Bereich der politischen Bildung oder der Finanzbildung.

Wie soll es für dich beruflich weitergehen? Ferstl: Ich habe das Privileg, während der Arbeitszeit den Maturakurs besuchen zu können. Somit werde ich in etwa zeitgleich zum Lehrabschluss mit der Matura fertig. Danach werde ich entweder die Fachakademie für Angewandte Informatik absolvieren oder ein Bachelorstudium im wirtschaftlichen Bereich. Im Master möchte ich mich auf Management spezialisieren.