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Bauen mit Rest- und Abfallstoffen

Ein neues CD-Labor an der TU Graz widmet sich der Materialentwicklung von industriellen Abfall- und Reststoffen. Neu entwickelte Geopolymere könnten künftig auch zementbasierten Beton ersetzen.

Cyrill Grengg leitet das neue Christian-Doppler-Labor in Graz.
Cyrill Grengg leitet das neue Christian-Doppler-Labor in Graz.

Es ist kein Geheimnis: Die Herstellung von Baumaterialien ist für etwa neun Prozent aller weltweit erzeugten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Einen Knackpunkt in der Energie- und Klimawende bildet aus diesem Grund die Wiederverwendung von Baustoffen - ihre Kreislauffähigkeit. Das enorme Optimierungspotenzial in diesem Bereich lässt sich auch durch Zahlen gut veranschaulichen: Jährlich fallen 54 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an, was rund 76 Prozent des gesamten Abfallvolumens ausmacht. Davon werden noch immer fast 60 Prozent deponiert, wodurch nicht nur wertvolle Ressourcen, sondern auch große Flächen verloren gehen.

Wiederverwendung von Baustoffen: Zurück in den Kreislauf

Diese großen Mengen an Abfallstoffen von den Deponien weg und zurück in einen CO2-neutralen Kreislauf zu holen ist das erklärte Ziel einer Gruppe von Materialforschern an der Technischen Universität Graz. In einem vor Kurzem eröffneten CD-Labor (Christian-Doppler-Labor) wird speziell an der Weiterentwicklung mineralischer Rest- und Abfallstoffe gearbeitet. Anorganische industrielle Sekundärrohstoffe wie Schlacken und Aschen sowie Reststoffe wie Mineralwollen und tonreiche Abbruchmaterialien werden im CD-Labor weiterverarbeitet und je nach Bedarf und Verwendungszweck mit kohlenstoffreichen Abfallstoffen wie (Alt-)Ölen, Biomasse-Reststoffen oder organischen Fasern kombiniert.

Korrosionsresistenterer Geopolymer als Alternative zu zementbasiertem Beton

Das so entstandene Geopolymer ist eine Alternative zu zementbasiertem Beton: Es bietet vergleichbare Materialeigenschaften, hat eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen viele Arten der Korrosion und führt zu weniger Ressourcenverbrauch durch Recycling bisher deponierter Rest- und Abfallstoffe. "Chemisch gesehen ist das Geopolymer etwas völlig anderes als Portlandzement, die physikalischen Eigenschaften sind aber sehr ähnlich oder zum Teil sogar besser", erklärt Laborleiter Cyrill Grengg, der vor allem in der wesentlich höheren Resistenz gegen Korrosion großes Potenzial sieht.

Portlandzement ist im modernen Baugewerbe das mit Abstand meistverwendete Bindemittel. Allerdings ist er anfällig für Korrosion durch Wind, Wetter und andere Umwelteinflüsse wie etwa (bio-)chemisch aggressives Abwasser aus Abwassersystemen und Kläranlagen. Das führt zu Sicherheitsproblemen und hohen Ausgaben für die Instandhaltung von Bauwerken: Weltweit werden durch Korrosion verursachte Kosten auf 2,5 Billionen US-Dollar (oder ca. 3,4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts) geschätzt, große Anteile davon beziehen sich auf den Baustoff Beton.

Unternehmenspartner und das Arbeits- und Wirtschaftsministerium als Unterstützer

Dem Laborleiter Cyrill Grengg und seinem elfköpfigen Team stehen für ihr Vorhaben acht gewichtige Unternehmenspartner zur Seite: voestalpine Stahl Donawitz GmbH, Stahl- und Walzwerk Marienhütte GmbH, brantner green solutions GmbH, Initiative Ziegel, Forschungsverein Stein- und keramische Industrie, CharLine GmbH, Kirchdorfer Fertigteilholding GmbH, MM Kanal-Rohr-Sanierung GmbH und die Gemeinschaft steirischer Abwasserentsorger (inklusive Linz AG und AWV Wiener Neustadt) sehen alle Potenzial in der Nutzung von Bauschutt, Schlacke, Hüttenschotter, Mineralwolle oder Asche für umweltverträglicheren und resistenteren Beton.

Sieben Jahre lang soll nun gemeinsam mit den Firmenpartnern intensive Forschungsarbeit betrieben werden. Größter öffentlicher Fördergeber des neuen Labors ist das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.

"Die Vielzahl der beteiligten Unternehmen aus verschiedenen Branchen zeigt das große Interesse an höherer Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit. Baumaterial aus Rest- und Abfallstoffen bringt nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern trägt auch zur Entlastung der Umwelt bei. Das gewonnene Know-how kann die Basis für viele weitere Innovationen sein", betont Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher.