SN.AT / Politik / Weltpolitik

Israel beginnt mit Flutung der Hamas-Tunnel

Das "Wall Street Journal" berichtet, die israelische Armee leite im Gazastreifen Meerwasser in die Tunnel der Hamas ein. Angehörige der Geiseln demonstrieren in Jerusalem gegen das Vorgehen der Regierung.

Einer der unterirdischen Tunnel, die von der Hamas im Gazastreifen gegraben wurden. Das israelische Militär ist offenbar dabei, sie zum Teil zu fluten.
Einer der unterirdischen Tunnel, die von der Hamas im Gazastreifen gegraben wurden. Das israelische Militär ist offenbar dabei, sie zum Teil zu fluten.

Israel sieht das massive Tunnelnetz der Hamas unter dem Gazastreifen als größte Bedrohung im Krieg gegen die Terrororganisation. Am Dienstag soll die israelische Armee (IDF) begonnen haben, die unterirdischen Gänge mit Meerwasser zu überfluten. Das berichtet unter anderem das "Wall Street Journal" mit Berufung auf US-Beamte, die über die Operationen der IDF informiert seien. Das Verteidigungsministerium in Jerusalem kommentierte lediglich: "Die Tunneloperationen sind geheim."
ABC News veröffentlichte später einen ähnlichen Bericht und sagte, die Überschwemmungen schienen begrenzt zu sein, da Israel sich ob der Wirksamkeit nicht sicher sei. Auch hierzu lehnte das Militär eine Stellungnahme ab. Die Armee führt derzeit umfassende Angriffe gegen die Hamas-Infrastruktur aus der Luft und bei einer Bodenoffensive durch. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei über 18.400 Palästinenser getötet.

US-Präsident Biden äußert sich zurückhaltend

Die Hamas benutzt die rund 480 Kilometer Tunnel für Überraschungsangriffe gegen die IDF, um Waffen und Kämpfer zu manövrieren und israelische Geiseln entsprechend dem Vormarsch der israelischen Streitkräfte von Ort zu Ort zu transportieren. Der Prozess des Flutens ist Teil einer umfassenderen Strategie zur Zerstörung des Tunnelnetzes und würde wahrscheinlich Wochen dauern.
Einen Tag zuvor hatte sich US-Präsident Joe Biden gewunden, Fragen zu den Berichten zu beantworten: "Im Hinblick auf die Überschwemmung der Tunnel wird behauptet, man sei ganz sicher, dass es in keinem dieser Gänge Geiseln gebe. Aber das weiß ich nicht genau", sagte Biden und bezog sich offenbar auf Zusicherungen aus Israel. "Ich weiß jedoch, dass jeder zivile Tod eine absolute Tragödie ist." Israel habe aber bekundet, "der Absicht Taten folgen zu lassen".

Auch Ägypten hat schon Meerwasser in die Tunnel geleitet

Die Flutung soll angeblich helfen, die massiven Sprengtüren leichter zu bewältigen. Darüber hinaus gibt es Tunnel mit Sprengfallen. In der Nacht zum Mittwoch waren zehn Soldaten der israelischen Armee durch Sprengsätze der Hamas getötet worden. Gleichzeitig versucht Israel, die Tunnel mit Robotern, Drohnen und Flüssigsprengstoffen zu zerstören. Das "Wall Street Journal" schätzt, dass Israel etwa 40 Prozent der Küste des Gazastreifens kontrolliert, was es ermöglicht, die Überschwemmungen mit Meerwasser durchzuführen. Andererseits würde dies die Süßwasserversorgung des Gazastreifens bedrohen, wurden amerikanische Beamte zitiert.
Die Methode zur Flutung von Tunneln mithilfe von Meerwasser hat nicht Israel erfunden. Im Jahr 2015 beschloss Ägypten, verärgert über die Verbindungen der Hamas zur Terrororganisation Islamischer Staat im Sinai, Salzwasser in die unterirdischen Verbindungen zwischen Gaza und der Halbinsel zu leiten. Sie taten dies trotz Beschwerden über die Schädigung der Landwirtschaft durch lokale Bauern sowie Umweltorganisationen und ohne dabei große internationale Aufmerksamkeit zu erregen.

Angehörige fordern dringend eine Vereinbarung zur Freilassung weiterer Geiseln

Nicht nur Naturschützer kritisieren diese Methode. Gänzlich dagegen sind die meisten Familien der noch in Gaza festgehaltenen Verschleppten. Hunderte Angehörige und Unterstützer protestierten am Mittwochmorgen vor dem Regierungskomplex in Jerusalem und forderten, dass dringend eine Vereinbarung zur Freilassung von weiteren Geiseln vorangetrieben werden soll. Die Hamas hatte am 7. Oktober bei einem Massaker in Gemeinden im Süden Israels mehr als 1200 Menschen getötet und über 240 Geiseln genommen. Die meisten Frauen, Kinder und ausländischen Staatsangehörigen wurden befreit, derzeit wird angenommen, dass sich noch 136 Geiseln in der Gewalt der Hamas befinden.

Familienmitglieder übernachten sogar in einem Zeltlager, das am Dienstag in der Nähe des Büros des Premierministers errichtet wurde. Die Demonstranten standen auch entlang der Straße, die vom Büro des Premierministers zur Knesset führt, und hielten Schilder mit der Aufschrift: "Sie haben keine Zeit mehr - bringen Sie die Entführten nach Hause. Jetzt!"

"Sie geben der Politik Vorrang vor den Geiseln"

Einige Tage zuvor hatten sich Angehörige und ehemalige Geiseln in einem spannungsgeladenen Treffen mit dem Kriegskabinett Israels ausgetauscht. Sharon Aloni-Kunio, die mit ihren dreijährigen Zwillingen befreit worden war, sorgt sich um ihren Mann David, der nach wie vor in der Gewalt der Hamas ist: Wenige Tage vor ihrer Rückkehr nach Israel sei sie von ihm getrennt worden. Verzweifelt wandte sie sich an den Premierminister Benjamin Netanjahu: "Er wurde in die Tunnel gebracht. Und jetzt sprechen Sie davon, die Tunnel mit Meerwasser zu überfluten. Sie geben der Politik Vorrang vor den Geiseln."

KOMMENTARE (1)

Anna Gruber

Daß sich genau die Terrororganisation Hamas weigert ihre Geiseln freizulassen den Waffenstillstand gebrochen hat, ist unglaublich. Wer immer noch nicht weiß, ob er Israel oder den Geiselnehmern Hamas glauben soll, hat jeden moralischen Kompass verloren.
Antworten