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Ukraine will Energienetz gegen Raketenattacken wappnen

Mit einer weiteren Angriffswelle hat Russland am Donnerstag wichtige Infrastrukturanlagen und andere Ziele in der Ukraine getroffen. Das Präsidialamt in Kiew berichtete von 36 Raketen und Marschflugkörpern in der Nacht. Medienberichten zufolge will die dortige Führung nun Teile der Energie-Infrastruktur in unterirdische Bunker verlagern und so vor Raketen schützen.

Ein kriegszerstörtes Haus im ukrainischen Chasiv Jar (Archivbild)
Ein kriegszerstörtes Haus im ukrainischen Chasiv Jar (Archivbild)

"Leider gibt es Treffer im Norden, Westen und in den Gebieten Dnipropetrowsk und Kirowohrad", teilte der Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, nach den russischen Angriffen mit. Das russische Militär habe seine Taktik geändert und setze auch "falsche Ziele" zur Irreführung der Flugabwehr ein. Offen blieb, ob damit Raketen ohne Sprengkopf oder Ballons zur Täuschung des Radars gemeint waren. Die ukrainische Armeeführung zählte 16 abgefangene Raketen. Die Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen.

Behördenangaben zufolge gab es in Pawlohrad im Gebiet Dnipropetrowsk mindestens ein Todesopfer und mehrere Verletzte sowie Schäden an 50 Wohnhäusern und einem Industriebetrieb. Im westukrainischen Gebiet Lwiw hätten drei Raketen Infrastruktur beschädigt. Für Donnerstag oder Freitag kommender Woche erwartet der ukrainische Sicherheitsrat nach eigenen Angaben erneut einen massiven Raketenangriff. Am 24. Februar jährt sich der Beginn des russischen Angriffskriegs zum ersten Mal.

Seit Oktober setzt das russische Militär auf massive Raketenschläge gegen Umspannwerke und andere Einrichtungen der Strom- und Wasserversorgung in der Ukraine - sogenannte kritische Infrastruktur. In einem Pilotprojekt sollen nun zwei der insgesamt 90 großen Umspannwerke im Land bis zum Winter unter die Erde verlegt werden, wie die ukrainische "Forbes"-Ausgabe berichtet. Die Verlegung aller Anlagen nähme nach Schätzungen bis zu fünf Jahre in Anspruch und kostete Milliarden.

Aufseiten der Verbündeten sorgt derzeit vor allem die Waffenhilfe für Kiew für Diskussionen. "Die Ukraine muss nicht nur in der Lage sein, sich zu verteidigen, sondern auch die volle Kontrolle über ihr gesamtes international anerkanntes Territorium zurückerlangen", heißt es in einer Entschließung des EU-Parlaments. Zudem seien ernsthafte Überlegungen zur Lieferung von Hubschraubern, Raketensystemen und mehr Munition nötig. Die Abgeordneten forderten zudem die Aufnahme von Beitrittsgesprächen zwischen der EU und der Ukraine noch in diesem Jahr.

Unterdessen besuchte am Donnerstag der israelische Außenminister Eli Cohen als erster ranghoher Politiker Israels seit Kriegsbeginn die Ukraine. Nach einem Treffen mit Außenminister Dmytro Kuleba kündigte Cohen am Donnerstag an, Israel werde mit bis zu 200 Millionen Dollar (rund 190 Millionen Euro) Projekte im Gesundheitswesen und in der zivilen Infrastruktur mitfinanzieren. Zudem wolle sein Land bei der Entwicklung eines Frühwarnsystems helfen.

Zu möglichen Waffenlieferungen, die von der Ukraine seit langem gefordert werden, äußerte sich Cohen nicht. Am Nachmittag war ein Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj geplant. Der Israeli besuchte auch den Kiewer Vorort Butscha, einem der Schauplätze von russischen Gräueltaten, und legte an der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar einen Kranz nieder. Dort wurden 1941 etwa 33.000 Juden von deutschen Truppen ermordet und verscharrt.

Israel hat Russlands Angriffskrieg in der Ukraine zwar mehrfach klar verurteilt und humanitäre Hilfe zugesagt. Insgesamt blieb es jedoch eher zurückhaltend und lehnt bisher auch Waffenlieferungen ab. Russland hat großen Einfluss auf die Lage in Syrien. Israel will in dem Nachbarland verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen wie die Hisbollah ihren militärischen Einfluss ausweiten. Außerdem gibt es in Russland eine große jüdische Gemeinde.

Das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) hält es indes für unwahrscheinlich, dass der Kreml in den kommenden Tagen größere Mobilmachungspläne oder andere militärische Initiativen bekanntgeben wird. Von einer Rede zur Nation, die Präsident Wladimir Putin am 21. Februar halten will, sei die Verkündung solcher Schritte eher nicht zu erwarten.

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