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Macron fordert Verteidigungsinitiative »Unser Europa kann sterben«

Vor sieben Jahren hielt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Grundsatzrede zur Zukunft Europas. Damals wurde er für seine Gedanken gefeiert. Heute sprach er erneut an der Eliteuni Sorbonne – und wählte drastische Worte.
Emmanuel Macron: »Europa muss das, was ihm am Herzen liegt, verteidigen können«

Emmanuel Macron: »Europa muss das, was ihm am Herzen liegt, verteidigen können«

Foto: Christophe Petit Tesson / dpa

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Europa mit drastischen Worten zu einer verstärkten Verteidigung aufgerufen. »Unser Europa heute ist sterblich, es kann sterben, und das hängt allein von unseren Entscheidungen ab«, warnte der Staatschef am Donnerstag in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne-Universität. Europa stehe an einem Wendepunkt und müsse mehr tun, um mit rasch wieder aufrüstenden globalen Rivalen konkurrieren zu können.

Die größte Gefahr für die Sicherheit Europas sei der Krieg in der Ukraine: »Die Grundvoraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass Russland diesen Angriffskrieg nicht gewinnt«, sagte Macron. Er schlug die Schaffung einer europäischen Militärakademie vor. Zudem müsse Europa den Bereich Cybersicherheit stärken und die heimische Rüstungsindustrie fördern: »Wie können wir unsere Souveränität, unsere Autonomie aufbauen, wenn wir nicht die Verantwortung übernehmen, unsere eigene europäische Verteidigungsindustrie aufzubauen?«

Er bekräftige seine Forderung, bei Rüstungsgütern europäische Produktionen zu bevorzugen und dafür auch gemeinsame Schulden aufzunehmen – Forderungen, die in Berlin bislang nicht umfassend geteilt werden.

Frankreich werde dabei seine Rolle spielen, sagte Macron. Die nukleare Abschreckung, über die Frankreich verfüge, sei dabei »ein unumgängliches Element der Verteidigung des europäischen Kontinents«, erklärte Macron. »Dank dieser glaubwürdigen Verteidigung können wir die Sicherheitsgarantien aufbauen, die unsere Partner in ganz Europa erwarten«, betonte er. Der gemeinsame Sicherheitsrahmen könne in der Zukunft auch ermöglichen, »nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland aufzubauen«.

Europa kein »Vasall« der USA

Macron sagte, Europa müsse in der Lage sein, einen Dialog mit Drittländern aufzunehmen und zu zeigen, dass es kein »Vasall« der USA sei. Wirtschaftlich drohe der alte Kontinent im internationalen Kontext zurückzufallen und müsse sein Wachstumsmodell überdenken. Berater des Präsidenten bezeichnen die Rede als Beitrag Frankreichs zur strategischen Agenda der EU für die nächsten fünf Jahre. Über die Agenda soll nach den Europawahlen entschieden werden, die im Juni anstehen.

Macron hatte in jüngster Zeit zudem mit der Bemerkung für Aufmerksamkeit gesorgt, dass der Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen sei. Solche Überlegungen treffen bei Bundeskanzler Olaf Scholz auf Ablehnung. Zudem hatte es laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit Interessenkonflikte bei geplanten gemeinsamen Projekten wie der Entwicklung eines Kampfflugzeugs und eines Kampfpanzers gegeben.

Macron hatte bereits 2017 in demselben prunkvollen Hörsaal der Sorbonne zu einer größeren Souveränität Europas und einer stärkeren gemeinsamen Verteidigung aufgerufen. Damals reagierte die deutsche Regierung nicht auf seine Vorschläge. Diesmal kommentierte Scholz immerhin auf X, ehemals Twitter: »Frankreich und Deutschland wollen gemeinsam, dass Europa stark bleibt.« Macrons Rede enthalte gute Impulse. »Gemeinsam bringen wir die EU voran: politisch und wirtschaftlich. Für eine souveräne und innovative EU. Vive l’Europe!«

sol/AFP/Reuters