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Bittbrief von Frank Elstners Vater an Hitler »Wenn Sie, mein Führer, mir den Weg ebnen könnten, wären wir Ihnen unendlich dankbar«

Mit einem fehlgebildeten Auge kam 1942 der spätere Showmaster Frank Elstner zur Welt. Ein bisher unbekannter Brief zeigt, wie sein Vater verzweifelt Hitler um Hilfe bat – und kalt abgewiesen wurde.
Frank Elstner (Foto von 2019): Sein Vater bat Hitler um Hilfe

Frank Elstner (Foto von 2019): Sein Vater bat Hitler um Hilfe

Foto:

Arnd Wiegmann / REUTERS

Nur wenige Stunden fehlten, dann wäre Frank Elstner auch am 20. April geboren worden, am »Führergeburtstag«. Vielleicht half ja dieser Zufall, um Adolf Hitler persönlich zu erweichen, muss sich Franks Vater Erich Elstner wohl gedacht haben – denn er brauchte dringend Hilfe. Sein Sohn war mit einer Mikrophthalmie, einer Fehlbildung des Auges, zur Welt gekommen. Der rechte Augapfel war deutlich zu klein.

Also verfasste Erich Elstner am 28. April 1942 in Linz, wenige Tage nach Geburt seines Sohnes, ein Bittschreiben, um den Diktator zu umschmeicheln. Es begann so:

»Mein Führer, trotz großer Bemühungen war es mir, vor allen Dingen meiner Frau nicht vergönnt, an Ihrem Geburtstage, unseren frischgebackenen Stammhalter das Licht der Welt erblicken zu lassen. Er kam leider 7 Stunden zu früh und zwar am 19. April 1942 um ½ 5 Uhr nachmittag.«

»Die Ärzte stehen vor einem Rätsel«

Dann kam Erich Elstner, Schauspieler, Operettensänger und Regisseur, zum Punkt. Sein Sohn sei eigentlich ein »ein gesunder, strammer Junge«, doch Gott habe ihm leider ein normales linkes und ein kleines rechtes Auge geschenkt. »Die Ärzte stehen vor einem Rätsel.« Nur eine teure Behandlung durch einen »namhaften Spezialisten« könne das fehlgebildete Auge womöglich noch retten.

Der Brief war der Öffentlichkeit bisher unbekannt. Auch Frank Elstner, inzwischen 81, kannte ihn nicht. Das sagte er der »Bild am Sonntag«, die das Bittschreiben und weitere Dokumente zur Familie Elstner im Bundesarchiv in Koblenz gesichtet hatte – und darüber nun berichtete.

Das Dokument ist zwar kein großer historischer Fund, aber ein vor allem aus psychologischer Sicht interessantes Detail. Denn es zeigt, was passiert, wenn sich in einer Diktatur alle Entscheidungsgewalt in einer Hand bündelt. Das macht selbst Menschen unterwürfig, die wie Erich Elstner wohl keine glühenden Anhänger des Nationalsozialismus waren.

»Da schreibt man nicht: ›Hitler, Sie Arschloch‹«

Erich Elstner war, so sagt es sein Sohn Frank mit Verweis auf die Dokumente aus dem Bundesarchiv, weder Mitglied der NSDAP noch anderer NS-Organisationen. Nach dem Krieg wurde er im August 1948 »entnazifiziert«, seine Biografie also überprüft. Angesprochen auf das Schreiben an Hitler, entschuldigte er es in dem Verfahren mit seiner »Notlage«, so notierte es damals ein US-Offizier.

Auch Frank Elstner, langjähriger Moderator und Erfinder von Fernsehshows, erklärt in der »Bild am Sonntag« den »unterwürfigen Ton« seines Vaters mit dessen großen Sorgen: »Da schreibt man dann nicht in einem Brief, ›Hitler, Sie Arschloch‹.«

Frank Elstner wurde besonders durch TV-Shows wie »Verstehen Sie Spaß?« und »Wetten, dass..?« bekannt

Frank Elstner wurde besonders durch TV-Shows wie »Verstehen Sie Spaß?« und »Wetten, dass..?« bekannt

Foto: Rtl / dpa

Und so versuchte Erich Elstner immer wieder, devote Formulierungen zu finden, die Wohlwollen auslösen könnten. Als gebürtiger Sudetendeutscher betonte er sein künstlerisches »Engagement innerhalb des Sudetengaues«; so hieß ein Verwaltungsbezirk, den sich der NS-Staat 1938 aus der Tschechoslowakei einverleibt hatte. Und, wichtiger noch: Sein Sohn Frank solle »einmal Soldat werden können und nicht zurückstehen müssen«, etwa »wegen schlechter und zu später ärztlicher Behandlung«.

Da er sich »teure, spezialärztliche Behandlungen« nicht leisten könne, bettelte Erich Elstner am Ende fast: »Wenn Sie, mein Führer, mir den Weg dazu eben könnten, wären wir Ihnen unendlich dankbar.« Er schlug sogar vor, er könne gern eine »Abzahlung in kleinen, monatlichen Raten leisten«.

Der Unterstützung nicht »würdig«

Indes: Die Mühe war vergebens. Elstners Brief war den Unterlagen aus dem Bundesarchiv zufolge an den »Reichskulturwart« adressiert, mit Bitte um Weitergabe an Hitler. Nach Recherchen der »Bild am Sonntag« geschah dies aber offenbar nicht, wie ein Aktenvermerk nahelegt: »Rücksprache heute erledigt. Das anliegende Gesuch soll nicht an die Kanzlei des Führers abgehen.«

Geprüft wurde stattdessen, ob für eine Augenoperation 300 Reichsmark aus einem Hilfswerk der Nationalsozialisten zur Verfügung gestellt werden könnten. Aber auch dies wurde abgelehnt, diesmal vom Propagandaministerium: »Besondere Verdienste« seien über Erich Elstner »in politischer Hinsicht hier nicht bekannt«. Der Schauspieler sei für eine Unterstützung aus dem Spendenfonds nicht »in besonderem Maße würdig«.

Der Versuch des Vaters scheiterte also, zur Operation durch einen Augenspezialisten kam es nicht. Frank Elstner trägt seit seinem 20. Lebensjahr ein Glasauge. Seine Seheinschränkung hinderte ihn nicht an einem höchst erfolgreichen Berufsleben: Elstner wurde zunächst als Radiosprecher bekannt, dann als Moderator von Sendungen wie »Spiel ohne Grenzen« und »Die Montagsmaler«, erfand 1981 »Wetten, dass ..?« und moderierte die Samstagabend-Show bis 1987. Außerdem entwickelte er zahlreiche weitere Fernsehformate.