Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Passions-Kino: Jesus Christ Superfilmstar

Passions-Kino Jesus Christ Superfilmstar

Christus als Kung-Fu-Ass, Zombie oder Superheld: Auf Zelluloid feiert Gottes Sohn in den erstaunlichsten Gestalten Auferstehung. Der beliebteste Jesus-Film allerdings ist ein frommer Missionierungsstreifen. Cineasten haben davon noch nie gehört - dabei ist er der wohl meistgesehene Film der Welt.

Ein naheliegender Kinoheld ist er nicht gerade. Statt Action predigt er Gewaltlosigkeit. Meist trägt er Bettlaken und Sandalen, was seine Vermarktbarkeit als Sexsymbol auf eine relativ kleine Zielgruppe beschränkt. Immerhin hat er eine Prostituierte im Gefolge, heißblütige Liebesszenen sind trotzdem ausgeschlossen - und am Ende muss er sterben.

Jeder halbwegs geschäftstüchtige Filmproduzent würde wohl tunlichst die Finger von einer Biografie wie dieser lassen. Trotzdem gibt es keine Geschichte, die öfter verfilmt wurde, als das Leben des Jesus von Nazareth. Seit die ersten wandernden Schaubuden Ende des 19. Jahrhunderts die Zuschauer mit ihren bewegten Bildern erstaunten bis zum Bibel-Pay-TV von heute wurden mehr als 600 Filme über Jesus gedreht. Da kann jede andere Figur der Menschheitsgeschichte getrost einpacken.

Auch die Quoten sind erstaunlich. Das mit großem Abstand meistgesehene Lichtspielspektakel der Welt ist nicht etwa "Vom Winde verweht", "Krieg der Sterne" oder "Titanic", sondern ein Film mit dem trockenen Titel "Jesus" von 1979. Und das, obwohl selbst die eingefleischtesten Filmfans die Regisseure John Krish oder Peter Sykes nicht kennen werden.

Das Ass im Ärmel aller Missionare

Die erfolgreiche Produktion ist seit mittlerweile 30 Jahren das Ass im Ärmel aller Missionare. Das sogenannte Jesus Film Project hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gottes Botschaft per Kinoleinwand und TV-Gerät, über Filmrolle, VHS und DVD auf der ganzen Welt zu verbreiten. Das Geheimnis des Erfolges liegt auf der Tonspur. Der Film wurde mittlerweile in mehr als tausend Sprachen und Dialekte von Aari bis Zulu übersetzt. So konnten die Ungläubigen in rund 250 Ländern den christlichen Heiland in ihrer Sprache predigen hören. Initiiert wurde die Aktion von der christlichen Organisation Campus Crusade for Christ, die es sich bereits 1951 zur Aufgabe machte, Menschen auf der ganzen Welt zum Christentum zu bekehren.

Auf der Website zum Projekt wird stolz verkündet, dass bisher etwa 4,1 Milliarden Menschen "Jesus" gesehen hätten - und dass mehr als 200 Millionen anschließend zum Christentum konvertiert seien. Den Film kann man mit ein paar Klicks direkt von der Seite downloaden. In mehreren hundert Sprachen, versteht sich.

Bei weitem nicht alle Filme, die Jesu Leben zum Thema haben, gehen konform mit den Ideen aller christlichen Kirchen. Konservative Christen stiegen zuletzt wegen Mel Gibsons "Die Passion Christi" auf die Barrikaden. Doch Gibsons blutiges Kreuzigungsspektakel ist kein Einzelfall.

Keine Lust, am Kreuz zu sterben

Besonders in den siebziger und achtziger Jahren protestierten konservative Christen gegen vermeintlich ketzerische Jesusfilme. Als 1988 Martin Scorseses "Die letzte Versuchung Christi" in die Kinos kam, wurde der Film als "dämonisches Machwerk" verschrien, weil Jesus in Scorseses Version bis zum Schluss gar nicht begeistert ist von der Idee, für die Sünden der Menschen am Kreuz zu sterben.

Auch weit weniger ernste Filme sorgten für Aufregung. Die Verfilmung des knallbunten Musicals "Jesus Christ Superstar" geriet mit dem Klerus in Konflikt, weil der Heiland am Ende nicht auferstehen durfte. "Das grenzt an Gotteslästerung und Entweihung", ereiferte sich der US-Prediger Billy Graham, "denn ohne Auferstehung gibt es kein Christentum." Selbst bei der Komödie "Das Leben des Brian" blieb einigen Gläubigen das Lachen im Halse stecken. "Wenn das Wort Blasphemie noch einen Sinn hat", ließ ein erboster Vertreter der lutherischen Kirche verlauten, "dann müssen wir es auf diese Monty-Python-Filmsatire anwenden." Dabei ging es in dem Film doch streng genommen nicht einmal um Jesus, sondern um Brian Cohen. Der uneheliche Sohn einer jüdischen Magd und eines römischen Centurios, der sein Geld als Otternasenverkäufer bei den Gladiatorenkämpfen verdient, wird nur versehentlich für den Heiland gehalten.

Einen absoluten Präzedenzfall schuf Jean-Luc Godard mit seinem Skandalfilm "Maria und Joseph". Hier ist Josef Taxifahrer und Maria die Tochter eines Tankstellenwärters, die gar nicht begeistert ist, als ein verdutzter Gynäkologe ihr in einem Atemzug Jungfräulichkeit und Schwangerschaft diagnostiziert. Als diese Jesusbiografie der anderen Art erschien, wandte sich der Papst erstmals persönlich gegen einen einzelnen Film. Auf der Titelseite des "L'Osservatore Romano", offizielles Sprachrohr des Vatikans, ließ Papst Johannes Paul II. verlauten: "Der Film beleidigt und verunstaltet die fundamentalen Lehrsätze des christlichen Glaubens und entweiht seine geistliche Bedeutung und seinen geschichtlichen Wert und verletzt zutiefst die religiösen Gefühle von Gläubigen und den Respekt für das Heilige und die Jungfrau Maria, die von Katholiken mit so viel Liebe verehrt wird und Christen so lieb ist."

Auf die ungeteilte Zustimmung der katholischen Obrigkeit traf dann ausgerechnet das Werk eines bekennenden Homosexuellen, Kommunisten und Atheisten: Nachdem Pier Paolo Pasolinis "Das Erste Evangelium Matthäus" von 1964 im Vatikan aufgeführt wurde, soll das Publikum 40 Minuten lang applaudiert haben. Kein göttliches Wunder. Er inszenierte die Bibelstelle ebenso kompromisslos wie unaufgeregt. Ohne der Geschichte Charaktere, Dialoge oder Szenen hinzuzufügen, erzählte er aus dem Leben eines unbequemen Revolutionärs.

Auferstanden - aber untot

Auch heute sind Jesusfilme noch en vogue. Doch die meisten aktuellen Produktionen sind zu klein, um den Papst persönlich auf die Palme zu bringen. Vielleicht ist das auch gut so. Denn nie zuvor musste Gottes Sohn für so spezielle Interpretationen seines Lebensweges herhalten wie in der letzten Dekade. Ungeniert kramen passionierte B-Filmer in der Genre-Mottenkiste nach ihrem Jesus 2.0.

So tritt er zum Beispiel in dem absurden Martial-Arts-Action-Comedy-Horror-Musical "Jesus Christ Vampire Hunter" (2001) als Kung-Fu-kämpfender Vampirjäger auf, der sich nicht zu schade ist, einen bedrohlichen Blutsauger per Zahnstocher zur Hölle zu schicken. In "Ultrachrist!" von 2003 wiederum wird Gottes Sohn gleich ein komplett neues Image verpasst. Nachdem er in Jesuslatschen und Bettlaken-Outfit nicht gerade gut bei den Kids in New York ankommt, wird er mit silbernem Strampler und himmelblauem Umhang zeitgemäß zum Superhelden umgestylt.

Den spannendsten Gedanken aber verfolgt ein dritter Film: In "Zombie Jesus!" werden die Worte "Am dritten Tage auferstanden" aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis ganz genau genommen. Zombiefilm-Know-how wird hier ganz unverfroren mit Bibel-Mythologie zu einem unheiligen, urkomischen B-Movie-Brei im Stile von "Shaun Of The Dead" zusammengerührt. "Ich bin dein demütiger Diener", sagt ein Priester im Film und kniet vor dem von den Toten auferstandenen Heiland nieder, "Was willst du von mir?" Und Zombie-Jesus antwortet mit Grabesstimme: "Gehirn!"

Jesus ist heutzutage aber nicht nur eine Ikone des Trash-Films. Manch einem Regisseur gelang es, in den vergangenen Jahren mit seiner Interpretation von Jesus Leben wichtige Statements zu setzen. So erstaunte Jean-Claude La Marre 2006 mit seinem Film "Color Of The Cross". In ihm stellt er einen schwarzen Jesus in den Mittelpunkt der Passionsgeschichte. Der Regisseur und Hauptdarsteller wollte damit einen Anfang machen, die Rolle Schwarzer im Kino umzuschreiben. Seit Jahrzehnten seien Schwarze Opfer negativer Darstellungen im Film. "Ich dachte, Jesus ist ein guter Anfang, um mit dieser Tradition zu brechen."

Doch ob nun herrlicher Klamauk zur Kreuzigung oder ernsthafte Neuinterpretation des Stoffes - die neuen Jesusfilme zeigen: Die Zeit der großen Monumentalschinken im Stile von "Das Gewand" oder "Die größte Geschichte aller Zeiten" ist längst vorbei.

Und in "Ultrachrist!" darf Jesus - wenn auch noch etwas widerwillig - sogar Sex haben.